Süddeutsche Zeitung

Wahlkampf in den USA:Biden gibt Trump Schuld an tödlicher Gewalt

Lesezeit: 3 min

Der Demokrat greift Trump frontal an wie nie zuvor. Dieser wiegele die Menschen zur Gewalt auf. Und der Präsident? Verteidigt den mutmaßlichen Todesschützen von Kenosha.

Von Hubert Wetzel, Washington

Das Wort "Krieg" kommt in Stellungnahmen von politischen Kandidaten in den USA nicht oft vor, um die Stimmung im eigenen Land zu beschreiben. Am Sonntag jedoch stand es in einer Erklärung von Joe Biden - war. "Wir dürfen kein Land werden, das gegen sich selbst Krieg führt", warnte der demokratische Präsidentschaftskandidat. "Ein Land, das hinnimmt, dass amerikanische Landsleute getötet werden, die anderer Meinung sind."

Und Biden sagte auch deutlich, wem er die Schuld dafür gibt, dass die USA in diesem Zustand sind: "Das ist das Amerika, das Präsident Trump will", schrieb er. Donald Trump glaube, dass "Krieg auf unseren Straßen seine Wiederwahlchancen verbessert". Gemessen daran, dass Biden es noch vor wenigen Tagen in seiner Parteitagsrede vermieden hatte, den Namen des amtierenden Präsidenten überhaupt auszusprechen, war das eine bemerkenswert harte und offene Attacke.

Dass das nur eine erste Salve war, die zu einer größeren Offensive gehört, wurde dann am Tag danach deutlich. In einer Rede in Pittsburgh am Montag weitete Biden den Angriff aus. Er zog nicht nur erneut eine direkte Linie zwischen dem Verhalten des Präsidenten und den Gewalttaten, die die Vereinigten Staaten in den vergangenen Tagen erschüttert haben. Sondern er machte Trump auch persönlich für die mehr als 180 000 Toten und Millionen Arbeitslosen durch die Corona-Pandemie verantwortlich. Trump erzähle den Wählern, dass er für Recht, Ordnung und Sicherheit stehe, höhnte Biden. Dann fragte er: "Fühlen Sie sich sicher in Trumps Amerika?"

Biden kann es sich nicht leisten, nur über das Virus zu reden

Ursprünglich hatte Biden vorgehabt, in der Rede nur über das Virus und die Wirtschaftlage zu sprechen. Wegen der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen linken Demonstranten und rechten Trump-Anhängern musste er seine Pläne aber ändern. In den Städten Portland, Oregon, und Kenosha, Wisconsin, waren in den vergangenen Tagen drei Menschen durch Schüsse getötet worden: Zwei "Black Lives Matter"-Demonstranten starben durch die Kugeln eines 17-jährigen Angehörigen einer rechten Bürgerwehr, ein rechter Milizionär wurde von einem Mann aus der linken Szene erschossen.

Biden gab die Schuld an diesen Todesfällen unverblümt Trump. Der Präsident wiegele seit Jahren seine Anhänger zu Gewalttaten auf, sagte er. Die Behauptung der Republikaner, er sympathisiere mit den Plünderungen und Brandstiftungen, die in den vergangenen Wochen etliche "Black Lives Matter"-Proteste begleitet hatten, sei absurd, so Biden. "Sehe ich etwa aus wie ein radikaler Sozialist, der eine Schwäche für Krawallmacher hat?"

In Wahrheit sei es Trump, der die Gewalt fördere, weil er sich davon politische Vorteile verspreche, kritisierte Biden. Der Präsident wolle den Amerikanern mit Bildern von brennenden und geplünderten Geschäften Angst machen. "Trump behauptet, diese Bilder zeigten Bidens Amerika, aber sie zeigen Trumps Amerika", sagte der Demokrat.

Trump nennt rechte Militante "großartige Patrioten"

Bidens Rede war die wohl schärfste, die er im bisherigen Wahlkampf gehalten hat. Aber seine Berater hielten es offenbar für nötig, dass der Demokrat hart zurückschlägt. Trump und sein Wahlkampfteam versuchen seit Wochen, Biden als Unterstützer von linken Gewalttätern zu brandmarken - als ein Sicherheitsrisiko für Amerika. Diese Behauptung ist zwar eine leicht widerlegbare Lüge, aber sie kann, wenn genügend Wähler sie glauben oder an Biden zu zweifeln beginnen, trotzdem negative Folgen für den Demokraten haben. Deswegen drehte Biden den Vorwurf am Montag kurzerhand um und richtete ihn auf den Präsidenten: Es sei Trump, der die Sicherheit, Gesundheit und wirtschaftliche Existenz der Bürger bedrohe, sagte er.

Falsch liegt Biden damit nicht. Bisher jedenfalls hat Trump seine Gefolgsleute nicht zur Zurückhaltung gemahnt - im Gegenteil: Am Wochenende lobte der Präsident in einem Tweet eine Gruppe Anhänger, die in einem Autokonvoi in die Innenstadt Portlands gefahren waren und so die tödliche Konfrontation dort provoziert hatten, als "großartige Patrioten". Portland ist als linke Hochburg bekannt. Am Sonntag verschickte Trump einen Tweet, in dem er sein Bedauern über den Tod des Milizionärs in Portland ausdrückte. "Rest In Peace!", schrieb er.

Am Montag wetterte der Präsident weiter gegen "Linksradikale" und "Anarchisten", denen die Demokraten nicht entgegenträten. Und er legte nahe, dass der mutmaßliche Todesschütze von Kenosha aus Notwehr gehandelt habe. "Er hat versucht, von ihnen wegzukommen und dann ist er gefallen und dann haben sie ihn sehr heftig angegriffen", sagte der Präsident. "Ich denke, er war in großer Not, er wäre wahrscheinlich getötet worden."

Aufnahmen von Handykameras zeigen allerdings nur Ausschnitte des Geschehens rund um die Bluttat. Zu sehen ist unter anderem, wie Männer versuchen, den mit einem automatischen Gewehr bewaffneten 17-Jährigen zu überwältigen - einer setzt dabei sein Skateboard ein. Dann schießt der Jugendliche wild um sich. Was vor diesen Szenen passiert ist, ist bislang unklar.

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Quelle:
SZ vom 01.09.2020
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