Wahl in Ukraine:Der Antiheld von einst liegt vorn

Oppositionsführer Janukowitsch muss in einer Stichwahl um das Präsidentenamt gegen Regierungschefin Timoschenko antreten.

Thomas Urban

Über die Besetzung des Präsidentenamtes in der Ukraine entscheidet in drei Wochen eine Stichwahl zwischen Oppositionsführer Viktor Janukowitsch und Premierministerin Julia Timoschenko. Erwartungsgemäß stimmten für Janukowitsch den Hochrechnungen zufolge knapp 35,1 Prozent der Wähler, während auf Ministerpräsidentin Julia Timoschenko 25,7 der Stimmen entfielen. Timoschenko bekam damit etwa doppelt so viele Stimmen wie der Ex-Chef der Zentralbank, Sergij Tigipko, den zuletzt einige Umfragen knapp vor ihr gesehen hatten. Auf den vierten Platz kam der erst 35 Jahre alte frühere Parlamentspräsident Arsenij Jazeniuk mit acht Prozent.

Wahl in Ukraine: Timoschenko? Janukowitsch? Juschtschenko?Tigipko? Orthodoxe Priester geben in einem Wahllokal in Kiew ihre Stimme ab.

Timoschenko? Janukowitsch? Juschtschenko?Tigipko? Orthodoxe Priester geben in einem Wahllokal in Kiew ihre Stimme ab.

(Foto: Foto: AFP)

Amtsinhaber Viktor Juschtschenko brachte dagegen nur rund sechs Prozent der Wähler hinter sich. Der Held der Orangenen Revolution von 2004 wurde somit nach nur einer Amtszeit abgewählt. Ihm wurde vor allem vorgeworfen, die Korruption sowie die wuchernde Staatsbürokratie nicht in den Griff bekommen zu haben. Kaum ein Echo haben seine Warnungen gefunden, dass sowohl bei einem Wahlsieg Timoschenkos als auch Janukowitschs die Ukraine wieder zu einem "russischen Protektorat" würde. Juschtschenko propagierte als einziger Kandidat einen raschen Nato-Beitritt der zweitgrößten ehemaligen Sowjetrepublik, die rund 46 Millionen Einwohner zählt.

Für die Stichwahl gilt Julia Timoschenko als Favoritin. Während Janukowitsch nur in den russischsprachigen Gebieten im Osten und Süden des Landes Mehrheiten hinter sich bringen konnte, hat die aus der Industriemetropole Dnjepropetrowsk im Osten stammende Premierministerin eine große Anhängerschaft in allen Landesteilen. Ihr trauen die Kiewer Medien zu, im Gegensatz zu Juschtschenko und Janukowitsch die tiefen psychologischen Gräben zwischen der einst zu Österreich und Polen gehörenden Westukraine um Lemberg einerseits sowie den russisch geprägten Industrieregionen des Ostens, dem Bezirk Odessa und der Halbinsel Krim andererseits zu überwinden.

Persönliche Angriffe und Stimmenkauf

Der Wahlkampf war von persönlichen Angriffen geprägt. Noch am Vorabend des Wahltages warfen Vertreter der Spitzenkandidaten ihren Gegnern vor, die Wahlen zu manipulieren. So hieß es aus dem Block Julia Timoschenko (BJuT), in der Industrieregion Donbass, aus der Janukowitsch stammt, seien erneut gefälschte Wählerlisten aufgetaucht.

Vor fünf Jahren war wegen massiver Fälschungen vor allem im russischsprachigen Osten des Landes die Stichwahl, die - nach der offiziellen Auszählung - Janukowitsch gewonnen hatte, nach massiven Protesten im In- und Ausland wiederholt worden. Millionen gingen damals während der Orangenen Revolution auf die Straße. Bei der Wiederholung siegte der von einem Giftanschlag gezeichnete Juschtschenko - nicht zuletzt dank der Unterstützung der charismatischen Julia Timoschenko, die aber schon Monate später zu seiner erbitterten Gegnerin wurde, nachdem er sie als Ministerpräsidentin entlassen hatte.

Das Janukowitsch-Lager wartete mit einem Bericht auf, nach dem 2000 Georgier in den letzten Tagen in das Donbass gekommen seien, um dort einen geordneten Ablauf der Wahlen zu verhindern. Die Männer seien auf Bitten Timoschenkos vom georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili geschickt worden. Sowohl Kiew als auch Tiflis dementierten. Durch die internationalen Medien ging überdies die Information, dass vor allem junge Wahlberechtigte ihre Stimmen im Internet zum Verkauf anböten. Doch nach Berichten Kiewer Medien handelt es sich dabei nur um Einzelfälle. Timoschenko sagte bei ihrer Stimmabgabe, die Wähler bestimmten den Kurs "für die kommenden Jahrzehnte". Es gelte, die "Errungenschaften der Revolution" zu retten. Allerdings hat sie durch ihren Dauerstreit mit Juschtschenko selbst zur Politikverdrossenheit im Lande beigetragen.

Nur in der Heimatregion Janukowitschs waren Tausende zu Wahlkundgebungen gekommen. Vor fünf Jahren entfielen in einigen Bezirken des Ostens mehr als 100 Prozent der Stimmen auf ihn - bei der Manipulation waren Additionsfehler begangen worden.

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