Wahl in Rheinland-Pfalz:Kulis für Klöckner, Flyer für Dreyer

  • Einen Tag vor der Landtagswahl liegen die Spitzenkandidatinnen von SPD und CDU in Umfragen gleich auf.
  • Wahlkämpfer beider Parteien bemühen sich, Siegesgewissheit zu verbreiten - mit Luftballons und Glückskeksen.

Von Gianna Niewel, Mainz

Julia Klöckner ruft sich auf Plakaten als "Unsere neue Ministerpräsidentin" aus, auch über der Geschäftsstelle der gegnerischen SPD steht "Wahlsiegzentrale". Doch der Wahlkampf hat aufgeräumt mit allem, was als sicher galt in den letzten 25 Jahren und in den vergangenen Wochen. 36 Prozent für die SPD, 35 Prozent für die CDU, sagen die jüngsten Umfragen. Samstagmorgen in Mainz: Eine Allee aus Bäumen und Schildern führt zum Gutenbergplatz. Die Piraten fordern einen transparenten Staat, die ödp mehr Personal für Bildung, auch die ALFA will irgendetwas. Aber auf sie kommt es nicht an.

Ein paar Meter weiter stehen die, auf die am Sonntagabend wohl auch Berlin schauen wird: Die SPD, die nach einem Vierteljahrhundert weiter in Rheinland-Pfalz regieren will - für die Genossen ist das Land eine ihrer letzten Bastionen. Und die CDU, die ebendiese Festung erobern will; Rheinland-Pfalz gilt schließlich als ihr einstiges Stammland. In Mainz stellen die Männer und Frauen von der SPD ihren Pavillion auf, die von der CDU spannen orange-weiße Schirme auf. Als die Sozialdemokraten die letzten roten Luftballons aufhängen, legen die Christdemokraten die letzten Kugelschreiber auf den Tisch. Die Wahlkämpfer beider Lager werden genau gleichzeitig fertig.

Im September schien alles eindeutig zu sein. Die rheinland-pfälzische CDU kam in Umfragen auf mehr als 40 Prozent, Klöckner war beliebt. Doch die Flüchtlingskrise hat nicht nur die Bevölkerung gespalten, Familien und Freundeskreise. Auch in der Union rumort es. Julia Klöckner, Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz und stellvertretende Parteivorsitzende in Berlin, sagt, sie stehe hinter dem Kurs der Kanzlerin, natürlich. Gleichzeitig wandte sie sich inhaltlich von Merkel ab, lud sogar Horst Seehofer nach Ludwigshafen ein.

C für christlich, K für Klöckner

Verspielte Klöckner leichtfertig eine sicher geglaubte Mehrheit? "Die Julia versucht sich als Vermittlerin", erklärt die junge Frau hinter dem CDU-Stand in Mainz. Klöckners Kurs sei kein Schlingern. "Sie tut eben nicht so, als gebe es einfach Antworten auf schwere Fragen". Und das käme nicht bei allen gut an. Die junge Frau, 19 Jahre alt, ist erst im vergangenen September in die Partei eingetreten. "Wegen dem C", sagt sie, das hätten ihr die anderen Parteien nicht geboten. C für christlich. Und wegen des K. K für Klöckner, "eine taffe Frau". Die Studentin wünscht sich, dass die Wahlbeteiligung gut ist, dass die Menschen in Rheinland-Pfalz aus der Hessen-Wahl lernen und am Sonntag ihr Kreuz machen. Und natürlich, dass es für die CDU reicht. Also verteilt sie Flyer, gibt Kulis aus, lächelt.

Gegenüber bei der SPD rollt ein älterer Herr, der früher Architekt war und jetzt Rentner ist, einen Bollerwagen heran: "Am 13. März deine Stimme für Malu" steht darauf. Er hat Glückskekse dabei, in denen sich normal chinesische Weisheiten verstecken und nun Sprüche aus dem Wahlprogramm der Partei. "Die Stimmung ist gut", sagt er, "und das liegt nicht nur am Wetter." Ministerpräsidentin Malu Dreyer lag in den Umfragen lange abgeschlagen hinter der CDU, in den vergangenen Wochen hat sie aufgeholt und überholt.

