Wahlerfolg der rechtsextremen Front National:Ernste Warnung für Frankreich

FN-Vorsitzende Marine Le Pen

FN-Chefin Marine Le Pen zählt zu den beliebtesten Politikern im Land.

(Foto: AFP)

Die Sozialisten in der Krise, die Konservativen zerstritten - das beschert dem französischen Front National massiven Zulauf. Für viele Unzufriedene sind die Rechtsextremen längst "eine Partei wie jede andere".

Von Christian Wernicke, Paris

Der klare Sieg des rechtsextremen Front National (FN) bei einer lokalen Nachwahl hat Frankreichs regierende Sozialisten alarmiert. Das Ergebnis sei "eine ernste Warnung an die Linke", räumte Parteichef Harlem Désir am Montag ein. Das Votum aus der südfranzösischen Provinz passt zum nationalen Trend: Laut Umfragen ist nur noch etwa ein Viertel der Bevölkerung mit der Politik von Präsident François Hollande und Premierminister Jean-Marc Ayrault einverstanden. Weil zugleich die bürgerliche Oppositionspartei UMP zerstritten ist, wenden sich viele Wähler nach rechts: Die FN-Vorsitzende Marine Le Pen bemüht sich seit 2011, ihrer Partei ein gemäßigteres Image zu verleihen. Diese Strategie der "Entdiabolisierung" scheint zu greifen: Demoskopen verheißen dem FN bei den landesweiten Kommunalwahlen im März und bei den Europawahlen im Mai 2014 massive Zugewinne.

Der Erfolg des Front National beim ersten Wahlgang im 60 Kilometer östlich von Marseille gelegenen Landkreis Brignoles kam nicht völlig überraschend: Die Gegend gilt als Hochburg der Rechtsextremen, schon bei zwei (später jeweils annullierten) Urnengängen 2011 und 2012 hatte ein FN-Kandidat sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit seinem kommunistischen Widersacher geliefert.

Dennoch verblüffte diesmal das Ausmaß des rechten Triumphs: Der FN-Aktivist Laurent Lopez errang 40 Prozent aller Stimmen, ein konkurrierender Rechtspopulist ergatterte obendrein weitere neun Prozent. Hingegen kam der Anwärter der Kommunisten - trotz Unterstützung durch die lokalen Sozialisten (PS) - auf nicht einmal 15 Prozent. Dazu trug bei, dass die Grünen eine eigene Kandidatin ins Rennen geschickt und so die Links-Liste geschwächt hatten. PS-Chef Désir rief Frankreichs Linke auf, sich in allen Städten nunmehr auf gemeinsame Kandidaten zu einigen.

Ein Zeichen von "verlorener Hoffnung in die Politik"

Bei der Stichwahl am kommenden Sonntag in Brignoles dürfte sich der FN-Kandidat Lopez durchsetzen. Die zweitplatzierte UMP-Kandidatin kam nur auf 20 Prozent der Stimmen. Politiker aller linken Parteien riefen zwar am Montag dazu auf, gegen den Front National und für die "republikanische Front" aller Demokraten zu votieren. Doch viele Anhänger von Sozialisten und UMP scheinen demotiviert: Schon am vergangenen Sonntag hatte nur jeder Dritte der 19.000 Wahlberechtigten im Landkreis seine Stimme abgegeben.

Der führende UMP-Politiker Bruno Le Maire deutete diese Wahl-Verweigerung als Zeichen von "verlorener Hoffnung in die Politik". Zugleich kritisierte er den Führungsstreit in seiner Partei. Im September hatte der ehemalige Premierminister François Fillon mit dem Tabu-Bruch für Aufsehen gesorgt, notfalls bei einer Stichwahl ohne UMP-Beteiligung auch für den Front National stimmen zu wollen. Später relativierte Fillon zwar seine Aussage. Aber er scheint entschlossen, im Kampf um die Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2017 auch gegen Nicolas Sarkozy, das frühere Staatsoberhaupt, antreten zu wollen.

Der Zank im konservativen Lager sowie die Enttäuschung über die regierenden Sozialisten stärkt seit Monaten den Zulauf zum Front National. In einer jüngsten Umfrage gaben 54 Prozent der Wähler an, der FN sei für sie "eine Partei wie jede andere".

Marine Le Pen zählt zu den beliebtesten Politikern

FN-Chefin Marine Le Pen, die vor drei Jahren ihren Vater Jean-Marie Le Pen an der Spitze der Partei beerbte, zählt mittlerweile zu den beliebtesten Politikern im Land. Laut einem Polit-Barometer des Figaro vom Wochenende wünschen 33 Prozent aller Franzosen, dass die FN-Gründer-Tochter künftig "eine wichtige Rolle" in der Politik spielen möge. Damit lag sie auf Platz drei der Beliebtheitsskala - ausgestochen nur vom populären Innenminister Manuel Valls, dem Rechtsaußen der sozialistischen Regierung (43 Prozent), und nur knapp hinter Ex-Präsident Nicolas Sarkozy (35 Prozent).

Die Stärke der 45-jährigen Rechtsextremen sei vor allem die Schwäche ihrer Konkurrenten, meint Bruno Jeanbart, Direktor des Meinungsforschungsinstituts Pôle Opinion: "Der Fortschritt von Marine le Pen ist mehr die Konsequenz des Niedergangs anderer als ein wirklicher Anstieg ihrer Popularität." So sagen noch immer 59 Prozent aller Franzosen, sie wollten die Aufsteigerin in keiner führenden politische Rolle sehen.

Gelungen ist Marine Le Pen der Zuwachs an potenziellen Wählern durch eine Strategie der Mäßigung: Parteifunktionäre, die sich offen rassistisch oder antisemitisch geäußert hatten, wurden kaltgestellt. Ausländerfeindliche Ressentiments verpackt sie in die Formel, bei Sozialleistungen "eine nationale Priorität" wahren zu wollen - diese also Kindern von Eltern ohne französischen Pass zu verweigern. Lobpreisungen der "Größe Frankreichs" koppelt Le Pen mit Kritik an den etablierten Politikern und "den System-Parteien" UMP und PS, die die Nation mit ihrer Misswirtschaft ruinierten. Um die "nationale Souveränität" zurück zu erlangen, solle Frankreich den Euro aufgeben und sich den Vorgaben der EU-Kommission widersetzen. Anders als ihr Vater, der oft einen marktliberalen Kurs vertrat, wirbt Marine Le Pen mit sozialpopulistischen Forderungen: Sie kritisiert den Sparkurs der sozialistischen Regierung und forderte die Verstaatlichung notleidender Betriebe.

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