Wahlen - Mainz:Kleine Parteien sehen Gefährdung durch Unterschriftensammeln

Berlin
Abgeordnete nehmen unter Einhaltung eines Mindestabstands an einer Plenarsitzung des Landtages in einer Halle teil. Foto: Arne Dedert/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Mainz (dpa/lrs) - Parteien, die weder im Bundes- noch im Landtag vertreten sind, müssen für ihre Zulassung zur bevorstehenden rheinland-pfälzischen Landtagswahl insgesamt 2080 sogenannte Unterstützerunterschriften einreichen. Damit soll die Partei oder Wählervereinigung laut Landeswahlrecht glaubhaft machen, dass sie mit einer gewissen Wählerschaft rechnen kann. Doch das Sammeln der Unterschriften stellt in Zeiten von Corona die kleineren Mitspieler im politischen Wettbewerb vor schwierige Herausforderungen. Die Freien Wähler und die Piraten kritisieren diese Praxis.

"Es ist in der Tat schwieriger geworden, die Unterstützungsunterschriften zu sammeln", erklärte der Landesgeschäftsführer der Freien Wähler, Detlef Müller-Greis, der Deutschen Presse-Agentur. "Zum einen trifft man coronabedingt erheblich weniger Menschen in den Innenstädten an, zum anderen meiden die meisten Leute den engen Kontakt, der für die Leistung der Unterschrift nur schwer zu vermeiden ist."

Der sprunghafte Anstieg der Corona-Infektionszahlen in den vergangenen Wochen mache deutlich, dass eine "klare Gefährdung" bestehe, sagte Müller-Greis. "Das ist natürlich auch allen bewusst, die derzeit für uns Unterschriften sammeln. Man muss auch Verständnis haben für jeden, der angesichts dieser Situation keine Unterschriften im öffentlichen Raum sammeln möchte."

Die Piratenpartei hatte Anfang Oktober die Pflicht zur Sammlung der Unterstützerunterschriften als "staatlich angeordnete Gesundheitsgefährdung" scharf kritisiert. Die Partei habe seit April vergeblich versucht, der Landesregierung klar zu machen, dass "der persönliche Kontakt zu Zehntausenden Personen in Zeiten von Corona nicht sinnvoll ist".

Nicht nur durch die Einhaltung der Abstandsregeln werde das Sammeln von Unterschriften erschwert, sondern auch durch das Fehlen größerer Veranstaltungen. Das Sammeln in Fußgängerzonen sei zudem erschwert, weil Menschen sich nicht auf längere Diskussionen einlassen wollten. "Einige Menschen tun sogar ihren Unmut gegen die Sammler durch bewusstes Anhusten kund", berichtete die Landesvorsitzende Marie Salm. Gerade ältere Mitglieder seien nur bedingt bereit, "stundenlang auf der Straße Menschen anzusprechen."

Die Forderung der Piraten, auf die erforderliche Unterstützungsunterschriften für Wahlvorschläge zu verzichten, wurde im Petitionsausschuss des Landtags Ende August mit Verweis auf vom Innenministerium vorgebrachte juristische Einwände zunächst einmal zurückgestellt. Die Situation solle aber weiter beobachtet werden, um bei einer veränderten Lage durch die Corona-Pandemie eine "etwaige Anpassung des Landeswahlgesetzes" zu prüfen, wie es in einem von der Partei veröffentlichen Schreiben des Ausschusses heißt.

Die Landesregierung betont, dass sie "fortlaufend und mit Sorgfalt" die Entwicklung des Infektionsgeschehens beobachte. "Das gilt auch für mögliche Auswirkungen auf die Landtagswahl", teilte das Innenministerium der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit.

"Unter Einhaltung der vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen können auch weiterhin Unterstützungsunterschriften für die Landtagswahl gesammelt werden", erklärte das Ministerium weiter. Die aktuellen Beschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens schlössen die Sammlung von Unterstützungsunterschriften nicht aus.

Für den Landeswahlleiter ist das Sammeln von Unterstützungsunterschriften gesetzlich klar geregelt. "Diese Bedingung ist weiterhin geltendes Recht und muss eingehalten werden", sagte Marcel Hürter, der auch Präsident des Statistischen Landesamtes ist, der dpa. Beschwerden seien ihm nicht bekannt. Die Einreichungsfrist für die Vorschläge ende erst am 29. Dezember 2020, daher seien bislang noch keine Unterschriften eingegangen.

Parteien wie die Piraten und Freien Wähler bitten auch auf ihren Auftritten im Internet um die Unterstützung in Form ausgefüllter Formulare. Die Freien Wähler machen auch über Facebook auf diese Möglichkeit aufmerksam. "Die Resonanz hier ist aber äußerst gering, da ja die Unterschriften auch noch verifiziert werden müssen", erklärte Müller-Greis. Die zuständigen Ämter müssten die Wahlberechtigung des Unterzeichnenden ja noch bestätigen. Für die Landesliste hätten die Freien Wähler derzeit etwa ein Drittel der vorgeschriebenen Zahl von Unterschriften beisammen.

Für die Freien Wähler sei es nicht nachzuvollziehen, warum eine Partei, die in Bayern in der Regierungsverantwortung sei, in mehreren Landesparlamenten sitze und zum dritten Mal in Folge in Rheinland-Pfalz antrete, erneut Unterschriften sammeln müsse, sagte der Landesgeschäftsführer. Eine entsprechende Anfrage bei Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), angesichts der Situation durch Corona eine andere Regelung zu treffen, sei negativ beantwortet worden, da man keinen Handlungsbedarf sehe.

Die Piraten schätzen die Zahl der bislang gesammelten Unterschriften aktuell "im unteren dreistelligen Bereich" ein. Die Lage werde mit Blick auf den Winter und die vielerorts fehlenden Weihnachtsmärkte nicht besser. "Das Sammeln der Unterstützerunterschriften sehen wir als überholt an. In der heutigen digitalen Zeit sind die Preisgabe von Adresse, Geburtsdatum und Unterschrift nicht mehr zu empfehlen", sagte Salm. "Wir verstehen dass es zur "Ernsthaftigkeit einer Wahlbeteiligung" gehört, Menschen auf seiner Seite zu haben. Aber warum wir dies für jede Wahl erneut machen müssen, ist dringend zu hinterfragen." Würde die Pandemie wie eine vorgezogene Neuwahl behandelt, würde das die Zahl der Unterschriften auf ein Viertel der jetzt geforderten Stimmen herabsetzen.

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