Wahlen in Thailand:Leichtes Spiel für Yingluck

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Die meisten Thais werden wählen wie ihre Ministerpräsidentin Yingluck - nämlich für deren Partei Pheu Thai. (Foto: REUTERS)

Wie die Thailänder bei der Abstimmung am Sonntag entscheiden, ist klar: Die Mehrheit steht zu Premierministerin Yingluck. Was aber nicht heißt, dass sie auch den Kampf um die Macht gewinnt.

Von Arne Perras, Bangkok

Das Motorrad rollt die engen Gassen zwischen den Hütten entlang, es duftet nach gebratenem Huhn und Fisch, die in den kleinen Garküchen am Straßenrand über dem Feuer brutzeln. Links, rechts und zweimal wieder links führt der schmale Weg durchs Labyrinth: Dann ist das Tor eines buddhistischen Tempels erreicht. Lampen tauchen das Innere in goldenes Licht. Trauernde sitzen still auf den Bänken, rechts haben vier Mönche Platz genommen, in safranfarbenes Tuch gehüllt. Sie werden nun gleich beten für die verstorbene Frau, deren Foto vorne zwischen den Blumen steht. Kinder entzünden Räucherstäbchen, die süßen Duft in der Halle verbreiten.

Eine abendliche Beerdigungszeremonie im Tempel Wat Khlong Toei Nai. Still und feierlich. Von der politischen Krise, die Thailand aufwühlt, ist in diesen Momenten nichts zu spüren. Ist das die Ruhe vor dem großen Sturm? Die Tote ist kein Opfer der jüngsten Zusammenstöße, sie ist in Frieden gestorben, und um sie zu ehren, ist auch Russamee Phimnisai gekommen, Anführerin der Rothemden in Khet Klongtoei, einem Armenviertel von Bangkok.

Von der Gruppe der Rothemden wird an diesem Sonntag viel abhängen. Sie stützen die Regierung der belagerten Premierministerin Yingluck Shinawatra, die am Sonntag zur Wahl aufruft. Mehr als zwei Drittel der 69 Millionen Thais sind stimmberechtigt. Die größte Oppositionspartei aber boykottiert die Abstimmung und die Anführer der Straßenproteste wollen Yingluck stürzen. Gelingt es den Demonstranten, die Wahllokale in der Stadt zu blockieren, könnten viele Bürger ihre Stimme nicht abgeben. Nun aber mobilisieren auch die regierungsfreundlichen Rothemden ihre Kräfte, um Wahllokale zu schützen.

Frau Phimnisai sagt: "Unsere Anhänger werden da sein und wählen, wir sind bereit." Und wenn sie gar nicht durchkommen? "Wir wollen keine Gewalt, wir werden versuchen zu reden und zu verhandeln." Viele aber zweifeln, dass dies in der Stimmung, die sich über Wochen in Bangkok erhitzt hat, gelingen wird. Angst geht um vor einem großen Showdown zwischen Gegnern und Anhängern der Regierung in Bangkok.

Man spürt das bei den Gesprächen auf der Straße und man kann es ablesen an den Truppenverschiebungen im Land. Die Armee hält bereits 5000 Mann in Bangkok in Bereitschaft, sie sollen jetzt noch Verstärkung erhalten. "Es gibt Leute, die Gewalt anzetteln wollen", erklärt ein Sprecher der Armee. Doch die Soldaten sollen sich erst einmal im Hintergrund halten, zunächst ist es Aufgabe von mehr als 10 000 Polizisten, Ruhe und Ordnung zu bewahren.

An einem rechnerischen Sieg der Premierministerin, die diese Neuwahlen ausgerufen hat, zweifelt kaum einer. Die politische Arithmetik in Thailand ist leicht zu überschauen: Stets ist es in den vergangenen Jahren dem Lager Yinglucks gelungen, eine Mehrheit der Stimmen zu bekommen, weil die ärmeren Schichten im Norden und Nordosten hinter ihr stehen.

