Wahl in NRW:SPD im Rausch der Niederlage

Lesezeit: 2 min

Wieder wird die SPD keinen Ministerpräsidenten stellen, auch in Nordrhein-Westfalen hat sie eine Wahl verloren. Groß ist nur der Selbstbetrug.

Hans-Jürgen Jakobs

Wie sich die Bilder gleichen. Am 27. September 2009 war die SPD bei der Bundestagwahl abgestürzt, doch die Genossen jubelten ihrem Franz Müntefering zu, als sei er Papst geworden. Am Sonntag, nach dem Desaster der Landtagswahl, versetzte sich die Traditionspartei erneut in kollektive Feierlaune. Die SPD sei wieder da, jubelte Landeschefin Hannelore Kraft - dabei hatte sie gerade in Nordrhein-Westfalen das schlechteste Ergebnis seit 1954 eingefahren.

Daumen hoch: Spitzenkandidatin Hannelore Kraft feiert ihr Ergebnis bei den Landtagswahlen - dabei hatte sie gerade das schlechteste SPD-Ergebnis seit 1954 erzielt. (Foto: Foto: dpa)

Ausgerechnet im Stammland an Rhein und Ruhr büßte die Partei erneut 2,6 Punkte ein und kommt nur noch auf 34,5 Prozent. Ja, nicht einmal stärkste Fraktion wird die SPD im Düsseldorfer Landtag. Wie die Spitzenkandidatin Kraft in dieser Misere, wie am Montagmorgen geschehen, einen Führungsanspruch erheben kann, entzieht sich den Kategorien des Verstands. Das ist politischer Voodoo.

Als Erfolg gilt schon, wenn die anderen noch schlimmer scheitern. De facto haben die Sozialdemokraten nach dem Ende von Jürgen Rüttgers nur eine Chance, in Nordrhein-Westfalen ein paar Minister zu stellen: als etwas kleinerer Partner einer großen Koalition mit der CDU. Mit jener CDU, die einen Ministerpräsidenten den Sponsoren zum Gespräch anbot und die nun rasch einen neuen Spitzenmann braucht.

Das Bündnis mit der Union schließt SPD-Frau Kraft denn auch nicht aus. Sie sagt nur: "Dieser Ministerpräsident ist so deutlich abgewählt worden - wir haben einen klaren Führungsanspruch für dieses Land." Zugleich erklärt sie, was sie seit Wochen erklärt: Mit der Linkspartei nicht! Die Partei des Ex-SPD-Chefs Oskar Lafontaine hält sie für eine Chaostruppe.

Natürlich: SPD plus Grüne plus Linke, das würde reichen. Das wäre rechnerisch eine satte Mehrheit für die Politiker links von der Mitte. Aber nach all dem Linken-Bashing kann sich Hannelore Kraft nicht einmal tolerieren lassen. Dann wäre sie in der Falle der Andrea Ypsilanti, die sich in Hessen vor der Wahl auch klar gegen die Linke abgrenzte und sie dann doch für die Übernahme der Macht nutzen wollte.

Reaktionen auf die NRW-Wahl
:"Das System Rüttgers ist abgewählt"

Jubel bei Grünen, SPD und Linken, Fassungslosigkeit bei CDU und FDP: Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hat die Emotionen hochkochen lassen.

Die Ypsilanti-Frage lähmte die Partei monatelang. Sie trieb den damaligen Parteichef Kurt Beck ins Seitenaus. Sie machte die SPD zur Lachnummer. Eine Neuauflage dieser hessischen Verhältnisse kann in der SPD niemand wollen. Da kann Parteichef Sigmar Gabriel vor Selbstbewusstsein so sehr strotzen, dass die Knöpfe am Sakko platzen - die SPD ist nicht im Fahrersitz. Auch die aktuellen Philosophierereien der Generalsekretärin Andrea Nahles von einer "Regierungsbildungsmöglichkeit", die man auch nutzen werde, helfen in der Sache nicht.

Auch in Düsseldorf gilt das eherne politische Gesetz: Der Zweite kann nicht Erster sein. Selbst wenn es zu einer großen Koalition kommt, wird die Wahlverliererin Hannelore Kraft nicht Ministerpräsidentin - sondern das macht einer von der Union, der nicht Jürgen Rüttgers heißt. Theoretisch bliebe ihr noch - wenn sie nicht Ypsilanti II. werden will - der Versuch einer Ampelkoalition mit den Grünen und der FDP. Aber das wäre ein bisschen viel verlangt von den Liberalen.

Da würde sich vermutlich die Union schon leichter tun, zusammen mit dem langjährigen NRW-Partner und aktuellen Berlin-Gefährten FDP eine Triole wie im Saarland zu versuchen. Zumindest taugt diese Variante, um Druck auf die SPD auszuüben, dass sie in einer großen Koalition nicht keck wird und zu viele Ministerposten fordert.

Im Wahlkampf hat SPD-Landeschefin Kraft aus gutem Grund auf das Holzen gegen Rüttgers verzichtet. Im Hinterkopf hatte sie immer die Möglichkeit Rot-Schwarz, was ihr wohl auch lieb gewesen wäre. Nun wird es, nach Stand der Dinge, wie in Thüringen Schwarz-Rot.

Bald also wird in der umrauschten Sozialdemokratie Ernüchterung einsetzen. Wieder kein neuer Ministerpräsident oder Ministerpräsidentin aus den eigenen Reihen. Es reicht zum (kleineren) Partner im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland, das jahrelang von SPD-Kräften wie Heinz Kühn und Johannes Rau geprägt worden war. Und zum Verhindern der Steuerphantasien eines Guido Westerwelle.

Ansonsten: Warten auf bessere Zeiten.

© sueddeutsche.de/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: