Wahlerfolge der "Alternative für Deutschland":Salon-Populisten im Glück

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AfD-Chef Bernd Lucke am Montag in Berlin (Foto: Getty Images)

AfD-Chef Bernd Lucke, der brandenburgische Spitzenkandidat Alexander Gauland und sein Thüringer Kollege Björn Höcke sind im Siegestaumel. Nach den jüngsten Erfolgen präsentieren sich die "AfD-Schocker" als neue konservative Kraft - und bedienen die Ängste am dumpf-rechten Rand.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Bernd Lucke wartet noch ein wenig hinter der Fotografen-Phalanx, die gerade seine beiden Wahlsieger ablichtet. Ein Glas Saft in der einen Hand, die andere in die Hüfte gestemmt. Er lächelt. Wie ein Künstler, der seinem vollendeten Werk gegenübersteht und erkennt, dass es gut ist.

Gut ist das, was er hier in den Räumen des Hauses der Bundespressekonferenz in Berlin sieht vor allem für seine Partei, die Alternative für Deutschland. Nach Sachsen hat es die AfD am Sonntag jetzt auch in Brandenburg und Thüringen satt in die Landtage geschafft. Vorne stehen die Spitzenkandidaten Alexander Gauland aus Brandenburg und sein Thüringer Kollege Björn Höcke. Lachen und freuen sich.

Lucke stößt dazu, begrüßt Höcke mit "Herr Oppositionsführer", und umarmt den 73-jährigen Gauland, als hätte ein verlorener Sohn zu seinem Vater zurückgefunden. Hans-Olaf Henkel steht daneben, und guckt etwas schräg. "Olaf, jetzt nicht eifersüchtig werden", scherzt Lucke.

Der Pressesprecher mit den zurückgegelten Haaren, wie sie in den 20er Jahren mal modern waren, kündigt das Quartett an. Die Bild-Zeitung habe ja vom AfD-Schock geschrieben. Er sei jetzt froh "vier veritable AfD-Schocker präsentieren zu dürfen".

Die "Alt-Parteien" müssen geschockt sein

Geschockt sein dürften vor allem die von der AfD gerne als Alt-Parteien bezeichnete CDU und die Linke. Beide Parteien haben ordentlich Stimmen an die AfD verloren. In Thüringen hat die AfD 18 000 Stimmen von der CDU geholt und 16 000 von der Linken. In Brandenburg waren es 18 000 von der CDU und sogar 20 000 von der Linken. Ähnlich viel gab es von der FDP, von der Lucke nur noch in der Vergangenheitsform spricht. Deutlich weniger von der SPD und je nur etwa 1000 Stimmen von den Grünen.

Alle diese Parteien wollen mit der AfD nichts zu tun haben. Zu krude ihre Euro-Ideen, zu rechtspopulistisch ihre Akzente in den Themen innere Sicherheit und Familie. Die AfD wird geschnitten, so sieht Lucke das.

Kanzlerin Angela Merkel würde das so nicht sagen. Aber inhaltlich oder sonst wie auf die AfD zugehen, das will sie dann bitte doch nicht. Ihre Antwort auf die AfD ist schlicht: Es sei "natürlich die gute Arbeit die wir leisten müssen, besonders dort, wo wir in Regierungsverantwortung sind", sagt sie nach den Gremiensitzungen an diesem Montag in Berlin. Also bleibt der Beschluss bestehen, keine Koalitionen mit der AfD? "Es gibt keinen Zweifel an dem Beschluss."

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Lucke stört das offenbar ohnehin nicht: "Je mehr sie uns schneiden, desto besser schneiden wir ab." Sagt er und grinst.

Doch das ist nicht der einzige Grund für das gute Ergebnis. Die AfD hat sich auch sehr geschickt als Partei der anständigen Konservativen verkauft und unter diesem Deckmantel gezielt einen rechten Populismus bedient. Etwa wenn der Brandenburger Gauland die Asylfrage zum Wahlkampfthema macht, obwohl gerade in Brandenburg kaum Asylanten ankommen und auch kaum Ausländer in dem Land leben. Was er selbst auch gar nicht bestreitet.

Die AfD will auch irrationale Ängste ernst nehmen

Er hält sich aber zugute, die Ängste vieler Menschen ernst zu nehmen - und seien sie noch so irrational. "Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass es den Menschen Angst macht, was an Aufnahmebereitschaft von ihnen verlangt wird." Dabei wird in Brandenburg ja kaum etwas verlangt. Angeblich aber belaste die Bürger, "dass unsere Parteien nicht mehr aussprechen, was ist". Stattdessen würden die Probleme mit "bestimmten Begriffen wie Willkommenskultur" zugedeckt.

Gauland sieht sich natürlich nicht als Rechtpopulist, das würde er weit, weit von sich weisen. Er stellt ja nur Fragen: "Wer kommt ins Land und wer begeht welche kriminellen Handlungen?" Das wollten die Menschen wissen. Und dann heiße es, das können nicht so detailliert aufgeschlüsselt werden, weil "das verstößt gegen die Menschenrechte".

