Süddeutsche Zeitung

Wahl in Ungarn: Jobbik:Radikale in Lauerstellung

Jobbik wettert gegen Juden und Zigeuner und die "Versklavung des ungarischen Volkes". Das kommt im krisengebeutelten Land gut an - die Rechtsradikalen könnten jede fünfte Stimme bekommen.

C. Kahlweit

Es sind Sätze wie aus einer anderen Zeit: "Wir werden aufräumen und Ordnung schaffen. Die einen werden Arbeit und Chancen erhalten, und anderen einen Platz im Gefängnis." Gábor Vona hielt seine Grusel-Rede vor Tausenden jubelnden Anhängern am 15. März in Budapest, am Jahrestag der Revolution von 1848 - einem Feiertag in Ungarn, an dem des Aufstandes gegen die Habsburger gedacht wird.

Was in Ungarn allgemein als Symbol für nationale Selbstbestimmung gefeiert wird, nutzte die Jobbik, Ungarns Krawall-Partei, die regelmäßig gegen "Juden und Zigeuner" Stimmung macht, als Aufruf zu einem neuen Aufstand: gegen die "Versklavung" des ungarischen Volkes und den Zusammenschluss der durch den Trianon-Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg geteilten "heiligen Nation".

Zum Schluss der Veranstaltung triumphiert der rechtsradikale Kandidat für das Amt des ungarischen Ministerpräsidenten quasi im Voraus: Nach der Wahl im April werde es im Parlament nicht eine Gruppierung mehr geben - sondern vier weniger.

Schließlich seien alle anderen Parteien korrupt und hätten die Verantwortung dafür zu tragen, dass das Land am Ende sei. Bei anderer Gelegenheit warnt Vona die demokratischen Wettbewerber auch schon mal, dass sie die ungarischen "Wellness-Gefängnisse" von innen zu sehen bekämen.

Seine Partei, die Jobbik - 2003 als "Bewegung für ein besseres Ungarn" gegründet -, lehrt derzeit die anderen Parteien in Ungarn das Fürchten. In Umfragen erhalten die Rechten etwa 15 Prozent, aber Meinungsforscher sind skeptisch angesichts dieser Zahlen: Bekanntlich, heißt es etwa im Perspektive Institute, einer rechtsliberalen Denkfabrik in Budapest, würden sich radikale Wähler selten öffentlich zu ihrer Präferenz bekennen; es könnten auch 20 Prozent werden.

Der mutmaßliche Wahlsieger Viktor Orbán wird, nach bisherigen Aussagen, nicht mit Jobbik koalieren; schließlich geht man bei Fidesz von einem Erdrutschsieg aus. Sollten die Rechtsradikalen ungeahnt stark sein, dürften die Karten neu gemischt werden.

Bei den Wahlen zum Europaparlament im vergangenen Jahr konnte die extrem europakritische Gruppierung immerhin auch schon 15 Prozent erobern und drei Abgeordnete nach Brüssel schicken - darunter die meist mit viel teurem Goldschmuck behängte Krisztina Morvai. Die attraktive Blondine möchte sich gern im Sommer vom neu zu wählenden ungarischen Parlament zur Präsidentin des Landes wählen lassen.

Jobbik ist mit dem lauten Auftreten nicht allein: Sekundiert werden die Populisten von der Ungarischen Garde, einer in schwarzen Uniformen paradierenden Miliz, deren Ausstattung stark an die faschistischen Pfeilkreuzler erinnert. Diese hatten den Nazis bei der Judenvertreibung und -vernichtung in Ungarn eifrig Hilfe geleistet.

Die Garde marschiert mit Vorliebe durch die Kleinstädte von Nordungarn, wo besonders viele Roma leben. Schließlich sei die "Zigeunerkriminalität eines der Hauptprobleme des Landes", findet András Kiss Gergely, hochrangiges Mitglied der Garde. Das Leben der Roma sei geprägt durch den Wechsel von einem Gefängnis ins nächste, kaum einer arbeite, und keiner erziehe die viel zu vielen Kinder. Zwar gebe es keine offizielle Statistik zu den "Verbrechen der Zigeuner", sagt Kiss Gergely treuherzig, aber jeder Polizist könne bestätigen, dass von 100 Tätern in Ungarn 99 Zigeuner seien.

Solche Thesen fallen in Ungarn durchaus auf fruchtbaren Boden; Nationalstolz und nationale Demütigung, die Ungarn als geplagte Minderheit in den Nachbarstaaten und die ungeliebten Minderheiten im eigene Land - das sind Mythen, die bis heute viele Anhänger finden.

Die Roma, die offiziell zwei, inoffiziell acht Prozent der Bevölkerung ausmachen, sollten doch das Land besser gleich ganz verlassen, findet etwa Jobbik-Chef Vona, oder auch sie würden im Gefängnis landen. Selbst auf die Frage, ob Ungarns Haftanstalten dann nicht bald schon überfüllt sein müssten, hat Vona eine Antwort: Jobbik plant, dass die Insassen die Kosten ihres Aufenthaltes hinter Gittern selbst erwirtschaften müssten - mithin durch eine Art Zwangsarbeit.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.8668
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 8.4.2010/mati
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.