Wahl in Russland:Wie ein russischer Milliardär über seine Ambitionen stürzte

Er forderte den Kreml heraus - und wurde abgesägt. Der russische Milliardär Michail Prochorow wollte seine Partei "Gerechte Sache" bei der Wahl im Dezember ins Parlament führen. Nach einer parteiinternen Revolte wurde ihm der Vorsitz entzogen. Wer steckt dahinter?

Frank Nienhuysen, Moskau

Der Freitag fing schlecht an. Vom Kreml wurde Michail Prochorow ignoriert, und dann musste er sich auch noch den Spott von Eduard Limonow gefallen lassen. Der Nationalbolschewist Limonow sagte über Prochorow, dieser sei "ein naiver, selbstbewusster Geschäftsmann, der noch immer nicht verstanden hat, in welchem Land er eigentlich lebt".

Eine Uhr mit den Gesichtern der Politiker Medwedew und Putin

Die Mächtigen im Kreml: Medwedew und Putin. Bei der Absetzung des Parteivorsitzenden von "Gerechte Sache" hat die Staatsmacht offensichtlich kräftig am Rad gedreht.

(Foto: action press)

Eigentlich sollte Prochorow das aber wissen - einst war er der reichste Mann des Landes gewesen. Jetzt ist er nur noch der drittreichste, dafür aber Chef des russischen Biathlon- Verbandes und Eigentümer des amerikanischen Basketball-Klubs New Jersey Nets.

Nur mit der Politik ist es wohl erst einmal vorbei. Prochorow, bis Mitte der Woche noch aktiver Parteichef, hat am Freitag offengelassen, ob er bei der Präsidentenwahl im März gegen Wladimir Putin oder Dmitrij Medwedjew antreten werde.

Als steinreicher Oligarch hätte er zwar gegen die Kandidaten der Macht keine Chance, immerhin aber spricht das Land über ihn. Denn der zwei Meter große Prochorow hatte am Donnerstag den Vorsitz der Partei Prawoje Delo (Gerechte Sache) abgeben müssen, den er vor drei Monaten übernommen hatte.

Die Partei spaltete sich, Prochorow und seine Befürworter trafen sich an einem Ort, seine Gegner an einem anderen. Die Gegner siegten, und einer der reichsten Männer Russlands wurde abserviert von einem der einflussreichsten: von Wladislaw Surkow.

Die Staatsmacht hatte ihre Finger im Spiel

Jedenfalls machte Prochorow den Strippenzieher im Kreml, offiziell stellvertretender Leiter der Präsidialverwaltung, persönlich für sein politisches Aus verantwortlich. Er nannte Surkow einen "Puppenspieler", der die Führung des Landes mit falschen Informationen füttere. Er werde es sich zur Aufgabe machen, Surkows Entlassung zu betreiben.

Wie genau es zum Abtritt des Milliardärs kommen konnte, bleibt indes ein Rätsel. Aber dass die Staatsmacht kräftig am Rad gedreht hat, ist offensichtlich. Die wichtigsten Fernsehsender waren vorsichtig genug, die Tiraden Prochorows gegen Surkow aus den Übertragungen herauszuschneiden. Im TV-Programm Wremja wurde Prochorow nach der Spaltung der Partei am Abend nicht einmal mehr als Vorsitzender bezeichnet, sondern nur noch "als Milliardär, der auf dem Parteitag nicht erschienen ist". So schnell hat sich der Wind gedreht.

Als sich Michail Prochorow im Frühsommer für den Parteivorsitz von Gerechte Sache aufstellen ließ, war dies noch schwer vorstellbar gewesen ohne die Zustimmung des Kreml. Als Großunternehmer ist einer wie er auf die Gunst des Staates angewiesen. Und wenn Prochorow auch beteuert, das Engagement in der Politik sei seine eigene Idee gewesen, so war er doch vor seinem Einstieg zu Gesprächen bei Medwedjew und Putin gewesen.

Seine kleine Partei stand in Umfragen bei knapp drei Prozent, und Prochorow wollte sie bei der Wahl im Dezember ins Parlament führen. Er sollte jene liberale Klientel binden, die sich weniger von Premier Wladimir Putin vertreten fühlt als von Dmitrij Medwedjew, der aber selber parteilos ist. Etwa 20 Millionen Euro soll Prochorow in seine Kampagne gesteckt haben.

Selbstbewusster Oligarch

Der Oligarch gab sich selbstbewusst, brachte sich als möglicher Premier ins Spiel und redete von der Abschaffung des Rubels, während Moskau diesen doch als künftige Weltwährung preist. Er setzte eigene Leute auf die Parteiliste, verstörte die alten Kader und mit alledem offenbar auch die politische Elite in Moskau.

Womöglich war der aufstrebende Politiker und Herausforderer Prochorow dem Kreml schnell zu eigenständig, zu selbstbewusst, und zugleich zu erfolg- und damit nutzlos. Die Umfragewerte blieben weit hinter den Hoffnungen Prochorows zurück. Nun, nach der Parteispaltung, dürfte das Projekt Gerechte Sache so oder so beendet sein.

Der liberale Oppositionspolitiker Boris Nemzow warnte Prochorow davor, in der Politik zu bleiben, wenn er ein Schicksal wie das des inhaftierten Ex-Oligarchen Michail Chodorkowskij vermeiden wolle. Doch einen solchen Fall wird sich Moskau kaum mehr leisten, wenn es das Ausland als Helfer bei der Modernisierung gewinnen will. Und es wird wohl gar nicht nötig sein. Ex-Premier Michail Kasjanow sagte jedenfalls, man habe aus Prochorow eine Marionette gemacht, und der habe sich widersetzt. "Das Ergebnis haben wir jetzt gesehen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: