Wahlen in Italien:Gefallene Hochburg

Der Ausgang der Regionalwahlen ist für Italiens Premier Matteo Renzi ein Dämpfer: Er verliert die linke Hochburg Ligurien.

Von Oliver Meiler, Rom

Ein Premierminister vor der Playstation, mit offenem Hemdkragen, konzentriert aufs Spiel: Wo sieht man das schon? Und welcher Premier lässt sich dabei fotografieren? Als sich die italienische Wahlnacht in die Länge zog und Exit Polls die Talkgäste in mitternächtlichen Fernsehsendungen zu voreiligen Kommentaren animierten, da saßen Matteo Renzi und der Präsident seines Partito Democratico, Matteo Orfini, im Hauptquartier der Partei in Rom und spielten auf der Konsole FC Barcelona gegen Real Madrid, später AC Florenz gegen AC Mailand - wie zwei Studenten in einer Wohngemeinschaft. Renzis Kommunikationschef twitterte die Fotos samt Spielresultaten. Selten wirkte Lässigkeit demonstrativer, sogar eine Spur aufgesetzt.

Renzi hat die sonntäglichen Wahlen in sieben Regionen des Landes klar gewonnen, 5:2. Doch er hat sie nicht so klar gewonnen, wie er sich das gewünscht hätte. Erträumt war ein 6:1, ein Triumph über alle: über die parteiinternen Kritiker, über die Skeptiker seiner Reformagenda, über die alte und die neue Opposition.

In der Toskana, den Marken, in Umbrien und Apulien waren ihm die Siege sicher, überall dort regieren die Sozialdemokraten ziemlich konkurrenzlos. Und vom Veneto wusste er, dass es der Lega Nord und ihrem parteiunüblich gemäßigten Gouverneur Luca Zaia verfallen war. Die Spannung reduzierte sich also auf den Wahlausgang im süditalienischen Kampanien, der Region rund um Neapel, und jenen in Ligurien, der Küstenregion um Genua. Der Linken gelang es, Kampanien von der Rechten zurückzugewinnen, obschon ihr Spitzenkandidat Vincenzo De Luca, Bürgermeister von Salerno, von dubiosen Listen unterstützt worden ist und für viele Diskussionen gesorgt hatte.

Fotos vor der Playstation sollten die Enttäuschung über die erste Niederlage Renzis überspielen

Dafür verlor Renzi Ligurien, eine Hochburg der Linken. Ligurien galt als politisches Labor, die Wahl als Schlüsselmoment, das auch eine nationale Deutung erlauben würde. Die Linke trat uneins an. Gegen Renzis Spitzenkandidatin Raffaella Paita präsentierte sich auch ein Vertreter der Frondeure der Partei, Luca Pastorino. Und dessen neun Prozent trugen maßgeblich dazu bei, dass Paita, die es nur auf knapp 28 Prozent der Stimmen brachte, die Wahl verlor. Gewählt wurde stattdessen Giovanni Toti, der politische Berater von Silvio Berlusconi, der von allen Parteien des rechten Spektrums getragen wurde.

Die Fotos vor der Playstation sollten wohl die Enttäuschung über die erste wahre Niederlage Renzis in seiner Zeit als Partei- und Regierungschef überspielen. Verhärtet sich jetzt seine Haltung gegenüber der unliebsamen Dissidenz? Er wirft ihr vor, dass sie ihn aus persönlichen Gründen blockiere und so die Partei ins Verderben treibe. Oder geht Renzi auf die Parteilinke zu, macht ihr Konzessionen bei einigen Reformen, etwa beim Umbau des Senats, um die zerrissene Familie wieder zu versöhnen? Würde er seinem gewohnten Impetus folgen, bliebe Renzi hart. Doch nun zeigte sich zum ersten Mal, dass ihm die kritische Minderheit in der Partei schaden kann, auch numerisch.

Berlusconi erhält Konkurrenz: "Die Zeit der Mumien ist vorüber", sagt Lega-Nord-Chef Salvini

Vom Bruderkampf profitiert ausgerechnet Berlusconi, dem in Ligurien ein unverhoffter, wenn auch äußerst relativer Erfolg gelingt: Noch einmal profilierte sich der frühere Premier als Brückenbauer der Rechten. Nur: Toti gewann die Wahl nicht vornehmlich dank der Stimmen von Berlusconis Forza Italia, die es in Ligurien nur auf 13 Prozent brachte, sondern vor allem dank der 20 Prozent der rechtspopulistischen Lega Nord von Matteo Salvini. Mittlerweile hat die Lega Forza Italia fast überall im Land überholt. Berlusconi erwächst erstmals in seiner politischen Karriere eine starke Konkurrenz von rechts. Und Salvini dürfte sich in Zukunft kaum damit begnügen, nur den Wahlhelfer zu geben: Sein Ziel ist es, den tief gefallenen, 78-jährigen Berlusconi als Leader der italienischen Rechten abzulösen. Nach der Wahl sagte Salvini: "Die Zeit der Mumien ist vorüber." Zum Lager der Sieger zählt sich auch Beppe Grillo, der Erfinder und Chefideologe des Movimento 5 Stelle. Die Protestpartei schafft ein beachtliches Comeback. Nach der Europawahl 2014 hatte es noch den Anschein gemacht, als ziehe Renzi einen schönen Teil von Grillos eher progressiv orientierter Wählerschaft zu sich, als könne er selbst Leute mit einem Anti-System-Reflex überzeugen. Mit 41 Prozent der Stimmen übertraf der PD damals alle Erwartungen. Grillos Formation brach ein. Seither treten ihre Exponenten aber öfters im Fernsehen auf und schärfen so ihre Bekanntheit. Grillo selber, ein streitbarer Redner, gibt sich hingegen reservierter, und auch das scheint der Partei gut zu bekommen. Sie hat sich erholt und festigt ihre Position als zweitstärkste Kraft im Land.

Renzi übrigens, der für gewöhnlich äußerst mitteilungsbedürftig ist, mochte den Wahlausgang zunächst nicht kommentieren, nicht einmal mit einem Tweet. Und flog nach Afghanistan, um mit den dort stationierten italienischen Soldaten den Nationaltag, den 2. Juni, zu feiern. Fernab von Spielereien.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: