Wahlkampf in der Türkei:Premier Davutoglu will Singles verkuppeln

Türkei vor der Wahl - Ahmet Davutoglu

Will mit seiner AKP die absolute Mehrheit erreichen: Ahmet Davutoglu

(Foto: dpa)
  • Die türkische Regierungspartei AKP von Präsident Erdoğan verspricht im Wahlkampf, Alleinstehenden bei der Partnersuche zu helfen.
  • Mit dem Vorstoß möchte der Parteichef und Premier Davutoglu Wähler gewinnen, um bei der Parlamentswahl am 1. November alleine die Regierung stellen zu können.
  • Ein Gericht verurteilte mehr als 200 Aktivisten der oppositionellen Gezi-Park-Bewegung zu Haftstrafen.

Vor der anstehenden Parlamentswahl in der Türkei gibt es einen kurios anmutenden Schwenk der AK-Partei von Präsident Recep Tayyip Erdoğan.

Im Falle ihres Wahlsiegs verspricht die islamisch-konservative Regierungspartei Singles Hilfe bei der Suche nach einem Ehepartner. "Sobald Ihr sagt: 'Ich brauche einen Ehepartner', geht ihr zuerst zu Euren Eltern", sagte AKP-Chef und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu bei einer Wahlveranstaltung nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu vom Donnerstagabend. "Sie werden Euch, so Gott will, einen guten Ehepartner finden. Finden sie keinen, wendet Ihr Euch an uns."

Davutoglu fügte bei dem Auftritt in der südosttürkischen Stadt Sanliurfa hinzu: "Jetzt habt Ihr also einen Job, ein Einkommen und etwas zu essen. Was bleibt übrig? Ein Ehepartner bleibt übrig, ein Ehepartner! Ihr wisst ja, wir wollen, dass die Menschen auf diesem Boden fruchtbar werden, sich vermehren, aber gleichzeitig auch berufstätig sind." Der AKP-Vorsitzende versprach: "Wir werden Euch Arbeit, Essen, einen Ehepartner und ein Haus geben."

Finanzielle "Heirats-Hilfe" in Aussicht gestellt

Das Angebot des Premiers zielt wohl auch auf jene Bürger ab, die bislang nicht zu den Zielgruppen der AKP zählen: Männer und Frauen, die Karriere gemacht haben, aber eben Singles sind. Davutoglus hatte sich in der Vergangenheit stets zugeknöpft gezeigt, wenn es um Dinge wie Sexualmoral, Datingplattformen oder Liebesszenen in Filmen ging.

Dass die Partei nun Partnerbörse für Alleinstehende spielen will, lässt sich mit Blick auf die Umfragen erklären. Nach der gescheiterten Koalitionsbildung will die Partei nach den Neuwahlen am 1. November unbedingt wieder alleine die Regierung stellen. Einige frühere Wähler haben sich von der Erdoğan-Partei abgewandt, Folge von peinlichen Enthüllungen, Korruptionsskandalen und teuren Prestigeprojekten wie dem Präsidentenpalast.

Der anstehende Urnengang soll es für die islamische Partei richten. Demoskopen zufolge fehlen der AKP allerdings entscheidende Prozentpunkte. Deshalb zielt die Kampagne nun wohl auf eine noch nicht abgegraste Zielgruppe, von der man sich entscheidende Zuwächse verspricht: Singles.

Davutoglu kündigte außerdem finanzielle "Heirats-Hilfe" an. Die Regierung werde den Betrag, den Eltern für die Heirat ihrer Kinder auf Konten einzahlten, um 20 Prozent aufstocken. "Wenn also 100 000 Lira (umgerechnet etwa 30 700 Euro) angelegt wurden, zahlt der Staat 20 000 Lira drauf, dann werden es 120 000 Lira sein. Kann man so einen Staat nicht nur lieben? Ist es nicht eine Ehre, der Bürger eines solchen Staates zu sein?"

Haftstrafen für Gezi-Park-Aktivisten

Vor den Wahlen ist die innenpolitische Lage in der Türkei angespannt. Zu den Zusammenstößen und Anschlägen, die mit der Kurdenproblematik zusammenhängen, gab es zuletzt auch ein Nachspiel für die Gezi-Park-Bewegung.

Einem Zeitungsbericht zufolge wurden 244 Angeklagte wegen der Proteste von 2013 zu Haftstrafen zwischen zwei und 14 Monaten verurteilt worden. Ihnen wurde unter anderem Zerstörung öffentlichen Eigentums sowie die Teilnahme an illegalen Kundgebungen vorgeworfen, wie die Zeitung Hürriyet berichtete. Die Staatsanwaltschaft habe Haftstrafen von bis zu elf Jahren gefordert. Nur vier Angeklagte seien freigesprochen worden.

Die Demonstrationen begannen als Proteste gegen die Bebauung des Gezi-Parks in Istanbul, weiteten sich aber rasch zu den schwersten politischen Unruhen in der jüngeren türkischen Geschichte aus. Das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten löste auch international Kritik am autoritären Regierungsstil in der Türkei aus. Präsident Recep Tayyip Erdoğan bezeichnete die Demonstranten als Terroristen.

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