Wahlkampf in Frankreich:Die Solisten erklimmen wieder die Bühne

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Die Wahlkampfpause nach den Attentaten von Toulouse währt nicht lange: Die Präsidentschaftskandidaten in Frankreich fallen erneut in Hetzreden und polemische Vorwürfe zurück. Auch Nicolas Sarkozy, der sich in den vergangenen Tagen sehr versöhnlich gezeigt hatte - und in Umfragen seinen Rückstand gegen Widersacher Hollande fast wettgemacht hat.

Stefan Ulrich, Paris

Wenn sogar die dezidiert linke Zeitung Libération den konservativen Präsidenten lobt, muss er ziemlich viel richtig gemacht haben. "Würdig, ergreifend" seien Nicolas Sarkozys Worte bei der Trauerfeier für die ermordeten Soldaten gewesen, schreibt das von Jean-Paul Sartre gegründete Blatt am Donnerstag in seinem Leitartikel.

Würdig und ergreifend, so dürften auch sehr viele Bürger ihren Präsidenten in diesen Tagen gefunden haben. Omnipräsent und dennoch Ruhe ausstrahlend, entschlossen und besonnen zugleich repräsentierte er die Nation. In den Umfragen für die Präsidentschaftswahl schlägt sich das bereits positiv für ihn nieder.

Während Sarkozy bislang im Wahlkampf polarisierte, indem er gegen Immigranten und Arbeitslose mobilisierte und den sozialistischen Gegenkandidaten François Hollande mit großem Furor attackierte, zeigte er jetzt, dass er auch versöhnen und die Nation einen kann. Er brachte Juden und Muslime zusammen, warnte vor Stigmatisierungen, mahnte zur Besonnenheit.

Am Mittwoch, beim Gedenken an die drei toten Fallschirmjäger im südfranzösischen Montauban, reichte er Hollande und einigen anderen anwesenden Präsidentschaftsbewerbern die Hand. Das ergab Bilder, die beweisen sollten: Präsident Sarkozy hält den am Montag selbstverkündeten Waffenstillstand im Wahlkampf ein.

Sarkozys Freunde wüteten gegen alle Kritiker

Für Sarkozys Freunde galt das nicht unbedingt. Sie wüteten gegen alle, die es wagten, Kritik am früher nicht immer so versöhnlichen Wirken des Präsidenten anzumelden. Ob der Sozialist Hollande, der Zentrist François Bayrou oder die Rechtsradikale Marine Le Pen - alle bezogen verbale Prügel. Sie versuchten, "ihren kleinen politischen Profit" aus den Morden von Toulouse zu ziehen, schimpfte eine konservative Abgeordnete.

Jean-François Copé, Chef der Präsidenten-Partei UMP, sagte, während die Regierung mit "totaler Entschlossenheit" gegen alle Formen des Fundamentalismus kämpfe, hätten Sozialisten und Grüne die Gefahr geleugnet. Dann forderte er seine Gegner auf, doch bitte die "angemessene Würde zu bewahren".

Die Antwort von Hollandes Wahlkampfteam folgte postwendend. "Schande auf Jean-François Copé", heißt es in einer Erklärung. "Schande denen, die zu einem Zeitpunkt polemisieren, da gerade Polizisten eingreifen und verletzt werden." Die Franzosen würden alle richten, die die Einheit der Republik im Angesicht der terroristischen Heimsuchung sprengten, prophezeiten die Sozialisten. Spätestens damit war am Donnerstag klar: Der Wahlkampf geht weiter.

Sarkozy wollte bereits am Abend in Straßburg seine Kampagne wieder aufnehmen. Hollande begab sich am selben Tag auf Wahlkampftour in die Corrèze, sein politisches Heimat-Departement. Mehrere Kandidaten, darunter die Grüne Eva Joly, gaben dem Präsidenten eine politische Mitverantwortung an den Verbrechen von Toulouse. Sarkozy und dessen Innenminister Claude Guéant hätten in der Vergangenheit diskriminierende Reden geschwungen, sagte die frühere Untersuchungsrichterin Joly. So seien die Franzosen fünf Jahren lang gegeneinander aufgehetzt worden.

Le Pen ruft zum Krieg gegen Fundamentalisten auf

Die forsche Madame Le Pen vom Front National hatte sich während der Attentatsserie auffällig ruhig verhalten. Sie musste befürchten, ein Rechtsextremist stecke hinter den Taten. Als klar wurde, dass es sich um einen bekennenden Islamisten handelte, ging sie in die Offensive. Ihr Front National habe schon immer vor dem Islamismus gewarnt, sagte sie. Dann rief sie zum "Krieg" gegen die Fundamentalisten auf und versprach, im Fall ihrer Wahl zur Staatspräsidentin ein Referendum über die Wiedereinführung der Todesstrafe abzuhalten.

In Paris wird erwartet, dass der Wahlkampf nun stark von Themen der inneren Sicherheit geprägt wird. Sarkozy kündigte am Donnerstag an, schärfer gegen Menschen vorzugehen, die im Internet zum Terrorismus aufrufen oder sonst Hass und Gewalt predigen. Auch Nutzer, die solche Webseiten regelmäßig besuchten, würden bestraft. Die politischen Beobachter fragen sich derweil, welche Strategie der Präsident und Kandidat für die verbleibenden vier Wochen vor dem ersten Wahlgang wählen wird: die des Versöhners oder die des Spalters.

© SZ vom 23.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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