Juraprofessoren weisen zudem auf das Völkerrecht hin, das es verbiete, Menschen in die Staatenlosigkeit zu drängen. "Auch ein schlechter Bürger bleibt ein Bürger", bekräftigt der Verfassungsjurist Guy Carcassonne. "Man darf ihm seine Freiheit nehmen, aber nicht seine Persönlichkeit, zu der die Nationalität gehört." Die linke Zeitung Libération fühlt sich an "die schändlichsten Stunden der französischen Geschichte" erinnert. Zuletzt habe das mit den Nazis kollaborierende Vichy-Regime Juden die Staatsangehörigkeit genommen.
"Die schändlichsten Stunden der französischen Geschichte"
Das Regierungslager heizt derweil mit weiteren Ideen die Diskussion an. So schlägt der Abgeordnete Éric Ciotti eine Art Sippenhaft für Eltern vor, deren minderjährige Kinder sich nicht an Bewährungsauflagen halten. Vater und Mutter sollen dann ins Gefängnis geschickt werden können. Ciotti ist nicht irgendein irrlichternder Hinterbänkler, sondern der Sekretär für Sicherheitsfragen der Regierungspartei UMP. Auf ihn geht auch ein Vorschlag zurück, der schon im Parlament debattiert wird: Eltern, deren Kinder häufig die Schule schwänzen, sollen kein Kindergeld mehr bekommen.
All die Einfälle sind mehr als nur ein Beitrag zur Füllung des Sommerlochs. Sie sollen in zwei Gesetzesvorschläge zur inneren Sicherheit und zur Immigration eingehen, die Anfang September dem Parlament präsentiert werden. Kritiker sagen, Sarkozy wolle sich wieder einmal als super-flic, als oberster Polizist der Nation, inszenieren. Der Präsident vermenge die Themen Einwanderung und Kriminalität, um Stimmung zu machen. Da er als Erneuerer Frankreichs nicht reüssiere und mit etlichen Affären seiner Regierung zu kämpfen habe, wolle er auf diese Tour verlorene Anhänger zurückgewinnen und dem rechtsextremen Front National Wähler abwerben. Das Regierungslager weist die Kritik als gutmenschelndes Gerede der Linken zurück. Die Sozialisten verharrten angesichts der Kriminalität im Lande in ihrer "stillen Naivität" und verweigerten so Menschen in Gefahr die Hilfe.