Wahl-Thesentest zur Europawahl:Sind die USA oder Russland wichtiger?

Russlands Präsident Putin macht sich mit seinem Vorgehen in der Ukraine wenig Freunde - finden die meisten deutschen Europa-Politiker. Nur eine Partei weicht ab. Mehr als 200 Kandidaten für die Europawahl haben sich im Wahl-Thesentest der SZ zur europäischen Außen- und Sicherheitspolitik erklärt. Die Auswertung.

Von Kathrin Haimerl

Gleichzeitig zur Europawahl in Deutschland sollen die Ukrainer über ihre Zukunft abstimmen. Die Ukraine-Krise dominiert die Nachrichten und beschäftigt unsere Leser wie kaum ein anderes Thema. Gut möglich also, dass die Außenpolitik bei dieser Europawahl eine wichtige Rolle spielt. Muss die EU die Ukraine näher an sich binden? Welcher Partner ist wichtiger: Russland oder die USA? Und kann man das überhaupt eindeutig beantworten?

Mehr als 200 Abgeordnete und Kandidaten für die Europawahl haben am Wahl-Thesentest von Süddeutsche.de teilgenommen. Sie hatten - wie unsere Leser - die Möglichkeit, zu den von uns formulierten Thesen auf einer Skala von 0 ("Ich stimme absolut nicht zu") bis 100 ("Ich stimme absolut zu") Stellung zu beziehen. Die Zwischenstufen "Ich stimme eher nicht zu", "Ich bin unentschieden" und "Ich stimme eher zu" wurden zur Berechnung durch die Werte 25, 50 und 75 ersetzt. Anschließend berechneten wir für jede Partei den Durchschnitt, das arithmetische Mittel. Je höher dieser Mittelwert, desto größer die Zustimmung der Abgeordneten einer Partei zu einer bestimmten These. Hier die Ergebnisse zu den Fragen aus dem Bereich Außenpolitik.

Geteilte Meinung zum Verhältnis zwischen EU und Ukraine

Proeuropäische Proteste auf dem Maidan haben die Krise in der Ukraine ausgelöst. Inzwischen ist der erste Teil des Assoziierungsabkommens unterzeichnet, Kiew rückt näher an Brüssel. Was halten die deutschen Politiker davon? Muss die EU wirklich alles tun, um die Ukraine so eng wie möglich an sich zu binden? Die Kandidaten sind unentschlossen. Am ehesten können sich die Grünen dafür begeistern, sie erreichen einen Mittelwert von 68. Die CDU sieht das relativ ähnlich (64), während sich die kleine Schwesterpartei CSU eher dagegen ausspricht (38). Neben Grünen und Christdemokraten sind auch noch die Liberalen eher dafür (63), die SPD liegt im Mittelfeld (55). Die restlichen Parteien stehen einer engeren Anbindung mehr oder weniger skeptisch gegenüber: Freie Wähler (45) Piraten (39) und AfD (32) sind eher dagegen, deutlicher ist die Ablehnung bei den Linken (18).

Manche Kandidaten nutzen die Kommentarfunktion, um ihre Position zu erklären. Einig sind sie sich, dass eine Zusammenarbeit mit der EU durchaus sinnvoll sei, wenn es darum gehe, eine gute und tragfähige Lösung für die Menschen in der Ukraine zu finden. Ob die EU die Ukraine dafür enger an sich binden müsse, darüber gehen die Meinungen auseinander. Ein SPD-Kandidat schreibt, dies dürfe nicht zum Selbstzweck werden. Ein Kandidat der Linken findet, an wen sich die Ukraine binden wolle, sei deren Sache. "Alles tun" sei ein bisschen weit gefasst, schreibt ein Kandidat der Piratenpartei. Einen Atomkrieg sollte Brüssel nicht riskieren. Mehreren Grünen geht eine schlichte Anbindung nicht weit genug. Die EU müsse die Ukraine politisch und wirtschaftlich unterstützen.

USA wichtiger als Russland

Russlands Präsident Wladimir Putin macht sich derzeit mit seinem aggressiven Vorgehen in unmittelbarer Nachbarschaft der EU nicht gerade viele Freunde. Das zeigt sich auch in unserem Wahl-Thesentest: Die Kandidaten finden mehrheitlich, dass die USA für die EU ein wichtigerer Partner als Russland seien, um internationale Probleme zu lösen. Eine Ausnahme allerdings gibt es: Die Linke kann sich nicht so recht für die USA begeistern, ihre Kandidaten kommen bei der Frage auf einen Durchschnittswert von 21.

Auf der anderen Seite trifft die Aussage bei den Grünen auf die höchste Zustimmung (93), gefolgt von FDP (88) und CDU (79). SPD, AfD und Freie Wähler liegen bei einem Wert von 60, die Piraten sind unentschieden. Auch zu dieser Frage haben viele Politiker einen kurzen Kommentar abgegeben: EU und USA vertreten die Werte der westlichen Welt, schreibt ein Kandidat der FDP, während Russlands Präsident Putin für eine Weltsicht des Kalten Krieges stehe. Ganz anders sieht dies ein Kandidat der Freien Wähler: Die USA verfolgten egoistisch nationale Ziele, auf Dauer sei uns Russland näher. Ein Kandidat der SPD schreibt: Die Beziehung zu beiden Seiten sei schwierig, die Menschenrechtsverletzungen der USA und die NSA-Affäre hätten deren Verhältnis zur EU strapaziert. Doch bei der Lösung internationaler Probleme sei man auf beide Partner angewiesen.

Gemeinsame europäische Armee

Schon jetzt kooperieren die Mitgliedstaaten in einigen militärischen Bereichen, beispielsweise in Form von EU-Kampftruppen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) spricht sich langfristig für eine gemeinsame europäische Armee aus, ebenso wie der europäische Spitzenkandidat der Konservativen, Jean-Claude Juncker. Die deutschen Kandidaten - auch die von der Union - tun sich mit der Frage schwer, viele sind unentschlossen. Am ehesten kann sich die FDP eine gemeinsame Europa-Armee vorstellen (77), gefolgt von den Piraten (66) und der SPD (63). Unentschlossen ist die CDU (51), während Grüne (43), Freie Wähler (43), CSU (41) und Linke (33) diese eher ablehnen. Am skeptischsten sieht die AfD eine solche Vision (11) ("Zu souveränen Nationalstaaten gehört eine Armee").

Die hohe Zustimmung bei der FDP erklärt sich vor allem aus ökonomischen Gründen, wie ein Blick in die Kommentare zeigt. Rüstungsausgaben reduzieren, fordern mehrere Kandidaten und finden es absurd, dass Europas Staaten zusammen mehr Soldaten haben als die USA. Bis zu einer europäischen Armee sei es noch ein weiter Weg, glaubt ein Kandidat der CDU. Zukunftsmusik, findet auch ein Kandidat der Linken, der zunächst einmal die Vereinigten Staaten von Europa mit einer funktionsfähigen Demokratie umgesetzt sehen möchte. Ein Pirat fordert: Keine europäische Armee ohne demokratische Kontrolle auf europäischer Ebene. Mehrere Grüne warnen vor einer Militarisierung der EU, sie fürchten eine 29. Armee neben den nationalen. Sie sprechen sich stattdessen für eine stärkere Kooperation der nationalen Streitkräfte aus.

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