Süddeutsche Zeitung

Wahl in Wien:Straches Comeback misslingt

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Wegen einer Rekordzahl an Briefwählern werden sich spannende Fragen zur Wahl in Wien wohl erst zu Wochenbeginn klären. Fest steht: "Team HC Strache" ist gescheitert.

Von Cathrin Kahlweit, Wien, und Martin Langeder, München

Bei der Partei von Heinz-Christian Strache, dem Team HC, klammerte man sich kurz vor der ersten Hochrechnung immer noch an das Prinzip Hoffnung: Die Stimmen seien erst am Montag endgültig ausgezählt, der Einzug in den Wiener Landtag werde sicher noch klappen, Strache sei genau der richtige Kandidat gewesen, sagte der Parteigründer und Abgeordnete im Wiener Landtag, Karl Baron, trotzig. Wenn das Team HC doch scheitere, dann habe es an den "Anpatzungen" gelegen, also an Beleidigungen und übler Nachrede gegen den Parteichef.

Doch spätestens kurz nach 18 Uhr, als der ORF seine ersten, einigermaßen verlässlichen Zahlen präsentierte, schien die Sache gelaufen zu sein: 3,6 Prozent für das Team HC; da blieb, so die Umfrageexperten, nur noch eine "theoretische Chance", dass Strache, der frühere Vizekanzler und ehemalige FPÖ-Chef, noch mit einem Abgeordnetenmandat in der Politik würde bleiben können.

In Wien war das Abschneiden des einst so einflussreichen Rechtspopulisten, der nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos im Frühjahr 2019 seinen Rückzug aus der Politik - und wenige Monate später seinen Rückzug vom Rückzug verkündet hatte, mit einiger Spannung erwartet worden. Mindestens ebenso gespannt hatten Politiker im Bundesland Wien und im Bund auf das Abschneiden der FPÖ geschaut - und auch die leckt nun ihre Wunden: 7,7 Prozent, ein Minus von 23,1 Prozentpunkten - das hat es in der Wahlgeschichte Österreichs nur selten gegeben. Die Freiheitlichen zahlten in der Stadt unter anderem den Preis für die schweren Verwerfungen, in die Strache seine Partei mit der Causa Ibiza gestürzt hatte; sie waren zudem mit dem jungen, eher unbekannten Kandidaten Dominik Nepp angetreten. Aber da auch die ÖVP, die ihr Ergebnis mit Spitzenkandidat Gernot Blümel, zugleich Finanzminister, auf 18,8 Prozentpunkte verdoppeln könnte, im rechten Lager um Stimmen buhlte und damit drei Parteien mit den Themen Migration und Integration Wahlkampf machten, blieb für die Rechtspopulisten von der FPÖ, die sich selbst als das "Original" bezeichneten, nur noch wenig Raum. Die ÖVP feierte den Zuwachs begeistert; allerdings hatte sie 2015 ein ungewöhnlich schlechtes Ergebnis eingefahren. Blümel bedankte sich explizit bei Bundeskanzler Sebastian Kurz, der einen großen Anteil an dem Ergebnis gehabt habe.

Und so verlief der Rest des ansonsten unaufregenden Wahlabends vor allem mit Koalitionsspekulationen: Würde Bürgermeister Michael Ludwig, der für die SPÖ erwartet stark abschnitt und laut Hochrechnung 42 Prozent der Stimmen holen könnte, weiter mit den Grünen koalieren, die 2,3 Prozentpunkte auf 14,1 Prozent zulegen könnten und gern weiter in der Stadtregierung bleiben würden? Die grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein erklärte das Ergebnis als "klaren Auftrag, weiterzumachen".

Die SPÖ könnte aber auch auf die liberalen Neos zugehen, die knapp acht Prozent und damit eine Verbesserung ihres Ergebnisses schafften. Oder doch auf die ÖVP, die allerdings mit ihrem aktuellen Wahlergebnis ein vielleicht zu starker Partner wäre. Ludwig gab sich am frühen Abend in der Koalitionsfrage einsilbig: Noch gebe es keine definitiven Zahlen und er werde mit allen in Frage kommenden Parteien die Schnittmengen ausloten.

Am Sonntagmorgen war der Bürgermeister in sein Wahllokal in Floridsdorf gegangen - anstatt, wie eine Rekordzahl von 382 000 Wienern, per Briefwahl abzustimmen. 1,34 Millionen Wahlberechtigte waren zur Wahl von Stadtparlament und 23 Bezirksregierungen aufgerufen gewesen. Die Briefwahlstimmen werden erst an diesem Montag ausgezählt sein, weshalb die eine oder andere Frage, welche die Wahl über die Zwei-Millionen-Metropole hinaus spannend machte, wohl erst zu Wochenbeginn zu klären sein wird.

Diskutiert worden war im Vorfeld vor allem die Frage, wie die stark steigenden Corona-Zahlen das Verhalten der Wähler beeinflussen - und wie sich die Pandemie auf das Ergebnis auswirken würde. Seit Monaten macht die ÖVP unter Bundeskanzler Kurz Stimmung gegen das Krisenmanagement der Wiener SPÖ, die wiederum die kritischen Stimmen aus der Bundespolitik empört zurückwies.

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Quelle:
SZ vom 12.10.2020
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