Süddeutsche Zeitung

Wahl in Israel:Likud schickt Mitglieder mit Kameras in die Wahllokale

Lesezeit: 2 min

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Versteckte Kameras haben am Wahltag in Israel für Aufregung gesorgt. Die rechtsnationale Likud-Partei bestätigte am frühen Dienstagnachmittag Meldungen, dass sie 1200 Parteimitglieder und Wahlbeobachter mit Kameras ausgestattet hat. Diese waren vor allem in Wahllokalen unterwegs, die von arabischen Israelis zur Stimmabgabe aufgesucht werden. Nach Angaben der Partei soll damit Wahlbetrug dokumentiert werden. Ein Likud-Vertreter sagte, "das Problem liegt im Verhalten von Leuten in der arabischen Gemeinschaft", nicht in den Maßnahmen seiner Partei.

Auch Parteichef Benjamin Netanjahu, der von Journalisten damit konfrontiert wurde, verteidigte das Vorgehen als notwendig, "um faire Wahlen sicherzustellen". Nach Ansicht des Premierministers sollten "überall Kameras sein, nicht nur versteckte".

Der juristische Vertreter der Likud-Partei, Koby Matza, behauptete, die Kameras seien "nicht versteckt gewesen, sondern gut sichtbar". Sie seien "in Gemeinden platziert worden, in denen es große Bedenken wegen Betrugs gegeben" habe. Er beschwerte sich darüber, dass Likud-Vertreter "aus Wahllokalen vor allem im arabischen Sektor geworfen werden".

Zuvor hatten die Polizei und mit der Abwicklung der Wahl betraute Personen festgestellt, dass Hunderte Likud-Anhänger versteckte Kameras am Körper trugen oder diese in Wahllokalen zu installieren versuchten. Die Vorsitzende des zentralen Wahlkomitees, Hanan Melcer, veröffentlichte nach Beschwerden eine Richtlinie, wonach das Filmen von Wählern bei der Stimmabgabe in einem Wahllokal illegal sei. Fünf Menschen wurden festgenommen.

Die Wahlbeteiligung lag zu Mittag etwa zwei Prozentpunkte niedriger als 2015 zu diesem Zeitpunkt. Vor allem arabische Israelis, die etwa zwanzig Prozent der Bevölkerung ausmachen, dürften diesmal in geringerem Ausmaß zu den Urnen gehen - ein Teil begründet den Boykott mit einer Protesthaltung. Netanjahu hatte während der Wahlkampagne erklärt, Israel sei ein Staat nur für Juden. Sein Herausforderer Benny Gantz hatte eine Koalition mit einer der beiden Listen der arabischen Parteien ausgeschlossen.

Likud-Partei warnt vor "geheimem Deal" der Konkurrenz

In einem auf Facebook veröffentlichten Video warnte noch am Wahltag die Likud-Partei vor einem "geheimen Deal" zwischen dem blau-weißen zentristischen Bündnis von Gantz und arabischen Parteien. Das Bündnis bezeichnete die Behauptungen umgehend als "Lügen" und "Verschwörungstheorien".

Der Likud nutzte mit dem Facebook-Video eine Lücke im Wahlgesetz, das aus den Fünfzigerjahren stammt. Dort wird explizit Werbung am Wahltag in Radio und Fernsehen verboten - soziale Medien gab es damals noch nicht, sie werden deshalb in dem Gesetz nicht erwähnt. Eine Gesetzesänderung, die eine Aufnahme der sozialen Medien vorsah, wie vom zentralen Wahlkomitee empfohlen, hatte der Likud knapp vor der Wahl verhindert.

Netanjahu, der zum fünften Mal Premierminister werden möchte, zeigte sich bei der Stimmabgabe ebenso siegesgewiss wie sein Herausforderer Gantz. In den letzten Umfragen, die vor der Wahl publiziert wurden, lag Gantz vorne, aber Netanjahu werden bessere Chancen auf eine Regierungsbildung zugebilligt. Rechte Parteien dürften die Mehrheit der 120 Sitze in der Knesset erobern.

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