Wahlen:Iran-Wahl: Sieger verschiebt Auftritt - Kritik aus Israel

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Der gewählte iranische Präsident Ebrahim Raeissi gilt als erzkonservativ und deutlich weniger moderat als sein Vorgänger. Foto: Ahmad Halabisaz/XinHua/dpa (Foto: dpa)

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Teheran/Tel Aviv (dpa) - Die Wahl des erzkonservativen Klerikers Ebrahim Raeissi zum neuen iranischen Präsidenten ist in Israel auf scharfe Kritik gestoßen.

Israels Ministerpräsident Naftali Bennett bezeichnete die Wahl am Sonntag als "Signal an die Großmächte, vielleicht das letzte Signal vor der Rückkehr zum Atomabkommen". Diese müssten verstehen, mit wem sie es nun zu tun hätten "und welche Art von Regime sie stärken wollen". Bennett sagte bei der ersten regulären Sitzung seines Kabinetts in Jerusalem: "Von allen Leuten, die Chamenei (Irans oberster Führer) hätte wählen können (...) wurde "der Henker von Teheran" gewählt." Dieser sei wegen seiner Rolle bei der Hinrichtung von Regimegegnern für den Tod von Tausenden Iranern verantwortlich. "Was uns allen klar ist: Ein Regime von Henkern darf keine Massenvernichtungswaffen besitzen."

Israels Außenminister Jair Lapid schrieb am Samstagabend bei Twitter: "Seine (Raeissis) Wahl sollte eine neue Entschlossenheit wecken, sofort das iranische Atomprogramm zu stoppen und (Teherans) zerstörerischen regionalen Bestrebungen ein Ende zu setzen."

Geringe Beteiligung der Iraner

Raeissi wird Nachfolger von Hassan Ruhani, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr zur Wahl antreten durfte. Der Spitzenkandidat der Hardliner und Wunschpräsident der politischen Eliten erhielt laut Innenministerium bei der Wahl am Freitag mehr als 60 Prozent der Stimmen. Die geringe Wahlbeteiligung unter den mehr als 59 Millionen Stimmberechtigten von 48,9 Prozent wird von Beobachtern als Wahlboykott und Warnsignal an die politische Führung ausgelegt.

Israel und der Iran sind Erzfeinde. Beobachter erwarten unter Raeissi einen radikaleren Kurs in der Nahostpolitik, im Verhältnis zu Israel einen gar noch feindseligeren als bislang. Auch die Unterstützung für anti-israelische Milizen sowie Syriens Machthaber Baschar al-Assad wird er demnach voraussichtlich noch konsequenter fortsetzen.

Der 60 Jahre alte Raeissi wollte sich ursprünglich am Sonntag auf einer Pressekonferenz zu Wort melden und dort erstmals nach seinem Wahlsieg den politischen Kurs des Landes für die nächsten vier Jahre erläutern. Allerdings wurde die Veranstaltung verschoben, sie soll nach Angaben der für ausländische Medien zuständigen Presseabteilung im Kultusministerium am Montag abgehalten werden.

Wie geht es mit dem Atomabkommen weiter?

Die Europäische Union drängte nach der Wahl auf weitere Gespräche über das Atomabkommen JCPOA. "Die EU ist bereit, mit der neuen Regierung Irans zusammenzuarbeiten", erklärte eine Sprecherin des Außenbeauftragten Josep Borrell am Samstagabend in Brüssel. "Bis dahin ist es wichtig, dass intensive diplomatische Bemühungen fortgesetzt werden, um das JCPOA wieder aufs richtige Gleis zu bringen."

Gespräche über das Iran-Atomabkommen wurden am Sonntag in Wien fortgesetzt. Ziel ist, sowohl die USA als auch den Iran dazu zu bringen, das Abkommen von 2015 wieder einzuhalten. Aus Kreisen europäischer Diplomaten hieß es am Abend, die schwierigsten Themen müssten nach wie vor gelöst werden. Die Delegationen würden nun zu Konsultationen in ihre Hauptstädte reisen. "Wir fordern alle Seiten auf, bei Rückkehr nach Wien die Bereitschaft zum Abschluss einer Vereinbarung mitzubringen."

Ohne Verhandlungen mit den USA, die von Raeissi in den vergangenen Jahren stets kritisiert wurden, werden die Sanktionen voraussichtlich nicht aufgehoben - und dementsprechend wäre auch kein Ende der Wirtschaftskrise realisierbar.

Kritik am Wahlprozedere

Russlands Staatschef Wladimir Putin gratulierte Raeissi, der mit US-Sanktionen belegt ist, am Samstag zum Wahlsieg. Die Beziehungen zwischen Russland und Iran seien traditionell freundschaftlich, hieß es in einer Mitteilung des Kreml.

Raeissi war vor vier Jahren noch an Ruhani gescheitert, dieses Mal stellte sich sein Weg ins Präsidialamt wesentlich leichter dar. Dafür sorgte auch der sogenannte Wächterrat, der als Wahlgremium ernsthafte Konkurrenten vor dem Urnengang aussortierte. "Das Ergebnis der Präsidentenwahl stand schon fest, bevor die Wahlurnen überhaupt geöffnet wurden", erklärte der außenpolitische Koordinator der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament, Reinhard Bütikofer.

© dpa-infocom, dpa:210620-99-66237/8

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