Wahlen in Serbien:Mit Nationalismus werben nur noch Pausenclowns

Die Ära des primitiven Nationalismus ist vorbei: Elf Jahre nach dem Sturz von Slobodan Milosevic geben sich Serbiens Politiker vor der Wahl am Sonntag als Europafreunde. EU-tauglich ist das Land aber noch lange nicht.

Enver Robelli

Die schlechten Nachrichten aus Westeuropa haben auch den Balkan erreicht: Die EU hatte den Ländern der Region vor knapp zehn Jahren eine Beitrittsperspektive versprochen. Und nun müssen Politiker und Bürger enttäuscht mitansehen, dass die Wirtschaftskrise die Chancen auf eine schnelle Integration schwinden lässt. Trotzdem entfaltet die EU weiterhin große Anziehungskraft.

Serbia's presidential candidate Boris Tadic pre-election rally in

Für die bisher regierende Demokratska Stranka (Demokratische Partei) von Präsident Boris Tadic besteht kein Zweifel, dass die Zukunft Serbiens in der EU liegt.

(Foto: dpa)

Das zeigt sich in diesen Tagen in Serbien. Das Land wird am Sonntag ein neues Parlament, einen neuen Präsidenten und neue Lokalbehörden wählen. Mit nationalistischen Parolen jedoch werben nur ein paar Pausenclowns, die meisten Politiker kämpfen mit proeuropäischen Agenden um die Gunst der Wähler.

Erstmals seit dem Sturz des Regimes von Slobodan Milosevic vor mehr als elf Jahren befürwortet sogar die größte Oppositionspartei eine Annäherung an die EU. Auch die Fortschrittspartei des ehemaligen Ultranationalisten Tomislav Nikolic hat erkannt, dass mit primitivem Patriotismus keine Wahl zu gewinnen ist. Für die bisher regierenden Demokraten von Präsident Boris Tadic, der für eine weitere Amtszeit kandidiert, besteht ohnehin kein Zweifel - die Zukunft Serbiens liege in der EU, betonen sie landauf, landab.

Am Wochenende wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet, mit leichten Vorteilen für Tadics Partei, die bei der Regierungsbildung auf die Unterstützung der Sozialisten rechnet. Eine Ironie der Geschichte: Die einstigen Parteifreunde von Milosevic waren in den vergangenen vier Jahren Teil der Regierungskoalition und haben sich brav und bieder für die EU-Integration eingesetzt. Die EU als sanfte Macht kann also noch viel bewirken in ihrem balkanischen Hinterhof.

Serbien braucht die EU, nicht Russland

Serbien ist auf die EU angewiesen. Gelegentliche Drohungen aus Belgrad, man werde eine Allianz mit Russland bilden, wenn Europa Serbien nicht schnell aufnehme, sind ein Bluff. Das Land wird derzeit von der schwersten Wirtschaftskrise seit den jugoslawischen Zerfallskriegen in den neunziger Jahren heimgesucht. Die Arbeitslosigkeit beträgt 24 Prozent, etwa die Hälfte der Wirtschaftsleistung stammt aus der Schattenökonomie. Die Regierung braucht ausländisches Kapital, um die marode Wirtschaft konkurrenzfähig zu machen. Und die größte Kapitalquelle ist die EU, nicht Russland.

Die proeuropäische Rhetorik serbischer Parteien sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Belgrad von der EU-Tauglichkeit noch weit entfernt ist. Viele Wirtschaftszweige werden immer noch von Oligarchen kontrolliert, die Korruption grassiert.

Problematisch ist auch die Rolle Serbiens in der Region. Staatschef Tadic betont zwar immer wieder, Serbien stelle die Einheit Bosniens nicht in Frage. Tatsächlich aber betrachtet Belgrad die bosnisch-serbische Teilrepublik als unabhängigen Staat und untergräbt so die Entwicklung des Nachbarlandes. Gleichzeitig propagiert Tadic als kurzfristiges Ziel die Teilung Kosovos. Dahinter steht das Kalkül, dass die Zerstückelung Kosovos die Neuziehung anderer Grenzen ermöglichen könnte - auch in Bosnien.

Die EU hat diese gefährliche Politik ignoriert, im März erhielt Serbien sogar den Kandidatenstatus, obwohl im Umgang mit Kosovo keine Kompromisse gemacht wurden. Gefangen in dem Machtspiel ist die Nato-Friedenstruppe Kfor, die seit Monaten in Nordkosovo von serbischen Nationalisten und Schmugglern in ihrer Bewegungsfreiheit behindert wird. Dort wollen die Serben am Wochenende ebenfalls Lokalwahlen organisieren, die jedoch illegal wären. Aus Angst vor einer Eskalation schickte die Bundeswehr vorige Woche zusätzliche Truppen nach Kosovo, die Bundesregierung verlängerte den deutschen Einsatz dort um ein Jahr.

Doch allein mit Soldaten lässt sich der Kosovo-Konflikt nicht lösen. Nötig ist politischer Druck auf Belgrad - unabhängig davon, ob dort Demokraten oder angeblich geläuterte Nationalisten regieren.

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