Wahl-Thesentest zur Europawahl:Diese Energiepolitik wünschen sich deutsche Politiker

Gut stellen mit Russland oder lieber doch neue Energiequellen fördern? Reicht das Klimaziel aus? Und was muss die EU tun, damit Agrarsubventionen sinnvoll verteilt werden? Im Wahl-Thesentest der SZ schätzten Hunderte deutsche Politiker Fragen zu Energie und Landwirtschaft ein. Die Auswertung.

Von Antonie Rietzschel

Angesichts der sich zuspitzenden Lage in der Ukraine ist die Frage nach der Energieversorgung der EU drängender als je zuvor. Nicht ohne Grund hat der polnische Premier Donald Tusk die Einrichtung einer europäischen Energiegemeinschaft zur Diskussion gestellt, um unabhängiger von russischem Gas zu werden. Doch woher soll die EU ihre Energie sonst nehmen? Auch in der Landwirtschaft sind viele Fragen offen: Haben milliardenschwere Agrarsubventionen überhaupt einen Sinn?

Mehr als 200 Abgeordnete und Kandidaten für die Europawahl haben am Wahl-Thesentest von Süddeutsche.de teilgenommen. Sie hatten - wie Sie, liebe Leser - die Möglichkeit, zu den von uns formulierten Thesen auf einer Skala von 0 ("Ich stimme absolut nicht zu") bis 100 ("Ich stimme absolut zu") Stellung zu beziehen. Die Zwischenstufen "Ich stimme eher nicht zu", "Ich bin unentschieden" und "Ich stimme eher zu" wurden zur Berechnung durch die Werte 25, 50 und 75 ersetzt. Anschließend berechneten wir für jede Partei den Durchschnitt, das arithmetische Mittel. Je höher dieser Mittelwert, desto größer die Zustimmung der Abgeordneten einer Partei zu einer bestimmten These. Hier die Ergebnisse zu den Fragen aus dem Bereich Energie, Klima und Landwirtschaft.

Billige Lebensmittel für Afrika: Parteiübergreifende Ablehnung

Kritiker bemängeln schon lange, dass Agrarexporte die eigene Produktion in den Entwicklungsländern bremsen. In der EU hat bereits ein Umdenken eingesetzt. Landwirtschaftskommissar Dacian Cioloș hat sich Anfang des Jahres für einen Subventionsstopp für europäische Agrarexporte ausgesprochen. Auch die Parteien sind sich mehr oder weniger einig, dass die EU keine Nahrungsmittel zu Billigpreisen nach Afrika ausführen soll. Auf der Zustimmungsskala erreichen die Grünen sowie die Linke einen Durchschnittswert von 100, gefolgt von FDP (82), Piratenpartei (78), SPD (76), AfD (75), CSU (68) und Freien Wählern (64). Richtung Unentschieden bewegt sich lediglich die CDU (60). In Kommentaren machen einige befragte Unions-Vertreter deutlich, dass billige Nahrungsmittel zur Eindämmung von Hungersnöten wichtig seien.

Agrarsubvention: Nicht streichen, besser verteilen

5,4 Milliarden Euro flossen 2012 als Agrarsubventionen von Brüssel zurück nach Deutschland - Geld, das ersatzlos gestrichen werden sollte? Nein, finden vor allem CDU (27), SPD (29), CSU (32) und die Linke (34). Die AfD stimmt der Aussage zu (82). Bei allen anderen Parteien zeigen die Durchschnittswerte eine unentschiedene oder leicht zustimmende Haltung. Warum, zeigen die Kommentare - man müsse nicht die Subventionen zusammenstreichen, sondern sie vielmehr sinnvoller verteilen und an genauere Kriterien knüpfen, heißt es vor allem von den Vertretern der Piratenpartei (61). Tatsächlich profitieren derzeit auch Großkonzerne von den Subventionen.

Energieversorgung: Die Linke sieht gute Beziehungen mit Russland als oberste Priorität an

Die Europäische Union ist von russischem Gas abhängig, Deutschland gehört zu einem der größten Hauptabnehmer - ein Risiko angesichts des sich zuspitzenden Konflikts in der Ukraine. Die EU unterstützt die Übergangsregierung in Kiew, eine Haltung, die zur deutlichen Verschlechterung der Beziehungen zu Russland geführt und die Diskussion um die Energieabhängigkeit verschärft hat. Müssen gute Beziehungen oberste Priorität haben, um die Versorgung Europas mit Öl und Gas nicht zu gefährden? Bei den Linken liegt der Durchschnittswert auf der Zustimmungsskala am höchsten (61). Alle anderen Parteien schwanken zwischen einer unentschiedenen und ablehnenden Haltung, so wie etwa die CDU (35) oder die SPD (32). Allein die Grünen zeigen mit einem Durchschnittswert von 4 absolute Ablehnung. Die EU müsse mehr Anreize schaffen stärker auf grüne Technologien zu setzen, fügt ein Grünenpolitiker in einem Kommentar hinzu.

Umstrittenes Fracking: linke Parteien sind für ein Verbot

Wie kann sich die EU bei der Energieversorgung unabhängig machen? In vielen Mitgliedsländern wird seit Jahren über das so genannte Fracking diskutiert, die Förderung von Schiefergas. Die EU hält sich mit Einschränkungen zurück und überlässt die Entscheidung über den Einsatz der umstrittenen Technik den Mitgliedsländern. Sollte sie das Fracking nicht komplett verbieten, lautete deshalb unsere Frage. Besonders die linken Parteien unterstützen diese Aussage: SPD (83), Die Grünen (92) und die Linke (96). Die Durchschnittswerte der bürgerlichen Parteien schwanken dagegen zwischen unentschiedener und ablehnender Haltung: CDU (38), CSU (36). Lediglich die FDP (26) und die AfD (14) sind dagegen, Fracking durch die EU verbieten zu lassen. Besonders die Liberalen machen in Kommentaren deutlich, dass es Sache der Mitgliedsstaaten ist: "Die EU kann auch nicht vorschreiben wieder Atomkraft in Deutschland zu nutzen."

Reduzierung der Treibhausgase: Union unentschlossen, ob Klimaziel ausreicht

Die EU ist nicht nur aufgrund der aktuellen Diskussion über das russische Gas an neuen Energiequellen interessiert. Bis zum Jahr 2030 will sie die Treibhausgase um 40 Prozent reduzieren. Das reicht nicht aus - dieser Meinung sind unserer Umfrage zufolge vor allem die Grünen (97), die Linke (98), die Piraten (86) und mit einem gewissen Abstand die SPD (74). Die Vertreter der Union sind jedoch unentschieden: CDU (34), CSU (41). Die AfD lehnt die Aussage ab (15). Das ist nicht verwunderlich. Die Partei stellt die Klimaerwärmung an sich immer wieder in Frage.

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