"Was haben denn frühere Regierungen für die armen Leute getan?", fragt Phimnisai und gibt gleich selbst die Antwort. "Nichts, was in Erinnerung geblieben wäre." Yinglucks Kabinett aber lobt sie für eine verbesserte Gesundheitsversorgung, Mindestlöhne und andere Hilfen für die unteren Schichten. "Ich höre das überall unter den Leuten in meinem Viertel," sagt sie. Es sind Kleinhändler, Tagelöhner, Straßenverkäufer. Zu Vermutungen, dass die regierungsfreundlichen Rothemden in Bangkok Waffen horten, um sich für alle Fälle zu wappnen, will sie nichts sagen. "Darum geht es nicht, über Waffen sollte man gar nicht reden", sagt sie. "Wir wollen, dass unsere Feinde zu Freunden werden, wir wollen ein einiges Thailand."

Im Norden allerdings wurde unter Rothemden bereits die Drohung laut, man könne im Falle eines Militärputsches auch ohne Bangkok leben. In diesen rhetorischen Salven leuchtet die Gefahr einer Sezession auf, auch wenn das Gespenst noch in weiter Ferne zu liegen scheint.

Da die größte Oppositionspartei nun gar nicht antritt bei der Wahl, dürfte Yingluck an der Urne ein leichtes Spiel haben. Was umgekehrt aber nicht heißt, dass sie den Kampf um die Macht gewinnt. Das wirkt paradox und ist nur durch die tiefe Spaltung Thailands zu erklären, die es so schwer macht, die Krise zu überwinden. Alte königsnahe Eliten kämpfen gegen das Lager von Yingluck Shinawatra.

Der Protestbewegung ist es gelungen, die Registrierung von Kandidaten fürs Parlament in 28 Wahlkreisen zu verhindern. Um eine Regierung bilden zu können, müssen aber mindestens 475 von 500 Sitzen vergeben sein. Dieses Quorum wird Yingluck nach dem Stand der Dinge verfehlen.

Und es ist alles andere als sicher, ob sie die fehlenden Sitze in vorgeschriebenen Nachwahlen auffüllen kann. Außerdem führt die Blockade dazu, dass Stimmzettel womöglich nicht überall rechtzeitig ausgeliefert werden können. "Diese Wahl ist schon jetzt sehr anfechtbar", sagt Marc Saxer, Direktor der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bangkok. Diese Probleme erhöhen das Risiko für Yingluck, dass die von der Junta im Jahr 2007 installierte Wahlkommission ein Ergebnis für ungültig erklärt. Querlegen könnte sich auch noch das Verfassungsgericht. In beiden Institutionen dominieren Kräfte, die dem Lager der Regierungsgegner nahestehen, und so wird auch über einen möglichen "Justizputsch" gegen Yingluck spekuliert.

"Anfangs glich dieser Machtkampf noch einem Schachspiel, bei dem Zug um Zug sorgfältig geplant wurde", sagt Saxer. "Aber nun wird die Lage zunehmend instabil." Zu beobachten war zuletzt, dass die Protestbewegung nicht mehr so viele Leute auf die Straße bringen konnte. Sie wird getragen von den alten köngisnahen Eliten und frustrierten Teilen der städtischen Mittelschicht. Doch manche, die anfangs mit der Bewegung sympathisierten, sind sich nicht mehr so sicher. Das Geschäftsleben in Bangkok leidet und das Risiko gewaltsamer Auseinandersetzungen schreckt ab. Außerdem wollen sich viele nicht ihr Recht nehmen lassen zu wählen.

An den Wahllokalen ist damit zu rechnen, dass Rothemden auf Demonstranten stoßen. 5000 Wahlstationen gibt es alleine in Bangkok, 90 000 im ganzen Land. Sie alle durch Sicherheitskräfte zu schützen, dürfte kaum gelingen.

© SZ vom 01.02.2014/ter - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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