Süddeutsche Zeitung

Wahl in Tschechien:Der General hat bessere Aussicht auf die Burg

In die Stichwahl um die Präsidentschaft in Prag gehen der umstrittene Ex-Premier Babiš und der frühere Nato-Offizier Pavel. Der darf Ende Januar mit den meisten Stimmen rechnen.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Die Ergebnisse sind noch nicht zu 100 Prozent ausgezählt, da beginnt Andrej Babiš den Zweikampf um das Amt des Staatsoberhauptes in Tschechien. Mit 34,99 Prozent hat es der ehemalige Ministerpräsident, Unternehmer und derzeitige Oppositionsführer im Abgeordnetenhaus in die Stichwahl geschafft, sie wird am 27. und 28. Januar stattfinden.

Gerade hat Petr Pavel, der ein paar Stimmen mehr erreicht hat, in die Fernsehkameras gesagt, dass er einen harten Wahlkampf erwarte, "in dem ein paar Halbwahrheiten und wohl auch ein paar Unwahrheiten verbreitet werden". Da vergleicht Babiš den ehemaligen General der tschechischen Armee und bis 2018 ranghöchsten tschechischen Vertreter bei der Nato bereits mit Putin.

Babiš tritt gegen Petr Pavel an, der knapp 23 000 Stimmen mehr erhielt und damit auf 35,4 Prozent kommt. Es ist ein sehr viel deutlicheres Ergebnis, als zuvor in den Umfragen verschiedener Institute erwartet worden war. Diese hatten die Wirtschaftswissenschaftlerin und frühere Rektorin der Mendel-Universität Danuše Nerudová gleichauf mit Pavel und Babiš gesehen. Alle drei lagen in den Prognosen zwischen 20 und 25 Prozent.

Die einzige Frau scheidet aus. Aber sie sagt, nun sei eine Tür geöffnet

Die Hoffnung auf die erste Frau im Amt hat sich damit zerschlagen, Nerudová erhielt nur knapp 14 Prozent der Stimmen. Die 44-Jährige stand für einen Generationenwechsel, unbelastet von der Vergangenheit in der sozialistischen Tschechoslowakei. Sie sprach vor allem die Erst- und Zweitwähler an - und das genügte nun offenbar nicht.

Unter ihren Unterstützerinnen und Anhängern gab es am Samstagabend Tränen auf der Wahlparty, Nerudová aber erklärte, das Ergebnis zeige, dass es einen Sinn habe, sich zu engagieren, die Tür für eine neue Generation sei geöffnet. Dann erklärte sie ihre Unterstützung für Petr Pavel - im Laufe des Abends folgten ihr darin drei weitere unterlegene Kandidaten. "Es gibt immer noch ein großes Übel, und dieses Übel heißt Babiš", sagte Nerudová.

Die Beteiligung ist gestiegen: Mehr als 68 Prozent stimmten ab

Das Interesse an der dritten direkten Präsidentschaftswahl Tschechiens war erheblich höher als 2018 und 2013. Mehr als 68 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab, um den Nachfolger von Miloš Zeman in der Prager Burg zu bestimmen, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf.

Für die Stichwahl sahen Meinungsforscher schon vor dem ersten Wahlgang eine Niederlage von Andrej Babiš voraus. In einer Befragung des Instituts Stem von Anfang Januar sagten 52 Prozent der Teilnehmer, Babiš würden sie auf keinen Fall wählen. Bei Pavel waren das nur 35 Prozent. Der Leiter von Stem, Martin Buchtík, sagte nun dem tschechischen Magazin Respekt, er gehe weiterhin davon aus, dass Pavel die Wahl gewinnen werde, jedoch könne der Ausgang knapp werden.

Der Wahlkampf vor dem ersten Wahlgang verlief ruhiger und fairer als frühere. Nerudová sagte am Samstagabend, sie sei froh, einen Wahlkampf geführt zu haben, "ohne jemanden anzuschwärzen". Andrej Babiš hatte sich nur an einer Fernsehdebatte in einem Privatsender mit den anderen Kandidaten beteiligt und Einladungen etwa zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgeschlagen.

Das Thema Geheimdienst ist jetzt wohl aufs Tapet gebracht

In seinem Auftritt vor seinen Unterstützern am Samstagabend sagte Babiš an seinen Konkurrenten gerichtet, er verstehe nicht, warum Pavel überhaupt antrete. Das Land brauche keinen Generalstabschef, es gebe schon einen. Dann zog er eine Verbindung von der früheren KGB-Tätigkeit des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur nachrichtendienstlichen Ausbildung Pavels in der tschechoslowakischen Armee. Pavel setzte nach der Wende diese Ausbildung in Washington bei der Defense Intelligence Agency fort.

Im Wahlkampf hatte Babiš der regierenden konservativ-liberalen Fünferkoalition vorgeworfen, mehr für die ukrainischen Kriegsflüchtlinge zu tun als für die eigenen Leute. "Ich helfe den Leuten", wiederholte Babiš auf der Wahlkampfparty seinen Slogan. In der Slowakei existieren Dokumente, die Babiš als Geheimdienstmitarbeiter in der Tschechoslowakei ausweisen. Babiš bestritt diese Mitarbeit am Samstag erneut.

Damit ist wohl eines der Themen zwischen dem 68-jährigen Babiš und dem 61-jährigen Pavel gesetzt. Pavel reagierte am Samstag gelassen, sowohl auf das Wahlergebnis wie auch auf das bevorstehende Duell: "Dafür, dass ich im Vergleich mit Babiš ein politisch unerfahrener Mensch bin, sieht das Ergebnis gar nicht schlecht aus", sagte er. Es gehe nun darum, einen Wandel zu wählen, darum, dass das Land Politiker habe, die sich an ihre Amtseide und Versprechen hielten, die Gesetze achteten und darum, "ein vertrauenswürdiges Land für unsere Verbündeten zu sein".

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