Süddeutsche Zeitung

Wahl in Schleswig-Holstein:Ampelmännchen mit schwieriger Mission

Eine regionale Spezialität: Die Gegner schmähen das Bündnis aus SPD, Grünen und SSW als "Dänen-Ampel", aber es gibt gute Gründe, sie zu probieren. Viel hängt von Torsten Albig ab und wie er das Amt des Ministerpräsidenten ausfüllt.

Ralf Wiegand

Die erste respektable Leistung als möglicher künftiger Regierungschef von Schleswig-Holstein hatte Torsten Albig schon hingelegt, als im Büro der Landeswahlleiterin noch gezählt wurde, ob es überhaupt reichen würde für die - Achtung! - "Schleswig-Holstein-Ampel". Diesen Begriff hatte der Spitzenkandidat der SPD im Laufe des Wahlabends geprägt und erst unauffällig, später immer offensiver in alle seine Reden und Interviews zum Wahlausgang einsickern lassen. Als ehemaliger Pressesprecher im Berliner Regierungsapparat hat Albig gelernt, die komplizierten Dinge plakativ und pointiert zu verkürzen.

Das Bündnis aus SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW), das alle drei Parteien in den nächsten Wochen auszuhandeln versuchen werden, wäre tatsächlich eine Koalition aus Schleswig-Holstein für Schleswig-Holstein. Eine regionale Spezialität wie Krabbenbrötchen oder Lübecker Marzipan. Die finsteren Warnungen der Union, die mit dem Begriff der "Dänen-Ampel" Gegenstimmung erzeugen wollte, sind reine Polemik.

An der Partei der dänischen und friesischen Minderheit ist rein gar nichts zum Fürchten, sie hat seit mehr als 60 Jahren ihren Platz im Parlamentarismus Schleswig-Holsteins, regiert in der Landeshauptstadt Kiel mit und stellt in Flensburg den Oberbürgermeister. Den dänischen Einfluss auf die Geschichte des Landes gibt es ohnehin schon immer. Deutsch zu sein und dänisch zu denken, das ist Lebensalltag in Teilen Schleswig-Holsteins. Von Flensburg aus betrachtet, ist die CSU jedenfalls wesentlich exotischer als der SSW.

Auch politisch ist der Versuch nachvollziehbar und aus Sicht der Parteien sogar vernünftig, diesen Dreier-Bund trotz knappster Mehrheit von nur einer einzigen Stimme an den Start zu bringen. Die SPD ist in Schleswig-Holstein an ihrer linken Seite noch offener als anderswo in der Republik, sie bröckelt dort wie eine Steilküste bei Sturmflut.

Albig passt als Ampelmännchen

Gleich vier Parteien - eben Grüne und SSW, dazu Linke und Piraten - holen sich das Land der Sozialdemokraten. Die müssen neue Bündnisse wagen, um dem Wählerwillen nach dem Wechsel gerecht zu werden. SSW und Grüne sind dabei die mit Abstand verlässlichsten Partner. Der SSW, der von den Kürzungen der abgewählten schwarz-gelben Regierung auf den Feldern Soziales und Bildung überhaupt erst in eine Koalitionsbereitschaft getrieben wurde, hat den Auftrag seiner Basis, den Wechsel zu bewirken. Das klappt nur im Dreier-Pakt.

Und die Grünen sind mit dem charismatischen Robert Habeck an der Spitze so stark, dass sie sich aus drei möglichen Ampeln eine aussuchen können - das ist die denkbar stärkste Verhandlungsposition gegenüber der SPD.

Es wird nun darauf ankommen, was Torsten Albig neben seiner gekonnten Rhetorik noch mitbringt fürs Amt des Ministerpräsidenten. Bisher präsentierte er sich moderat, gelassen, verbindlich, eher leise. Das könnte passen als Schleswig-Holstein-Ampelmännchen.

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SZ vom 08.05.2012/feko
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