Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus:Wowereit und die Angst vor den Kleinen

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Wowi siegt - da sind sich alle sicher. Doch mit welcher Partei regiert seine SPD nach der Wahl? Sollte es die FDP mit ihrem neuen Europa-Kurs sowie die in Umfragen überraschend starke Piratenpartei tatsächlich ins Parlament schaffen, könnte es zu einer komplizierten Konstellation kommen. Um diese Situation zu vermeiden, hofft Wowereit auf eine hohe Wahlbeteiligung - doch die zeichnet sich nicht ab.

Der große Favorit gab seine Stimme im Kulturzentrum "Spirale" in Wilmersdorf ab. Gemeinsam mit seinem Lebenspartner kam Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), warf den Zettel in die Urne und forderte die Menschen noch einmal zur Stimmabgabe auf: "Die Leute sollen wählen gehen, damit die Kleinen nicht so viel Macht bekommen."

Klaus Wowereit, Berlins Regierender Bürgermeister und Umfragen zufolge auch der große Favorit bei der aktuellen Wahl, gibt seine Stimme ab. (Foto: REUTERS)

Das mit der Macht der Kleinen, das ist in der Tat die entscheidende Frage für diese Berliner Wahl. Niemand bezweifelt, dass Wowereits Sozialdemokraten im neuen Abgeordnetenhaus erneut die stärkste Fraktion bilden werden. Doch es ist fraglich, mit wem sie dann regieren können. Im Wahlkampf hatten sie auf eine Koalitionsaussage verzichtet: "Aus dem Wahlergebnis ergeben sich Konstellationen", sagte Wowereit am Sonntagmorgen noch einmal.

Eine Fortsetzung der Koalition mit der Partei Die Linke ist wahrscheinlich nicht möglich, weil die Umfragewerte für den derzeitigen kleinen Koalitionspartner zu schlecht sind. Eine Koalition der SPD mit der CDU ist keine Wunschkonstellation. Bleibt Rot-Grün - ein Modell, für das selbst die grüne Spitzenkandidatin Renate Künast zuletzt warb, und zwar sogar in exakt dieser farblichen Reihenfolge.

Nach den letzten Umfragen hätten diese beiden Parteien auch eine Mehrheit. Doch zwei große Unklarheiten begleiten den Urnengang. Da ist zum einen die Rolle der Piratenpartei. Die "Internet-Rebellen", wie sie einmal genannt wurden, sind längst keine reinen Internet-Rebellen mehr, sondern sprechen ein breiteres Spektrum in der Bevölkerung an. Die Demoskopen sind sich noch uneins in der Einschätzung, je nach Umfrage erhielten die Piraten zuletzt zwischen vier und neun Prozent.

Und da ist zum anderen die FDP. Die kriselnden Liberalen sahen in einem europaskeptischen Kurs offenbar die letzte Chance, um noch einmal das Wahlvolk zu erreichen - und es könnte durchaus sein, dass diese Masche verfängt. Denn seit FDP-Chef Philipp Rösler die Insolvenz Griechenlands ins Spiel brachte und in den Tagen danach trotz der massiven Kritik von Kanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) standhaft blieb, verbesserten sich die Werte für seine Partei in Umfragen. Zuletzt lag sie, auf Bundesebene wohlgemerkt, erstmals seit langem wieder bei fünf Prozent.

Sollten sowohl die FDP als auch die Piraten ins Abgeordnetenhaus einziehen, könnte es für die Option Rot-Grün, aber auch für die Option Rot-Schwarz in der Tat eng werden. Und deswegen richtete Wowereit auch noch einmal seinen Last-Minute-Appell an die potentiellen sozialdemokratischen Wähler. Jedoch zeichnet sich eine geringe Wahlbeteiligung ab. Bis 12 Uhr hatten nach Angaben der Landeswahlleiterin 19,1 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben. Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2006 waren es zu diesem Zeitpunkt 22,3 Prozent der knapp 2,5 Millionen Wahlberechtigten; am Ende wählten vor vier Jahren 58 Prozent der Wahlberechtigten.

Bis 18 Uhr sind die 1736 Wahllokale in 78 Wahlkreisen in der Hauptstadt geöffnet. Rund 2,47 Millionen Wahlberechtigte sind dazu aufgerufen, über die mindestens 130 Sitze im Landesparlament zu entscheiden. Etwa 450 000 Bürger haben sich bereits per Briefwahl an der Wahl beteiligt.

2006 landete die SPD mit 30,8 Prozent deutlich vor der CDU, die auf 21,3 Prozent kam. Die Linke erhielt 13,4 Prozent, die Grünen lagen mit 13,1 Prozent knapp dahinter auf dem vierten Platz. Die FDP erreichte 7,8 Prozent. Durch Überhang- und Ausgleichsmandate gibt es derzeit 149 Abgeordnete im Berliner Landesparlament.

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