Lauter Beifall rauscht durch den Raum, die Menschen jubeln, viele halten ihre Hände in die Höhe. Die Anhänger von Sebastian Kurz (ÖVP) haben im Wiener Kursalon am Sonntagabend allen Grund zur Freude. Und das gleich doppelt. Als die erste Hochrechnung auch ein deutliches Plus für die rechtsradikale FPÖ prognostiziert, wird fast genauso laut wie bei den eigenen Ergebnissen geklatscht. Zeigt das schon eine klare Präferenz des Wahlsiegers für eine Koalition?
Ein Bündnis aus ÖVP und FPÖ steht Österreich bevor, da scheinen sich in Wien nun alle einig zu sein. Berührungsängste hat man bei der Party der konservativen ÖVP zumindest keine. "Warum denn auch?", heißt es von einer Dame mit Perlensteckern und türkisfarbenem Halstuch, die frenetisch in die Hände klatscht.
Sebastian Kurz hat die österreichischen Parlamentswahlen klar gewonnen. Mehr als 31 Prozent erreichte seine ÖVP, nach Auszählung der vielen Briefwahlstimmen diese Woche könnte das Ergebnis noch ein wenig steigen. Dahinter liegen - fast gleichauf - SPÖ und FPÖ. Auch hier werden die Briefwähler noch Klarheit im Endergebnis schaffen - wahrscheinlich mit etwas mehr Grund zur Freude für die Sozialdemokraten.
Für die Grünen hingegen müsste ein Wunder geschehen: Sie liegen derzeit unter der Vier-Prozent-Hürde. Das linke Lager in Österreich ist gehörig dezimiert, das Land mit voller Kraft nach rechts gesteuert. Eine rechtskonservative Verfassungsmehrheit wurde zwar verpasst, doch allzu weit weg ist sie nicht.
Rechnerisch wären Koalitionen des Siegers sowohl mit der SPÖ als auch mit der FPÖ möglich. Kurz selbst ließ im Wahlkampf klare Präferenzen erkennen. Eine gegenseitige, fast schon körperliche Abneigung zwischen ihm und SPÖ-Noch-Kanzler Christian Kern wurde bei mehreren TV-Konfrontationen sichtbar.
Kurz liebäugelte umso mehr mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Viele der klassischen Rechtspopulisten-Themen von Migration bis Islam übernahm die ÖVP im Wahlkampf - so offensichtlich, dass Strache am Sonntagabend im ORF sogar sagte: "Fast 60 Prozent der Österreicher haben das FPÖ-Programm gewählt." Thematisch scheint man sich schon mal einig zu sein.
Widerstand in der roten Hochburg Wien
Ein Bündnis aus ÖVP und FPÖ, eine schwarz-blaue Koalition also: In Wien seufzen abseits der ÖVP-Wahlparty einige, wenn sie das Stichwort hören. In der ersten Hälfte der Nuller Jahre regierte so ein Bündnis schon einmal, zahlreiche Korruptionsskandale beschäftigen die Gerichte bis heute. Die EU verhängte Sanktionen gegen Österreich. Damals etablierten sich die sogenannten Donnerstagsdemos, wöchentliche Protestkundgebungen gegen die Regierung von ÖVP und FPÖ.
Der Aufschrei scheint nun deutlich kleiner auszufallen. Am Wahlabend zogen 350 Menschen mit Transparenten durch die Innenstadt. Für die kommenden Tage sind weitere Demos angekündigt.
Der Widerstand gegen Bündnisse mit der FPÖ ist vor allem in der österreichischen Hauptstadt groß, die als weltoffene Metropole gilt. Wien ist eine rote Hochburg, auch jetzt votieren fast 35 Prozent (ohne Briefwahlstimmen) für die SPÖ, nur 21 Prozent für die ÖVP, 23 Prozent für die FPÖ.