Süddeutsche Zeitung

Wahl in Russland:Beobachter melden Unregelmäßigkeiten

Lesezeit: 3 min

Beobachter der Präsidentschaftswahl in Russland haben Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung in mehreren Wahllokalen gemeldet. Etwa 145 000 Wahlbeobachter aus dem In- und Ausland sind vor Ort, um die Abstimmung im flächenmäßig größten Land der Erde zu verfolgen. Die russische Wahlbeobachtungsgruppe Golos teilte mit, es habe an Dutzenden Orten, vom fernen Osten bis nach Moskau, Verstöße gegen die Wahlordnung gegeben. Bis zum Mittag (MEZ) hätten sich demnach mehr als 1800 Unregelmäßigkeiten ereignet.

Dazu zählten demnach Wahlurnen, die außer Sichtweite von Beobachtungskameras platziert wurden, sowie Änderungen bei der Wählerregistrierung in letzter Minute, mit der wahrscheinlich eine höhere Beteiligung erzielt werden sollte. Wahlbeobachter, die von Gegenkandidaten oder Oppositionsgruppen entsandt wurden, klagten darüber, sie würden vielerorts nicht in die Wahllokale gelassen. Außerdem sei es möglich, als Wähler in unterschiedlichen Wahllokalen mehrfach abzustimmen.

Die liberale Zeitung Nowaja Gaseta berichtete, in mehreren Städten sei Studenten gedroht worden, sie bekämen Probleme bei den Prüfungen oder würden von der Hochschule geworfen, wenn sie nicht zur Wahl gingen. Laut Opposition wurden viele Wähler von der Polizei mit Bussen zu den Wahllokalen gefahren. Zudem seien Rabattgutscheine an Wähler verteilt worden. Da es als sicher gilt, dass Präsident Wladimir Putin für eine vierte Amtszeit wiedergewählt wird, ist vor allem entscheidend, wie viel Prozent der Stimmen er erhält und wie hoch die Wahlbeteiligung ist.

Behörden melden hohe Beteiligung

Kreml-Strategen hatten im Vorfeld die Zahl 70 als Zielmarke gesetzt: 70 Prozent Wahlbeteiligung und 70 Prozent der Stimmen für Putin. Ein solcher Sieg würde Putins Popularität unterstreichen und ihm den Rücken bei seinen weiteren politischen Planungen stärken.

Die Wahllokale öffneten am Sonntag um 8 Uhr Ortszeit (6 Uhr MEZ) auch im bevölkerungsreichen westlichen Teil des Landes. In der Nacht zuvor hatten bereits die Wähler im Fernen Osten und in Sibirien abgestimmt. Bis zum Mittag (MEZ) lag die Wahlbeteiligung nach offiziellen Angaben bei knapp 35 Prozent. Die Umfrageinstitute rechneten mit einer Beteiligung zwischen 63 und 67 Prozent.

Bereits am Vormittag hatten die Behörden mitgeteilt, es gebe eine höhere Beteiligung als vor sechs Jahren. Auf der Halbinsel Kamtschatka im Osten des Landes teilte die regionale Wahlkommission mit, in den ersten sieben Stunden hätten 54,1 Prozent der Wähler teilgenommen. Bei der letzten Präsidentenwahl 2012 seien es bis zu diesem Zeitpunkt 46,1 Prozent gewesen. Aus dem sibirischen Gebiet Irkutsk wurde eine um sechs Prozentpunkte höhere Wahlbeteiligung gemeldet.

Angesichts der erwarteten Stimmenmehrheit für Putin sehen Experten die Wahlbeteiligung als wichtigen Hinweis auf die Stimmung im Land. An der Wahl 2012 hatten nach offiziellen Angaben 65,3 Prozent der Wähler teilgenommen. Putin siegte mit 63,6 Prozent.

Putin hat Stimme abgegeben

Die Wahl findet dieses Jahr am vierten Jahrestag der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim statt. Die Bürger der Krim können zum ersten Mal an einer russischen Präsidentschaftswahl teilnehmen, 1,5 Millionen Menschen waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Beteiligung lag nach Angaben der Wahlleitung am Sonntagmittag bei rund 35 Prozent. Die Ukraine protestiert gegen die Wahl auf der Krim, die Führung in Kiew blockierte russische Konsulate und die Botschaft und ließ nur Diplomaten in die vier Einrichtungen in Kiew, Charkiw, Odessa und Lwiw. Der Westen sieht in der Annexion der ukrainischen Halbinsel einen Völkerrechtsbruch. Die EU hatte angekündigt, das Wahlergebnis auf der Krim nicht anzuerkennen.

Überschattet wird die Wahl zudem durch den Konflikt mit dem Westen nach dem Giftanschlag auf einen Ex-Agenten in Großbritannien. Wahlberechtigt in Russland sind etwa 109 Millionen Menschen. Erste Ergebnisse werden nach Schließung der Wahllokale in der Ostsee-Exklave Kaliningrad am Sonntag um 19 Uhr MEZ erwartet. Wladimir Putin hat seine Stimme bereits abgegeben. Er machte am Sonntagmorgen in Moskau sein Kreuz.

Er selbst gab sich siegessicher. "Ich bin überzeugt von der Richtigkeit des Programms, das ich dem Land vorschlage", sagte er der Agentur Interfax zufolge. Er werde mit jeder Prozentzahl an Stimmen zufrieden sein, "die es erlaubt, die Aufgaben des Präsidenten zu erfüllen".

Putins sieben Gegenkandidaten gelten als chancenlos. Der einzige Herausforderer, der dem Staatschef hätte gefährlich werden können, der Anti-Korruptionsaktivist Alexej Nawalny, wurde von der Wahl ausgeschlossen. Nawalny hatte die Wahl bereits im Vorfeld als Farce bezeichnet und zum Boykott aufgerufen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3911015
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/Afp/kjan/jhs
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.