Wahlkampf in den USA:Produkt eines medial-banalen Komplexes

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Allein die Instrumente der Anti-Terror-Strategien variierten: Während Carly Fiorina argumentierte, die Attentate von Boston und San Bernardino hätten mit einem besseren Algorithmus bei der Daten-Analyse verhindert werden können, euphorisierte sich Donald Trump an seiner eigenen kriegsverbrecherischen Idee, zur Abschreckung einfach die Familienangehörigen von Anhängern des IS zu töten. "Denen ist zwar ihr eigenes Leben egal, aber das Leben ihrer Familien ist ihnen nicht egal."

Am Ende ist unklar, was nachdenklicher stimmen sollte: dass selbst ein moderaterer Kandidat wie Senator Marco Rubio allen Ernstes behauptet, die syrische Flüchtlingskrise unterscheide sich von denen der Vergangenheit, weil früher Menschen "vor Unterdrückung" geflohen seien (als gäbe es in Syrien eine demokratische Wellness-Oase, und die Menschen verließen aus bloßem Überdruss an Freiheit ihre Heimat)?

Oder dass sich allein sieben der ersten Fragen von CNN-Moderator Wolf Blitzer alle auf die Gefahr durch den IS bezogen, es aber in der gesamten Debatte keine nach weißem Terror durch Amokläufer oder nach schärferen Waffengesetzen gab?

Emcke, Carolin

Carolin Emcke, 51, ist Autorin und Publizistin. 2016 erhielt sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Gewiss scheint allein zu sein: Die eskalierende Rhetorik der Kandidaten, die die soziale Angst vor dem eigenen Niedergang instrumentalisieren, ist auch das Produkt eines medial-banalen Komplexes, der jedes schrille Spektakel kultiviert, solange es nur amüsiert-gruselige Aufmerksamkeit generiert. So wie Kinder gern in Spielfilmen eine reale, echte Handlung sehen, in die sie durch lautes Zurufen eingreifen wollen, so lässt sich umgekehrt diese reale amerikanische Fernsehdebatte vermutlich nur ertragen, wenn sie innerlich fiktionalisiert wird - so als hätte sie nichts mit der politischen Wirklichkeit zu tun, als sei das ein Horrorfilm, vor dessen unheimlichen Zombies oder Monstern es sich genussvoll fürchten lässt, eine Lustangst, die mehr unterhält als belastet.

Die Frage der Angst in der amerikanischen Gesellschaft

Wie das manipulative Angstmachen zu einem irreal-realen Instrumentarium sowohl der amerikanischen Politik als auch der Medien geworden ist, bezeugt ein grandioses Gespräch zwischen Barack Obama und der Schriftstellerin Marilynne Robinson, das der New York Review of Books in zwei Ausgaben im November druckte. Das Interview liest sich wie ein vorweggenommener Kommentar zur republikanischen Debatte und imprägniert einen noch nachträglich mit seiner analytischen Ruhe gegen die wirre Aufgeregtheit der Kandidaten.

Obama beschreibt den Vorzug, dass er anfangs noch als chancenloser Außenseiter wahrgenommen worden sei: "Und so wurde ich nicht durch den Filter von Fox News und den konservativen Medien gesehen, die aus mir etwas Furchteinflößendes gemacht hätten", und ironisch fügt er an: "damals schien ich noch nicht furchteinflößend zu sein, außer, dass ich diesen lustigen Namen hatte."

Eine beeindruckende Passage des Austauschs zwischen dem Präsidenten und der von ihm verehrten Pulitzer-Preisträgerin dreht sich tatsächlich um die Frage der Angst in der amerikanischen Gesellschaft. Für Robinson besteht das Fundament der Demokratie in der Bereitschaft, in anderen Menschen etwas Gutes zu unterstellen.

Die Strategie der Angstmacher und Verschwörungstheoretiker dagegen sei es, "das, was offensichtlich gut ist, bösartig erscheinen zu lassen", damit sie andere Argumente oder Positionen, mit denen sie nicht übereinstimmen, nicht akzeptieren müssen. Das kalkulierte Zusammenspiel von Angst und bösartiger Unterstellung führt zur Konstruktion eines angeblich gefährlichen Anderen, der nicht mehr toleriert werden muss.

Dieser zersetzenden Mechanik der Angst etwas entgegenzusetzen, wird nicht nur Aufgabe der demokratischen Präsidentschaftsbewerber in den Vereinigten Staaten sein, sondern auch aller demokratisch gesinnten Europäer, die sich von realen oder surrealen Extremisten nicht gruseln und beschädigen lassen wollen.

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