Wahlkampf der US-Republikaner:Cain beschuldigt Perry beschuldigt Romney

Streit im Lager der Republikaner: Während eine dritte Frau den aussichtsreichen Präsidentschaftsbewerber Herman Cain sexueller Anzüglichkeiten beschuldigt, hat der den wahren Schuldigen ausgemacht. Es handle sich um seinen Rivalen Rick Perry, der eine Schmutzkampagne gegen ihn fahre. Perry gibt die Schuld an einen dritten Favoriten weiter.

Wolfgang Jaschensky

Es läuft nicht gut für Barack Obama. Die Staatsverschuldung bekommt er nicht in den Griff. Die versprochenen Steuererhöhungen für Reiche scheitern am Widerstand der Republikaner. Unter seiner Führung haben die USA erstmals das Triple-A-Rating verloren. Die Strategie in Afghanistan geht nicht auf wie erhofft. Im Nahostkonflikt kann er seine Versprechungen nicht halten. Die Zustimmungswerte für den "Yes-we-can"-Präsidenten liegen seit Monaten deutlich unter 50 Prozent.

Herman Cain Joins Congressional Health Care Caucus To Discuss Health Care System

Straucheln eines Shootingstars: Herman Cain war die Überraschung im Kandidatenfeld der Republikaner. Anschuldigungen dreier Frauen dürften ihm das politische Überleben schwermachen.

(Foto: AFP)

Die Lage wäre deprimierend, ja fast hoffnungslos für Obama - wären da nicht die Republikaner. Die tun derzeit viel, um von den Schwächen des Präsidenten abzulenken. Und die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass in ihren Reihen niemand in der Lage zu sein scheint, bei der Wahl im kommenden Jahr Obama ernsthaft herauszufordern.

Besonders schlecht läuft es derzeit für den Bewerber Herman Cain. Der aus Georgia stammende Afroamerikaner, der einst die Restaurant-Kette Godfather's Pizza vor dem Bankrott gerettet hat, war die Überraschung im bisherigen Rennen. 2004 hatte er sich vergeblich um einen Sitz im US-Senat beworben, doch statt in Washington Politik zu machen, moderierte er in Atlanta seine eigene Radio-Talkshow, "The Herman Cain Show". Experten bezweifelten lange, dass Cain eine Chance hat, doch Cain hielt sich in Umfragen bislang gut. Das könnte sich nun ändern.

Am Mittwoch beschuldigte ihn eine Frau, ihr gegenüber anzügliche Bemerkungen gemacht zu haben. Der Nachrichtenagentur AP sagte sie, Cain habe Kollegen gegenüber geäußert, wie attraktiv er sie finde, und sie nach der Arbeit in seine Wohnung eingeladen. Cain weist die Vorwürfe zurück. Es sind allerdings nicht die ersten dieser Art.

Erinnerungslücken

Die Nachrichtenseite Politico hatte am Sonntag berichtet, dass sich bereits in den neunziger Jahren zwei Frauen über anzügliche Bemerkungen und Gesten Cains beschwert hatten. Cain war damals Vorsitzender des Nationalen Gaststättenverbands. Am Ende hätten die Frauen eine Abfindung erhalten, sich zum Verlassen der Vereinigung und zum Schweigen verpflichtet.

Am Montag reagierte Cain auf den Bericht und erklärte, er sei "fälschlich beschuldigt" worden. Dem Fernsehsender Fox sagte Cain, er habe niemals jemanden sexuell belästigt. Im Hinblick auf die Abfindung berief sich Cain allerdings auf Erinnerungslücken: "Nein. Ich kann mich nicht erinnern, etwas unterzeichnet zu haben. Nur, die Tatsache, dass ich mich nicht erinnern kann, heißt nicht, dass ich nichts unterschrieben habe, ich kann mich nur einfach nicht daran erinnern, ob ich etwas unterzeichnet habe." Überzeugend klingt anders.

Cain vermutet, dass hinter den Enthüllungen eine "Schmutzkampagne" eines Rivalen steckt. Er wäre nicht der erste Präsidentschaftskandidat, der über Sünden der Vergangenheit stolpert, weil das gegnerische Lager öffentlich oder heimlich Anschuldigungen erhebt oder einen Verdacht streut.

Cain vs. Perry, Perry vs. Romney

Cain glaubt zu wissen, wer hinter den Enthüllungen steckt: Die Informationen stammten aus dem Lager seines Kontrahenten Rick Perry, sagte Cain in dem Fox-Interview. Der Gouverneur von Texas hatte in den vergangenen Wochen zur Spitze des Kandidatenfeldes der Republikaner aufgeschlossen, indem er seine Herkunft als country boy kultivierte. Perry gibt gern den geradlinigen, ehrlichen und zupackenden Burschen aus der Provinz, den Gegenentwurf zu den Washingtoner Politprofis. Gerade in dieser Position schmerzen die Vorwürfe, das dreckige Spiel derjenigen zu spielen, von denen er sich eigentlich distanzieren will.

Vielleicht erklärt das die ungewöhnliche Reaktion Perrys: Anstatt die Vorwürfe schlicht zu dementieren, ließ er über seinen Sprecher streuen, dass nicht er, sondern Mitt Romney, der dritte aussichtsreiche Kandidat im Republikaner-Feld, hinter den Enthüllungen stecken könnte. Dafür liefert der Sprecher Indizien: Cains Nachfolger als Chef des Restaurantverbandes sei ein wichtiger Spender für Romney. "Es gibt viele engere Verbindungen zwischen Cain, Romney und dem Gaststättenverband, als mit uns", so der Perry-Sprecher zu CBS News.

Staatsmann gegen Schlammwerfer

Romneys Wahlkampfteam bestreitet die Vorwürfe - wenig überraschend - ebenfalls und bekommt Unterstützung von der Washington Post. "Das Perry-Lager gesteht ein, keine Beweise dafür zu haben, dass Romney die Geschichte über Herman Cain ans Licht gebracht hat", schreibt die Reporterin Jennifer Rubin in ihrem Blog. Der Perry-Sprecher habe eingeräumt, nur Fakten zitiert zu haben, die eine Verbindung zwischen den Lagern von Cain und Romney belegten. Die Fakten, schreibt Rubin, seien allerdings lediglich ein Fakt, nämlich dass Cains Nachfolger als Chef des Gaststättenverbands ein Romney-Unterstützer sei.

Cain legte unterdessen im Forbes Magazine nach und versuchte, den Verdacht zu erhärten, Perry stecke hinter der Enthüllung. Das Bindeglied ist demnach ein Mann namens Curt Anderson, der derzeit die Kampagne von Perry berät, im Jahr 2004 bei der gescheiterten Senatskandidatur von Cain aber auf dessen Lohnzettel stand. Aus dieser Zeit, so die Vermutung, könnte Anderson sein Wissen über dessen Fehltritte haben.

Neue Anschuldigungen kommen nun außerdem von einem Mann, der ebenfalls dem Perry-Lager zuzurechnen ist. Ein gewisser Chris Wilson erzählt in Interviews, wie er Zeuge sexueller Belästigungen Cains geworden sei.

Präsident Obama kann die Debatte nur recht sein: Während sich die Republikaner zerfleischen, inszeniert er sich beim G-20-Gipfel in Cannes als Staatsmann.

Linktipp: Jon Stewart befasst sich in seiner Daily Show mit Herman Cain. Großartig! Mit Dank an Madjun.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: