Die Bundesversammlung hat den früheren Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum neuen Bundespräsidenten gewählt. 931 Wahlleute stimmten gleich im ersten Wahlgang für den früheren Bundesaußenminister. Die erforderliche absolute Mehrheit lag bei 631 Stimmen.
In einer Rede nach der Wahl rief der designierte Bundespräsident die Deutschen zu mehr Mut auf. "Wir leben in stürmischen Zeiten", sagte Steinmeier. Die Welt scheine aus den Fugen geraten zu sein. Oft fragte man sich, was eigentlich der Kitt sei, der die Gesellschaft zusammenhalte.
Steinmeier verwies auf eine junge tunesische Aktivistin, die einmal über Deutschland gesagt habe, das Land mache ihr Mut. Und darauf aufbauend fragte er, ob es nicht eigentlich wunderbar sei, dass "unser schwieriges Vaterland" für viele Menschen in der Welt ein "Anker der Hoffnung" geworden sei.
"Wir machen anderen Mut, nicht weil alles gut ist in unserem Land, sondern weil wir gezeigt haben, dass es besser werden kann", sagte Steinmeier im Hinblick auf das Dritte Reich und die Entwicklung der Bundesrepublik danach. Deutschland zeige, dass "nach Zeiten der Raserei etwas einkehren kann wie politische Vernunft".
Wenn das Fundament der Demokratie anderswo wackele, müsse Deutschland umso fester darauf stehen. Es ginge darum, Demokratie nicht als Schwäche zu empfinden und Realität nicht zu leugnen, sondern sie verbessern zu wollen. "Freiheit und Demokratie in einem vereinten Europa. Dieses Fundament, das müssen wir miteinander verteidigen", sagte Steinmeier. "Lasst uns mutig sein, dann jedenfalls ist mir um die Zukunft nicht bange."
Als Favorit in die Wahl gegangen
Der 61 Jahre alte SPD-Politiker war als gemeinsamer Kandidat seiner Partei und der CDU/CSU in die Wahl gegangen. Außerdem wurde er von der FDP unterstützt und konnte auch mit Stimmen der Grünen rechnen. Steinmeier war somit klarer Favorit. Oppositionsparteien hatten vier Gegenkandidaten ins Rennen geschickt.
Sie schnitten teilweise besser ab, als erwartet worden war. So erhielt Armutsforscher Christoph Butterwegge mit 128 Stimmen deutlich mehr als die 93 aus dem Lager der Linken, die ihn nominiert hatten. AfD-Kandidat Albrecht Glaser erhielt der ARD zufolge sieben Stimmen mehr als die Partei selbst hatte. Und auch TV-Richter und Freie-Wähler-Kandidat Alexander Hold holte demnach 15 Stimmen mehr als erwartet. Auf Engelbert Sonneborn, den die Piratenpartei ins Rennen geschickt hatte, entfielen zehn Stimmen.
Sowohl CSU als auch FDP hatten im Vorfeld der Wahl betont, dass ihre Unterstützung für Steinmeier unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit zu sehen sei. "Wir wählen Frank-Walter Steinmeier als Person, nicht als Sozialdemokraten", sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. "Zu den Anforderungen des Amtes gehört, Bundespräsident aller Deutschen zu sein. Daran wird er sich messen lassen müssen."
FDP-Chef Christian Lindner sagte im TV-Sender Phoenix, die Wahl Steinmeiers sei "kein Signal für den Wahlkampf". "Wir unterstützen ihn als Signal für die Einheit des Staates und als Symbol für die politische Kultur unseres Landes." Steinmeier sei eine "respektable Persönlichkeit", fügte Lindner hinzu.
Steinmeier wird sein Amt am 18. März antreten. Der amtierende Bundespräsident Joachim Gauck hatte nach fünf Jahren nicht für eine weitere Amtszeit kandidiert.
Lammert wendet sich gegen Abschottung und Geschichtsvergessenheit
Zum Auftakt der 16. Bundesversammlung hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die besonderen Herausforderungen betont, denen sich der neue Bundespräsident gegenüber sehe. "Den demokratischen Grundkonsens zu formulieren, ist schwieriger geworden", sagte er. Doch gerade in Zeiten, in denen das Trennende gegenüber dem Einenden betont werde, und das Besondere gegenüber dem Allgemeinen, werde die Bedeutung des Bundespräsidenten im Verfassungsgefüge deutlich.
Lammert formulierte ein klares Plädoyer gegen Abschottung und für ein geeintes, starkes Europa. Außerdem wandte er sich gegen Geschichtsvergessenheit in Deutschland.