Wahlen in Venezuela:Orbán gibt der EU eine gemeinsame Stimme

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Nach den USA, Argentinien und anderen lateinamerikanischen Staaten hat er nun auch die ganze EU gegen sich: Venezuelas Linkspopulist Nicolás Maduro. (Foto: Pedro Rances Mattey/AFP)

Auch Ungarn macht plötzlich mit: Die Europäische Union erkennt den angeblichen Wahlsieg des Machthabers Maduro nicht an. Internationale Experten sollen die Wahl in Venezuela überprüfen.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Nach einem einwöchigen Ringen vertritt die Europäische Union nun doch eine gemeinsame Haltung zu den offensichtlich manipulierten Wahlen in Venezuela. Bislang hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell lediglich im eigenen Namen die Regierung in Caracas zu mehr Transparenz ermahnen können – am Sonntagabend veröffentlichte Borrells Sprecher plötzlich ein Statement im Namen der 27 Mitgliedsländer: Die EU erkennt den Wahlsieg von Machthaber Nicolás Maduro gegen den Oppositionskandidaten Edmundo González Urrutia nicht an, solange die Wahlunterlagen nicht vollständig offengelegt werden. Mit deren Überprüfung solle, so heißt es in der Erklärung, ein unabhängiges Gremium internationaler Experten beauftragt werden.

Vergangene Woche war eine gemeinsame Position der EU am Widerstand der ungarischen Regierung gescheitert. Warum am Sonntag bei einem neuerlichen Verständigungsversuch aus Budapest sofort Zustimmung signalisiert wurde, konnte sich niemand so recht erklären. Möglicherweise wollte sich Regierungschef Viktor Orbán diesen einen Konflikt mit dem Rest der EU ersparen. Am Sonntagnachmittag waren jedenfalls noch sieben europäische Staaten auf eigene Faust an die Öffentlichkeit gegangen mit der Forderung, Maduro müsse umgehend die Wählerverzeichnisse offenlegen lassen. Vorbereitet worden war diese Initiative dem Vernehmen nach von Italien und Frankreich, Deutschland, die Niederlande, Polen, Portugal und Spanien schlossen sich an.

Ende August könnte es auch um neue Strafmaßnahmen gegen Venezuela gehen

Auf Wunsch der spanischen Regierung sollen die Vorgänge in Venezuela auch Ende August beim Treffen der Außenministerinnen und Außenminister der EU Thema sein. Es findet nicht, wie ursprünglich geplant, in Budapest statt, obwohl die ungarische Regierung derzeit die rotierende Ratspräsidentschaft in der EU innehat. Der Außenbeauftragte Borrell will mit der Verlegung nach Brüssel Viktor Orbán bestrafen, der immer wieder die nötigen einstimmigen Beschlüsse in außenpolitischen Fragen blockiert und vor allem die Ukraine-Politik der 26 anderen Regierungen unterläuft.

Bei dem Treffen in Brüssel könnte es auch um neue Strafmaßnahmen gegen Venezuela gehen. Die EU hat schon 2017 wegen des Verfalls von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten Sanktionen gegen Venezuela verhängt. Seither dürfen keine Waffen und keine Ausrüstung, die zur Niederschlagung von Demonstrationen verwendet werden können, nach Venezuela geliefert werden. Außerdem wurden 54 Amtsträger mit Strafen belegt. Sie dürfen nicht mehr einreisen, ihre Vermögenswerte werden eingefroren.

Die Europäische Union geht mit ihrer Erklärung vom Sonntag nicht so weit wie die USA und ein halbes Dutzend lateinamerikanischer Staaten, voran Argentinien, die den Oppositionskandidaten formell als Sieger anerkennen. Allerdings enthält die Erklärung auch den Hinweis: Glaubwürdige Kopien von Wahlunterlagen, die von der Opposition veröffentlicht worden seien, würden auf einen klaren Sieg von González Urrutia hindeuten. Je länger die Regierung in Venezuela die Aufklärung verzögere, desto weniger glaubwürdig sei ein Sieg Maduros.

„Wir werden die Straßen nicht mehr verlassen“, sagt die Oppositionsführerin

Den offiziellen Zahlen zufolge hatte Maduro 51,2 Prozent der Stimmen erhalten, sein Hauptrivale 44,2 Prozent, die restlichen Kandidaten kamen demnach auf 4,6 Prozent. Die Opposition beharrt jedoch darauf, González Urrutia habe wohl zwei Drittel der Stimmen bekommen. Sie ruft immer wieder zu landesweiten Protestkundgebungen auf. Die Polizei soll dabei Tausende Menschen verhaftet haben, mehr als zwanzig sollen getötet worden sein. Die EU äußert deshalb ihre Besorgnis über eine wachsende Zahl „willkürlicher Festnahmen“ und die anhaltenden Schikanen gegen die Opposition.

Die venezolanische Oppositionsführerin María Corina Machado dankte den Europäern am Sonntag für ihren „Einsatz für die Demokratie“. Die Mitte-Rechts-Politikerin war von den Machthabern nicht zur Wahl zugelassen worden und hatte deshalb die Kandidatur von González Urrutia unterstützt. Aus Angst vor Repressalien versteckte sie sich nach der Wahl für einige Tage. Am Wochenende führte sie aber die großen Protestkundgebungen an. „Wir werden die Straßen nicht mehr verlassen“, sagte sie.

Nicolás Maduro selbst warnte am Wochenende bei einem Auftritt vor Tausenden von Anhängern, er werde es der Opposition nicht erlauben, „erneut die Präsidentschaft zu usurpieren“. Er spielte damit auf seine bereits umstrittenen Wiederwahl im Jahr 2019 an. Angeführt von US-Präsident Donald Trump hatte ein Teil der internationalen Gemeinschaft, darunter auch mehrere europäische Staaten inklusive Deutschland, den Oppositionspolitiker Juan Guaidó als Interimspräsidenten anerkannt. Die Initiative scheiterte jedoch, Guaidó konnte sich im Machtkampf gegen Maduro nicht durchsetzen.

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