Wahl in Russland:Wie die Staatsmedien Putin im Wahlkampf halfen

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Putin wurde von den Staatsmedien oft bestens in Szene gesetzt - hier besucht er Mitte März ein Medizinforschungszentrum in Sankt Petersburg. (Foto: dpa)
  • Dass es bei der Wahl in Russland nicht fair zugeht, zeigt unter anderem auch ein Blick in die Staatsmedien.
  • Putin, dessen Wiederwahl als sicher gilt, bekam dort die Möglichkeit, sich ausgiebig und staatsmännisch zu präsentieren.
  • Die zugelassenen Gegenkandidaten erhielten viel weniger Aufmerksamkeit - und lieferten mitunter desolate Auftritte.

Von Julian Hans, Moskau

Als Wladimir Putin um 23 Uhr endlich die Bühne vor den Mauern des Kremls betritt, ist die Nachricht von seinem Sieg schon zwei Stunden alt. Mehr als 70 Prozent sollen es sein, das war gleich klar, nachdem um 21 Uhr Moskauer Zeit das letzte Wahllokal in Kaliningrad geschlossen hatte, der Exklave am westlichen Ende des Riesenreiches. Die Marke, die der Kreml sich selbst gesteckt hat, sie ist erreicht. Wenngleich auch nicht wirklich überraschend. Bei neun Grad Frost mussten sich Pop- und Schlagerstars über Stunden ins Zeug legen, um Putins Unterstützern auf dem Festival "Russland, Krim, Sewastopol" einzuheizen. Als er endlich kam, dauerte sein Auftritt nur wenige Minuten. "Ihr seid eine große Mannschaft und ich bin ein Mitglied dieser Mannschaft", rief er unter dem Jubel der Versammelten. Im Ergebnis sehe er "eine Anerkennung dessen, was wir in den vergangenen Jahren unter sehr schweren Bedingungen geschafft haben", sagte Putin und versprach, "auch in Zukunft mit voller Kraft, voller Verantwortung und noch besseren Ergebnissen zu arbeiten". Es sei ihm wichtig, auch die Wähler zu gewinnen, die für die anderen Kandidaten gestimmt hätten, denn um voranzukommen, komme es auf Geschlossenheit an. "Wir sind zum Erfolg verurteilt", rief Putin und die Zuschauer skandierten: Russland, Russland, Russland!" Bei einer Pressekonferenz am späten Abend äußerte sich Putin auf Fragen von Reportern noch einmal zum Fall des vergifteten Doppelagenten Sergej Skripal. Er habe "von dieser Tragödie aus den Medien erfahren". Russland verfüge nicht über chemische Kampfstoffe, "Wir haben alle unter Aufsicht internationaler Beobachter vernichtet." Die Frage, ob er bei den nächsten Wahlen noch einmal antreten werde, konterte Putin mit einem Scherz: "Meinen Sie, ich werde hundert Jahre alt?" Der 65-Jährige Putin wäre bei der nächsten Wahl im Jahr 2024 allerdings erst 71. Jedoch steht einer erneuten Kandidatur die Verfassung im Wege, die nur zwei Amtszeiten eines Präsidenten hintereinander erlaubt. Putin beteuerte, er habe "vorerst keine Pläne für eine Änderung der Verfassung".

Damit ging für Putin ein kurzer, beinahe entspannt zu nennender Wahlkampf zu Ende. Das Fernsehen und seine sieben Gegenkandidaten nahmen ihm die meiste Arbeit ab. Der Präsident konnte sich mit einem Kurzauftritt bei einer Jubelfeier im Moskauer Luschniki-Stadion und einer Reise auf die Krim begnügen, dazu besuchte er ein paar Musterbetriebe in der Provinz. Das genügte, um das Fernsehen mit frischen Bildern zu versorgen. Der Rest war lange vorbereitet und musste nur noch ausgestrahlt werden.

Bis kurz vor Ablauf der Frist hatte sich Putin Zeit gelassen, um am 6. Dezember als Letzter seine Kandidatur zu verkünden. Indem er auf die Nominierung durch Einiges Russland verzichtete und als unabhängiger Kandidat antrat, demonstrierte der Präsident Distanz zu der äußerst unbeliebten Partei. Zugleich konnte er so das ganze Land mobilisieren - das Gesetz verlangt von Bewerbern, die nicht von einer Partei aufgestellt werden, in kürzester Zeit mindestens 300 000 Unterschriften aus verschiedenen Regionen zu sammeln.

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Vielleicht war das größte Opfer, das dieser Wahlkampf ihm abverlangte, ein Bad in einem Eisloch Mitte Januar. Der Kreml ließ verbreiten, diesen orthodoxen Brauch am Feiertag der Taufe Jesu habe Putin schon in der Vergangenheit befolgt, nur dürften diesmal ausnahmsweise Kameras dabei sein.

Ob es an dem Eisbad lag, dass Putin im Februar wegen einer schweren Erkältung alle Termine absagen musste, ist unklar. Geschadet hat ihm die Auszeit mitten im Wahlkampf aber nicht. Vom Krankenbett aus konnte er zusehen, wie die Gegenkandidaten sich in den Fernsehdebatten Schlammschlachten lieferten.

Es wurde gebrüllt und geprügelt im Studio, der Rechtspopulist Wladimir Schirinowskij beschimpfte die einzige weibliche Kandidatin als "Nutte", woraufhin Xenia Sobtschak ihm ihr Glas Wasser ins Gesicht schüttete. Das Ganze wirkte wie ein Déjà-vu aus den Neunzigern, als eine Debatte zwischen Schirinowskij und Boris Nemzow ähnlich entgleiste. Putin hatte eine Teilnahme an den Debatten abgelehnt.

So bot das würdelose Spektakel den optimalen Hintergrund, vor dem sich der Präsident in langen Interviews vor Kreml-Kulisse staatsmännisch über seine größten Erfolge und schwersten Herausforderungen in der Vergangenheit sprechen konnte. Der Wähler hatte die Wahl: Putins prunkvolles, starkes Russland oder zurück ins Chaos. Bei den letzten Wahlen 2012 hatte Putin in sieben Programmartikeln ausführlich seine Pläne für Wirtschaft, Sozialwesen, Außenpolitik und Verteidigung dargestellt. Diesmal setzte der Kreml allein auf das Fernsehen und Putins Person.

© SZ vom 19.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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