Süddeutsche Zeitung

Wahlkampf:Havel-Lügen

Lesezeit: 1 min

Der Brandenburger SPD-Europakandidat Simon Vaut inszenierte sich als lokal verankerter Politiker - dabei wohnt er in Berlin-Mitte. Seine Partei fühlt sich getäuscht.

Von Jens Schneider

Die Nominierung ihres Europakandidaten Simon Vaut war eine handfeste Überraschung für die Sozialdemokraten in Brandenburg. Im vergangenen Herbst setzte er sich überraschend gegen die Favoritin des Landesvorstands durch. Vaut imponierte mit einer beachtlichen Biografie etwa als früherer Redenschreiber von Sigmar Gabriel - und mit einem leidenschaftlichen Bekenntnis zu Brandenburg, wo der gebürtige Hamburger einst in Potsdam studierte. Dabei lieferte er den Genossen eine Liebeserklärung besonders an die Stadt Brandenburg an der Havel: Für ihn sei das schönste an Berlin die Fahrt mit dem Regionalexpress nach Brandenburg, soll er gesagt haben. Auch eine Lebenspartnerin aus der Stadt stellte er den Genossen vor. Das Problem für ihn und die SPD: Die schöne Geschichte stimmte nicht.

Recherchen eines lokalen Fernsehsenders in der Stadt Brandenburg namens "SKB TV" ergaben jetzt, dass Vaut in Berlin lebt und nicht in Brandenburg an der Havel. Auch soll die von ihm als seine Partnerin präsentierte Frau tatsächlich eine Bekannte aus Berlin sein, die in der hübschen Domstadt Brandenburg an der Havel lange nicht gewesen sei. Der TV-Sender präsentierte Chatprotokolle, die diese Täuschung belegten. Die Brandenburger SPD bestätigt, dass sie getäuscht wurde. Er sei persönlich schwer enttäuscht, sagt der Landesvorsitzende, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke.

Zur Wahl steht er weiter, die Partei wirbt aber nicht für ihn

Rechtlich hat Vaut sich nichts zuschulden kommen lassen. "Es sind keine Gesetze verletzt worden", räumt die peinlich berührte SPD in einer Erklärung ein. Vaut habe gegenüber dem Parteivorstand "eine Wählbarkeitsbescheinigung unter Angabe seines korrekten Erstwohnsitzes abgegeben" - also Berlin. Die Bewerbung sei deshalb nach rechtlichen Maßstäben korrekt zustande gekommen, wenn auch die Täuschung "moralisch zu verurteilen" sei.

Die SPD muss nun erst mal mit dem Kandidaten und seinen Schwindeleien leben, er steht auf dem Wahlschein. Doch das soll auch alles sein. Die SPD werde für Vaut ab sofort keinen Wahlkampf mehr machen, erklärt sie. "Er ist aufgefordert alle Termine abzusagen." Die Partei fordert Vaut auf, das Mandat für das Europäische Parlament nicht anzunehmen, sollte er gewählt werden. Damit würde der Weg für die Ersatzkandidatin der SPD frei. Die Partei fordert Vaut auf, diesen Verzicht schriftlich zu erklären. Vaut habe ihr zugesagt, vorab eine solche Verzichtserklärung abzugeben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4383953
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.03.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.