Wahl in Spanien:Rajoys Zeit an Spaniens Spitze dürfte abgelaufen sein

Mariano Rajoy

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy spricht nach der Schließung der Wahllokale. Seine Partei wurde zwar stärkste Kraft - aber niemand will mit ihm koalieren.

(Foto: AP)

Die Partei des Regierungschefs wird zwar stärkste Kraft - aber niemand will mit ihm koalieren. Eigentlicher Wahlsieger ist der junge Linke Pablo Iglesias.

Von Thomas Urban, Madrid

Nur einer hatte Grund zum Strahlen in der langen spanischen Wahlnacht: Pablo Iglesias, der Politologe mit dem Pferdeschwanz, ganze 37 Jahre alt, Symbolfigur für das junge Spanien, das eine neue sozialere Politik ohne korrupte Strukturen verlangt. Die von ihm geführte linksalternative Gruppierung Podemos ("Wir schaffen das"), erst vor knapp zwei Jahren gegründet, erreichte bei den Parlamentswahlen am Sonntag auf Anhieb 20,7 Prozent. Seine Enttäuschung konnte hingegen der zweite neue Star der spanischen Politik nicht verbergen, Albert Rivera, der 36-jährige stets elegant gekleidete Spitzenkandidat der liberalen Ciudadanos (Bürger): Viel schlechter als von den Meinungsforschern vorausgesagt bekamen sie ganze 13,9 Prozent.

Kaum besser gelaunt erlebten die Chefs der beiden größten Parteien die Stimmenauszählung: Die konservative Volkspartei (PP) führt zwar mit 28,7 Prozent die Ergebnisliste an, doch als Sieger kann sie sich nicht fühlen: Bei den Wahlen vor vier Jahren hatte sie noch 44 Prozent der Wähler hinter sich gebracht. Nicht nur das harte Sanierungsprogramm, mit dem Premierminister Mariano Rajoy das Land aus der Rezession geführt hat, sondern vor allem die zahlreichen Korruptionsskandale, die sich PP-Politiker leisteten, führten zu diesem beispiellosen Absturz.

Die Sozialisten haben trotz Verlusten keine schlechten Karten

Nicht ganz so hart, aber doch schmerzlich genug kam es für die Sozialisten (PSOE), bislang größte Oppositionspartei: Sie verlor sieben Punkte gegenüber 2011. Ihr Vorsitzender, der 43-jährige Wirtschaftsprofessor Pedro Sánchez, fuhr mit 22,0 Prozent das schlechteste Ergebnis seiner Partei seit der Wiedereinführung der Demokratie nach dem Tod des Diktators Franco vor 40 Jahren ein. Im Wahlkampf war er mit wenig staatsmännischen Pöbeleien gegen Rajoy auffällig geworden war, nun musste er seine Niederlage gegen ihn einräumen. Dennoch hat er im Gegensatz zu Rajoy durchaus Chancen, neuer Regierungschef zu werden.

Der 60-Jährige, der sichtlich angeschlagen vor die Kameras trat, bekräftigte zwar seinen Anspruch auf die Regierungsbildung. Doch dürfte die Zeit für ihn abgelaufen sein, da keine andere Partei mit der PP koalieren will, so lange er an deren Spitze steht. Ihm wird vorgeworfen, von den schwarzen Kassen seiner Partei gewusst und davon profitiert zu haben. Die PSOE hat also keine so schlechten Karten im nun beginnenden Koalitionspoker, alle anderen sind für ein Bündnis mit ihr offen.

Es wird überaus spannend werden, denn sowohl eine Mitte-rechts-Koalition um die PP mit neuer Führung und den Ciudadanos wie eine Linkskoalition aus PSOE und Podemos sind möglich. Beide Blöcke sind fast gleich stark: 163 zu 159 Mandate im insgesamt 350 Sitze zählenden Parlament. Nicht völlig auszuschließen, doch sehr unwahrscheinlich wäre eine große Koalition aus den beiden Altparteien PP und PSOE.

Die Wahlen haben zu einem Generationswechsel geführt

Also wird nun das Werben um die 28 Abgeordneten der anderen Gruppierungen einsetzen: Es handelt sich vor allem um Vertreter von Regionalparteien aus dem Baskenland und aus Katalonien, dazu die postkommunistische Vereinigte Linke, die einen Großteil ihrer Wähler an Podemos verloren hat. Dies ist keine neue Erfahrung, Basken und Katalanen waren schon mehrmals in der Vergangenheit das Zünglein an der Waage in Madrid. Sie werden hohe Forderungen für ihre Regionen stellen. Sie haben es in der Hand, ob eine stabile Regierung zustande kommt.

Eines ist sicher: Die Wahlen haben zu einem Generationswechsel in der Politik geführt. Die Generation zwischen 35 und 45 wird in der neuen Regierung führende Positionen übernehmen. Die Politik, traditionell in elitären Zirkeln ausgehandelt, wird transparenter werden und näher an die Bürger heranrücken. Auch bei den Konservativen treten neue Leute in die erste Reihe. Auf alle warten große Aufgaben: Noch ist die große Wirtschaftskrise, Folge auch der verheerenden Korruption in der Elite, nicht überwunden, auch wenn es zuletzt deutlich bergauf ging. Gesundheits- und Bildungswesen, Arbeitsmarkt, alles muss entschlackt und umgebaut werden. In den kommenden Wochen entscheidet sich, in welche Richtung es geht: Zu mehr oder zu weniger Staat im Alltag und in der Wirtschaft.

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