Wahlen in Israel:In Abneigung vereint

Israelischer Finanzminister Netanjahu tritt zurück wegen Gaza-Abzug, 2005

Zu viel intrigiert? Für Benjamin Netanjahu könnte es schwierig werden, einen Koalitionspartner zu finden.

(Foto: AFP)
  • Israels Premierminister Benjamin Netanjahu könnte Schwierigkeiten bekommen, nach den Parlamentswahlen einen Koalitionspartner zu finden.
  • Eigentlich weisen Umfragen auf eine stabile Mehrheit für das von Netanjahu favorisierte rechts-religiöse Bündnis hin. Doch ein Koalitionspartner wendet sich vom Premierminister ab. Netanjahu hat viele Weggefährten verprellt.
  • Seine Gegner beginnen sich über ideologische und parteipolitische Grenzen hinweg zu formieren.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Der Kampf um die Wählerstimmen hat begonnen, und eigentlich müsste sich Israels Premierminister Benjamin Netanjahu, genannt "Bibi", keine allzu großen Sorgen machen: Alle Umfragen zur vorgezogenen Parlamentswahl am 17. März weisen eine stabile Mehrheit für ein von ihm favorisiertes rechts-religiöses Bündnis aus. Doch die Nervosität in seinem Likud-Lager steigt trotzdem täglich, weil sich gerade eine gefährliche Stimmung aufbaut: "Alles, nur nicht Bibi", so schallt es durchs Land, und im Lager der Gegner sammeln sich viele, die noch eine Rechnung offen haben mit dem Premierminister. Jenseits der Ideologien könnte so in Israels zersplitterter Parteienlandschaft am Ende eine Koalition entstehen, die vor allem die Abneigung gegen den ewig tricksenden Amtsinhaber zusammenschweißt.

Als Initialzündung dafür darf das neue Bündnis zwischen der Arbeitspartei von Isaac Herzog und der sogenannten Bewegung der Ex-Justizministerin Tzipi Livni gelten. Bei der vorigen Wahl im Januar 2013 waren noch alle Bemühungen zur Bildung eines Mitte-links-Blocks am Ego der jeweiligen Parteiführer gescheitert. Livni ließ sich schließlich von Netanjahu in die Regierung locken. Nun aber will sie mit Herzog gemeinsam zur Wahl antreten. Beide wollen im Fall eines Sieges im Premiersamt rotieren. Vereint sind sie in den Umfragen bereits stärker als Netanjahu allein. Dem ist zu allem Überfluss auch noch der bisherige Partner abhandengekommen.

Außenminister Avigdor Lieberman, der mit seiner Partei 2009 noch eine Listenverbindung mit dem Likud eingegangen war, will dieses Mal nicht nur getrennt von Netanjahu marschieren. Er hat am Wochenende sogar angekündigt, dass er sich nach der Wahl auch eine Koalition mit Herzog und Livni vorstellen könne. Am Ende dürfte die Partnerwahl für ihn eine Frage des Preises beziehungsweise des Postens sein.

Politisch gäbe es genug mögliche Partner

Als Reaktion auf das Mitte-links-Bündnis und Liebermans Alleingang müsste sich Netanjahu also schleunigst nach einem neuen Kompagnon umschauen. Politisch gäbe es genug mögliche Partner, die auf seiner Wellenlänge lägen. Das Problem allerdings ist, dass er es sich in seiner langen Karriere mit fast allen verscherzt hat. Ganz aktuell gilt das für Jair Lapid, den Chef der Zukunftspartei.

Nachdem Netanjahu ihn gerade äußerst rüde aus dem Amt des Finanzministers gekegelt hat, wird er sich kaum wieder in ein neues Bündnis einbinden lassen. Eine andere naheliegende Option wäre der in den Umfragen steil aufsteigende Ex-Minister Mosche Kachlon mit seiner neu gegründeten Partei Kulanu, was übersetzt "Wir alle" heißt. Der Haken? Kachlon war einst vor Netanjahu aus der Regierung und dem Likud geflüchtet. Natürlich gibt es im rechten Spektrum auch noch Wirtschaftsminister Naftali Bennett mit seiner Siedlerpartei. Doch natürlich hat auch er eine unheilvolle Geschichte mit Netanjahu. Einst diente er ihm als Bürochef. Die Verbindung aber endete in einem so heftigen Streit, dass jenseits aller ideologischen Nähe bis heute offene Feindschaft herrscht zwischen den beiden.

Und die Religiösen? Unkompliziert ist auch das nicht. Früher galten die Ultra-Orthodoxen als Netanjahus natürliche Partner. Er finanzierte ihre Klientelpolitik, sie ließen ihn im Gegenzug gewähren. Aber sie haben es ihm übel genommen, dass er sie nach der letzten Wahl ausgebootet und dem Säkularen Lapid den Hof gemacht hat. Auf eine Koalitionszusage wollte sich der schillernde Schas-Vorsitzende Aryeh Deri deshalb jetzt nicht mehr einlassen.

Weil am Ende voraussichtlich keine der Parteien mehr als 20 Prozent der Sitze erringen wird, dürfte es komplizierte und langwierige Koalitionsverhandlungen geben. Vieles wird von Präsident Reuven Rivlin abhängen, der den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen muss. Rivlin kommt aus dem Likud. Doch ein gutes Omen für Netanjahu ist auch das nicht. Vor der Präsidentenwahl hatte der Regierungschef alles getan, um die Kandidatur seines Parteifreunds zu untergraben. Womöglich könnte auch für Präsident Rivlin die Zeit der Rache nahen.

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