Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt:Verzicht auf die große Bühne

Die Ministerpräsidenten Armin Laschet und Reiner Haseloff bei einem Wahlkampftermin im Dessauer Bauhausmuseum

Die Ministerpräsidenten Armin Laschet und Reiner Haseloff bei einem Wahlkampftermin im Dessauer Bauhausmuseum.

(Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Die Coronazahlen sinken, doch die Parteien in Sachsen-Anhalt setzen weiter auf einen Wahlkampf, der allzu große Ansammlungen meidet - mit einer Ausnahme.

Von Christoph Koopmann, Berlin

Die Kandidatin saß natürlich nicht in ihrem echten Wohnzimmer, aber es sollte wenigstens so aussehen, nach einem Rest von Bürgernähe. Als Malu Dreyer vor zweieinhalb Monaten für die SPD das Ministerpräsidentinnenamt in Rheinand-Pfalz verteidigen wollte - was ihr schlussendlich auch gelang, war sie meist aufs Digitale beschränkt. Auf ihren Wohnzimmerstream. Die Gründe sind bekannt, aber als Mitte März im Südwesten gewählt wurde, da sah die Corona-Lage noch wesentlich schlechter aus als jetzt.

Sonntag in einer Woche steht die nächste Landtagswahl an, diesmal in Sachsen-Anhalt. Pünktlich dazu kehrt im Superwahljahr 2021 langsam etwas Wahlkampfnormalität zurück: so richtig vor Menschen, nicht nur vor Kameras und Bildschirmen.

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) ist, auch das ein Fortschritt, zumindest wieder unterwegs in dem Bundesland, das er gern weiter regieren würde. Am Freitag etwa in Dessau-Roßlau mit Parteichef und Promi-Wahlkampfhelfer Armin Laschet, begleitet nur von einem Pressetross. Samstag wollen sich die beiden einen See und ein Krankenhaus anschauen, ebenfalls nur mit wenigen ausgewählten Gästen.

Kundgebungen werde Haseloff nicht abhalten, teilt die Staatskanzlei in Magdeburg mit. Bei größeren Ansammlungen sei man sehr sensibel, heißt es beim CDU-Landesverband. Lieber keine Bilder von zu vielen Menschen mit zu wenig Abstand. In der kommenden Woche bekommt Haseloff noch Besuch von CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und Friedrich Merz, auch das in persona und nicht bloß digital, wie noch vor ein paar Tagen mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.

Friedrich Merz, der Liebling des konservativeren Teils der CDU, könnte seiner Partei in Sachsen-Anhalt speziell gegen den wohl größten Konkurrenten am Wahlsonntag helfen: die AfD. Die ist angesichts der gesunkenen Inzidenzen schon wieder voll im Vor-Corona-Wahlkampfmodus. Am Samstagnachmittag beispielsweise kommt Björn Höcke zu einer Kundgebung nach Merseburg. Solche Bühnenveranstaltungen sind die gesamte Woche über geplant, inklusive großer Abschlusskundgebung am Freitagabend auf dem Domplatz in Magdeburg. Alle Veranstaltungen finden unter freiem Himmel statt, Teilnehmern gibt die AfD 1,5 Meter Abstand und Maske als einzige Voraussetzungen an.

Für die demokratische Willensbildung "unverzichtbar"

Das ist in Sachsen-Anhalt auch ausdrücklich erlaubt. In die jüngste Corona-Eindämmungsverordnung hat die Landesregierung vor einer Woche extra einen Passus aufgenommen, der Wahlkampfveranstaltungen unter Wahrung der eingeübten Abstands- und Hygieneregeln erlaubt - ohne Teilnehmerbegrenzung. Das Sozialministerium teilt auf Anfrage mit: "Wahlkampfveranstaltungen sind als Teil der demokratischen Willensbildung des Volkes zu gewährleisten." Für die Parteien seien sie "unverzichtbar".

Trotzdem verzichten die anderen Parteien zumindest auf die ganz große Bühne. Die SPD hält es ähnlich wie die CDU: Die Parteiprominenz kommt zwar aus Berlin, um Spitzenkandidatin Katja Pähle zu unterstützen, aber Massenaufläufe wird es nicht geben. Übers Wochenende touren Kanzlerkandidat Olaf Scholz und der Co-Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans vor allem über Verbandsveranstaltungen und durch allerlei Einrichtungen mit ausgewähltem Publikum in getesteten und FFP2-maskierten Kleingruppen. Ganz öffentlichen Wahlkampf gebe es erst am Donnerstag mit Scholz, sagt ein Sprecher der Landes-SPD, auch das aber nur für ein paar Dutzend Interessierte. "Wir haben bis vor Kurzem noch alle Kraft in die Organisation eines digitalen Wahlkampfs gesteckt", sagt der Sprecher, "aber wir sind froh, dass es nicht allein dabei bleibt". Auch wenn es noch nicht ist wie früher.

Die Grünen halten es ähnlich: Für eine Veranstaltung mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock am Freitagabend im Innenhof der Festung Mark in Magdeburg hat die Partei 100 Plätze vergeben, nach Anmeldung und nur mit negativem Test, plus 50 Genesene oder vollständig Geimpfte. Die Kapazität sei auch ausgeschöpft, sagt ein Sprecher des Grünen-Landesverbands. Am Samstag tritt Co-Parteichef Robert Habeck auf, vormittags in Wittenberg, nachmittags in Dessau-Roßlau. Auch dabei ist das Platzangebot nicht unendlich, auch hier kommen ihm nur negativ Getestete, Geimpfte und Genesene auf ein paar Meter nahe.

Die Linke hält eine Woche vor der Wahl wieder echte Bürgersprechstunden ab sowie Kundgebungen. Massen erwarte man da aber sowieso nicht, sagt ein Sprecher, das bleibe wahrscheinlich alles überschaubar. Selbst wenn die Berliner Fraktionschefs Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch vorbeikommen. Die Wählerinnen und Wähler müssen sich wohl erst mal wieder daran gewöhnen, dass wieder Wahlkampf ist, und zwar lebensecht.

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