Das sei genauso mit der Inklusion, also dem Ziel, dass behinderte und nicht behinderte Kinder in Schulen gemeinsam unterrichtet werden. Die Probleme, die es da gebe, könnten doch "nicht mit irgendeiner UN-Menschenrechtskonvention wegwischt" werden, findet Gauland. Die Leute seien es leid, dass sie das Gefühl hätten, "mir soll der Mund verboten werden".

Solche Sachen sagt Gauland. Aber er ist natürlich eigentlich für Asyl, versichert er. Und Menschen, die darauf ein Anrecht hätten, dürften auch nicht zurückgeschickt werden. Um das zu hören, bedarf es aber einiger Nachfragen. Von Menschen hat im Zusammenhang mit Asyl übrigens auf dem Podium von alleine niemand gesprochen. Höchstens von "diesen Personen", wie Hans-Olaf Henkel sagt, der wie Lucke seit mehr als 20 Jahren Mitglied bei Amnesty International ist. Gauland spricht von der "Menge" an Zuwanderung. Als gehe es um Kaffeesäcke oder Autoreifen.

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Die AfD bedient Ressentiments, die in der Gesellschaft vorhanden sind. Selbst die CDU und manchmal die CSU versuchen für Mitgefühl und der Notwendigkeit zu helfen zu werben. Den dumpf-rechten Rand der Gesellschaft erreichen sie damit nicht. Das schafft jetzt die AfD. Weshalb sie fast allen Parteien einen mehr oder weniger großen Anteil an Wählern abspenstig machen kann. Die AfD sieht sich schon als "kleine Volkspartei", wie Lucke sagt. Auf dem Weg zu einer "mittelgroßen Volkspartei".

Dass vor allem Protestwähler zur AfD überliefen, sieht er nicht so. Nur ein Viertel seiner Wähler könnten dieser Gruppe zugerechnet werden, sagt Lucke. Alle anderen würden die Partei wegen ihrer Inhalte wählen. Wobei die Frage ist, welche Inhalte er da meint. Die in Thüringen, die in Brandenburg, die in Sachsen oder doch die bundesweiten? In der Frage Ukraine-Krise etwa hat Lucke eine dezidiert andere Auffassung als Gauland. Der hält die Sanktionen gegen Russland für falsch. Lucke für richtig.

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Der Thüringer Höcke wiederum sieht sich als Retter der Demokratie. Er habe im Wahlkampf eine "unheimlich tief sitzende Politikverdrossenheit" beobachtet, die sich in eine "Ablehnung der Demokratie als Herrschaftsform" steigere. Die AfD werde wahrgenommen als Partei, die an der "Verlebendigung der als Staat empfundenen Parteiendemokratie" arbeite. Für die "Verlebendigung der Demokratie" habe die AfD auch schon etwas getan: 13 Prozent ihrer Wähler stammten aus dem Nichtwählerlager.

Was heißt das jetzt in der Praxis? Höcke kennt die Antwort: "Der erste Antrag wird die Einführung eines demografischen Faktors sein." Konkret: Die AfD will den Antrag stellen, den Landtag zu verkleinern. Was das mit "Verlebendigung der Demokratie" zu tun hat, wird wohl sein Geheimnis bleiben.

Wofür die AfD steht, ist schwer zu sagen

Eines muss Höcke dann "noch loswerden". Was da kürzlich in der ARD-Sendung Monitor zur AfD gelaufen sei, das "kann man nur als zwangsgebührenfinanzierte Volksverdummung" bezeichnen. Punkt. Was genau er da meint, sagt er nicht.

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Noch haben die anderen Parteien keine Antwort darauf, wie mit so viel Beliebigkeit umgegangen werden kann. Die NPD vermittelte wenigstens ein klares Feindbild. Wofür oder wogegen die AfD aber eigentlich ist, ist schwer zu sagen - von der Euro-Frage mal abgesehen.

Der konservative "Berliner Kreis" in der CDU fordert jetzt mal wieder, die CDU müsse sich auf ihre konservativen Werte besinnen. Wenn das bedeuten soll, dass die Partei wieder anfangen soll, Vorurteile gegen Ausländer zu schüren und längst überkommene Familienbilder hochzuhalten, dann dürften sie damit in der Partei auf Granit stoßen. Viel gefährlicher als eine Partei rechts neben der Union dürfte für die CDU sein, die Mitte zu verlieren. Und die ist längst ganz woanders.

Merkels bestes Argument sind übrigens die jüngsten Wahlergebnisse. Kaum verloren oder leicht hinzugewonnen. Stärkste Kraft in Thüringen und Sachsen. Und zur zweitstärksten Kraft in Brandenburg aufgestiegen. Die Wahlergebnisse könnten jedenfalls "nicht als Ermunterung verstanden werden", auf die AfD zuzugehen, sagt Merkel.

Ein Problem ist die AfD für die Union nur deshalb, weil einige in der CDU in ihr eine Alternative zu Koalitionen mit SPD und Grünen sehen. Bisher aber haben solche Koalitionen der CDU mehr genützt als geschadet.

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