60 Seiten Wahlprogramm, kondensiert auf vier Buchstaben

Wahlkampf Rheinland-Pfalz

Ministerpräsidentin Malu Dreyer beim Straßenwahlkampf in Mainz.

(Foto: dpa)

Die SPD weiß um die Beliebtheit ihrer Spitzenkandidatin, das gesamte Programm ist auf sie zugeschnitten. Denn natürlich sind die Straßen in Rheinland-Pfalz marode, jede Woche fallen Hunderte Schulstunden aus, die Polizisten ächzen. Das Land wird älter und leerer, von der Herausforderung der Flüchtlingskrise gar nicht zu reden. Auf diese komplexen Themen antwortet die SPD mit einem mehr als sechzigseitigen Programm. Zusammengefasst hat die Antwort vier Buchstaben: Malu.

Wieso Malu? "Weil sie unser Land auf dem richtigen Kurs hält", sagt der Mann mit dem Bollerwagen, "weg von rechts." Erst am Donnerstag verweigerte Dreyer in einer Fernsehdebatte im SWR das Gespräch mit der AfD, während die Spitzenkandidaten aller anderen Parteien kamen. Dreyer schickte ihren Innenminister, der spulte nüchtern Zahlen ab. Klöckner hingegen kam selbst - und wirkte ihm überlegen. War das ein Fehler, der die SPD die Mehrheit kosten könnte? Schließlich wurde sie dafür selbst aus der eigenen Partei kritisiert. "Nein" sagt der Mann vom Wahlkampfstand. "Man darf der AfD kein Forum geben." Und deshalb hat er im Januar bei Eisregen plakatiert, hat an Haustüren geklingelt und diesen Wagen gebaut, aus dem er die Glückskekse verteilt. Auch die SPD ist optimistisch. Auch für sie geht es um jede Stimme.

Die dritte Partei, auf die am Sonntag alle schauen, steht nicht auf dem Gutenbergplatz. Die AfD hat ihren Stand vor einer Einkaufspassage, junge und nicht mehr ganz so junge Männer werben hier für ihren Spitzenkandidaten. "Mit Herz und Verstand für unser Land" steht auf den Plakaten, dahinter prangt das Hambacher Schloss, weht die Deutschlandfahne. Ein Student aus Bielefeld wartet darauf, mit Menschen reden zu können, er ist seit einigen Wochen in Mainz, um die Partei zu unterstützen. Doch viele Passanten wollen sich gar nicht austauschen, sie schütteln den Kopf, sie gehen weiter.

Wahlkampf unter Polizeischutz

Dafür schrieben ihn viele Menschen an, die eine "gefühlte Unsicherheit" beklagten, beteuert der Student, er beobachte "Sozialneid". Und eben jene Lücken, die die etablierten Parteien nicht stopfen könnten, fülle die AfD. Dass die AfD ihre Wähler abwerbe, sei vielen eben nicht recht. Derzeit kommt die Alternative für Deutschland in Umfragen auf neun Prozent. Regelmäßig, sagt er junge Mann, würde er als "Nazi" beschimpft, einmal habe die Polizei sogar den Wahlkampfstand schützen müssen. Erklären kann er sich das nicht.

Nur ein paar Meter weiter fängt die Gewerkschaftsjugend diejenigen ab, die am AfD-Stand vorbeimüssen, um in die Innenstadt zu kommen oder aus ihr heraus. Sie wolle die Wahl erleichtern, sagt eine junge Frau, und verteilt Gummibärchen. Dazu bekommen die Passanten einen postkartengroßen Faltzettel. "Mut zur Wahrheit" steht vorne drauf. "Die AfD ist nicht wählbar."

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