Süddeutsche Zeitung

Wahlkampf in Amerika:Wie die US-Wahl die Weltpolitik verändern wird

Wenn sich Obama 2017 aus dem Weißen Haus verabschiedet, dürfte der außenpolitische Ton schärfer werden - egal, wer die Wahl gewinnt.

Von Nicolas Richter, Washington

Es ist bald acht Jahre her, dass Hillary Clinton die Vorwahlen für die US-Präsidentschaft verloren hat. Damals war sie angreifbar, weil sie den Irak-Krieg von George W. Bush befürwortet hatte und dessen idealistische, neokonservative Außenpolitik, die Schurkenregime nicht bloß eindämmen, sondern beseitigen wollte. Der desaströse Verlauf des Irak-Abenteuers aber ließ die USA kriegsmüde und desillusioniert zurück, der Interventionismus Bushs und Clintons war diskreditiert; die Vor- und Hauptwahl gewann 2008 also Barack Obama, der Krieg durch Diplomatie ersetzen wollte.

In absehbarer Zeit aber könnte sich das wieder ändern: Die Zu- und Abneigung der USA zu Interventionen aller Art verläuft in Zyklen. Im November wählt das Land ein neues Staatsoberhaupt, im Januar 2017 wird Obama die Macht abgeben, die USA werden dann womöglich eine neue Richtung einschlagen - mit Folgen auch für Europa. Seit den Anschlägen in Paris und San Bernardino bestimmen Sicherheit und Terrorabwehr den Wahlkampf, und wenn es einen Konsens zwischen den meisten Kandidaten gibt, dann diesen: Obama ist die Kontrolle über den Nahen Osten entglitten, er hat die Terroristen des "Islamischen Staats" (IS) unterschätzt und die USA oft schwach aussehen lassen. Nun steht eine Neujustierung im Verhältnis der USA zum Rest der Welt bevor, neben praktischen Fragen zu Terroristenjagd, Einwanderung, Klima und Freihandel geht es auch um die große Balance zwischen Idealismus und Realpolitik, Interventionismus und Rückzug.

"Wir kamen, wir sahen, er starb", scherzte Clinton 2011 über Gaddafis Tod

Umfragen zufolge ist Clinton die Favoritin, die Nominierung der Demokraten und die Hauptwahl zu gewinnen. Clinton wäre interventionsfreudiger als Obama. Als sie Ende 2011 vom Tod des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi erfuhr, klang sie geradezu überdreht: "Wir kamen, wir sahen, er starb", scherzte sie. Clinton hatte sich als Außenministerin Obamas vehement für einen Militäreingriff in Libyen eingesetzt, den Tod des Despoten sah sie als ihren Erfolg. In der Syrien-Krise hat sie früh verlangt, die Opposition zu bewaffnen, konnte Obama aber nicht überzeugen. Heute argumentieren ihre linken Rivalen, US-Interventionen im Irak und in Libyen hätten die Region nur destabilisiert; in Syrien sei es jetzt wichtiger, die IS-Terroristen zu vertreiben, als den Diktator Baschar al-Assad zu stürzen. Clinton will beide Ziele verfolgen.

Unter den Republikanern ist das Meinungsbild nicht einheitlich. Zwar fordern fast alle Kandidaten mit teils drastischer Rhetorik eine Machtdemonstration gegenüber dem IS, Russland und China, oft lassen sie aber offen, wie sich dies konkret von der Politik Obamas unterscheiden würde.

Nicht alle Republikaner sind überdies Interventionisten: In den Umfragen führt der Geschäftsmann Donald Trump, sein Amerika wäre weniger idealistisch und risikofreudig als das von Clinton, es würde sich eher abschotten und Abenteuer scheuen. Trump hat den Irak-Krieg abgelehnt und würde sich heute in Syrien bescheidene Ziele setzen. Erst einmal müsse man dort den IS vertreiben, verlangt er; um die Zukunft Assads könne man sich später kümmern. Ähnlich hat sich Trump über die Krise in der Ukraine geäußert: Das sei Sache der Europäer, vor allem Deutschlands. Gleichzeitig kündigt Trump an, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko hochzuziehen und Muslimen generell die Einreise in die USA zu verbieten.

Ein Sieg der Republikaner würde Obamas Initiativen zum Klimaschutz gefährden

Während Trump und sein konservativer Rivale Ted Cruz also Diktaturen wie einst im Irak und Libyen hinnehmen würden, solange diese für Stabilität sorgen und Terroristen jagen, bewerben sich auch selbstbewusste Interventionisten, die diktatorische Regime beseitigen würden, um die Präsidentschaft: Der Falke Marco Rubio etwa, oder Jeb Bush, der Bruder des Irak-Kriegers George W. Bush, der sich inzwischen eher mehr als weniger zum interventionistischen Erbe seines Bruders bekennt.

Für Europa wird die US-Wahl auf jeden Fall Konsequenzen haben. Der Abschied des abwägenden Juristen Obama dürfte generell zu einem schärferen Ton aus dem Weißen Haus führen. Ungewiss sind die Aussichten für neue Freihandelsabkommen; Clinton wie Trump haben sich von Obamas pazifischem Handelsvertrag distanziert, was auch Folgen für das geplante Handelsabkommen mit der EU haben könnte.

Sollte ein Republikaner die Wahl gewinnen, dürften überdies die Initiativen Obamas zum Klimaschutz hinfällig sein, ebenso die Annäherung an alte Feinde wie Kuba und Iran. Sollte die interventionsfreudige Clinton hingegen den Sieg davontragen, dürfte sie mehr als die bisherige Regierung zu beherztem Eingreifen neigen - und von den oft so zögerlichen Europäern Gefolgschaft erwarten oder sogar verlangen. Auffällig ist, dass kein Kandidat verlangt, abermals US-Bodentruppen in den Nahen Osten zu schicken: Obamas militärischer Minimalismus immerhin hat sich durchgesetzt.

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SZ vom 02.01.2016/leja
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