Der Wahlkampf beider Kandidaten reduziert sich im Wesentlichen auf die China-Politik. Für die DPP ist Ma als Vertreter der Kuomintang (KMT) per se suspekt. Die KMT ist aus jener Kamarilla hervorgegangen, die nach der Niederlage der Nationalisten im chinesischen Bürgerkrieg 1949 nach Taiwan geflohen ist. Sie war lange ein straff organisierter, rechtsreaktionärer Machtapparat. Bis 1987 regierte sie die Insel unter Kriegsrecht wie eine Kolonie. Ihr erklärtes Ziel war es, ganz China zurückzuerobern. Erst in den neunziger Jahren begann die Kuomintang, Taiwan zu demokratisieren. Inzwischen hat sie sich von ihrer alten Ideologie verabschiedet. Viele ihre Politiker gelten jedoch als schwache Redner.
Die Oppositionspartei DPP ist aus dem Widerstand gegen diese KMT hervorgegangen. Ihre erste Generation waren ehemalige Dissidenten, von denen viele lange im Gefängnis saßen. Heute wird die DPP zusammengehalten vom Misstrauen gegen die KMT und vom Fernziel der Unabhängigkeit Taiwans.
DPP-Politiker sind gute Agitatoren, das haben sie auf der Straße gelernt. Sie reagieren schnell und mit Phantasie. Im Herbst hatten drei kleine Kinder, Drillinge, der Partei ihre Sparschweinchen gestiftet. Dafür wurde die DPP von der Wahlaufsicht gerügt: Das verstoße gegen das Wahlgesetz. Zur Antwort startete die DPP eine legale Spendenkampagne und verteilte Plastikschweinchen. In 143 000 Sparschweinchen hat sie mehr als sechs Millionen Euro Spenden erhalten.
Im westlichen Sinne sind beide, die KMT und die DPP, konservative Parteien. Wie Ma wirkt auch seine 55-jährige Herausforderin Tsai gescheit, aber professoral. Beide haben an derselben Uni studiert. Der gut aussehende Ma hat vor vier Jahren viele Stimmen von Frauen erhalten. Mit Tsai, die in der DPP "alle entwaffnet" habe, wie ein Insider erzählt, versucht die Partei die Stimmen der Frauen von der KMT zurückzuholen. Überhaupt setzt die DPP auf Frauen, viele ihrer Bürgermeister sind weiblich.
Zuletzt hat sich der 89-jährige Ex-Präsident Lee Teng Hui, der Vater der Demokratie Taiwans, aus dem Krankenhaus gemeldet. Er unterstütze Tsai - gegen seine eigene Kuomintang. Tsai habe die "weiblichen Eigenschaften", die es für Politik im 21. Jahrhundert brauche: Kompetenz, Durchhaltevermögen, Kommunikationsfähigkeit. Das Lager von Ma reagierte genervt: Lee solle sich lieber ausruhen.