Süddeutsche Zeitung

Wahl in Norwegen:Knapper Sieg für linke Regierung

Norwegens Premier Jens Stoltenberg hat mit der Bewältigung der Finanzkrise Wahlkampf gemacht. Das hat sich ausgezahlt.

G. Herrmann

Die norwegische Parlamentswahl nahm am Montagabend ein spannendes Ende. Die ersten Hochrechnungen nach Schließung der Wahllokale deuteten darauf hin, dass Ministerpräsiden Jens Stoltenberg weiterregieren kann - allerdings mit äußerst knapper Mehrheit. Zwei Nachwahlumfragen zufolge konnte seine Koalition aus Sozialdemokraten, Linkspartei und Zentrum mit 86 der 169 Parlamensmandate erringen. 83 Sitze fielen demnach den vier bürgerlichen Oppositionsparteien zu. Zweistärkste Kraft nach den Sozialdemokraten wurde die Fortschrittspartei mit mehr als 20 Prozent, gefolgt von der konservativen Partei Höyre.

Ministerpräsident Stoltenberg hatte im Vorfeld der Wahl angekündigt, er werde den bürgerlichen Parteien das Feld überlassen, sollte seine Koalition ihre Mehrheit im Storting verlieren. Am Wahlabend sah es nun so aus, als könne er noch eine zweite Amtsperiode regieren. Stoltenberg hatte im Wahlkampf vor allem die gute Bewältigung der Finanzkrise herausgekehrt. Dank großer Einnahmen aus dem Ölgeschäft ist Norwegen von der Krise nicht so stark betroffen wie andere Länder. In den vier Jahren seit Stoltenbergs Amtsantritt war die Arbeitslosigkeit in Norwegen sogar gesunken, sie liegt derzeit bei drei Prozent und ist damit die niedrigste Europas.

Opposition hat es nicht geschafft

Trotz dieser Erfolge gelang es den bürgerlichen Parteien, die Regierung in den vergangenen Wochen zu bedrängen. Die Umfragen zeigten zeitweise eine klare Führung für das Lager der Opposition. Allerdings sind die vier Parteien untereinander völlig zerstritten und konnten keine Regierungsalternative bieten. Sowohl Siv Jensen, Chefin der rechtspopulistischen Fortschrittspartei, als auch Erna Solberg von den Konservativen hatten Ansprüche auf das Amt des Premiers angemeldet.

Vor allem der umstrittenen Jensen war es nicht gelungen, sich mit den kleineren Parteien zu einigen. So hatten die Vorsitzenden der liberalen Venstre und der christliche Volkspartei eine Koalition mit der Fortschrittspartei ausgeschlossen. Die Fortschrittspartei wiederum erklärte, sie werde keine Regierung stützen, der sie nicht angehört.

Besonders schwierige Streitfragen waren für die Bürgerlichen Umweltschutz und Ausländerpolitik. Für Skepsis sorgte auch die Forderung der Fortschrittspartei, mehr von den Ölmilliarden des Landes direkt in Norwegen zu investieren. Alle anderen Parteien sind sich einig, dass der Großteil des Geldes im Ausland angelegt und für kommende Generationen gespart werden soll. Die konservativen Partei Höyre versuchte eine Mittlerrolle im bürgerlichen Lager einzunehmen und hielt sich ein Bündnis mit allen "nichtsozialistischen Parteien" offen. Offen war am Montagabend noch, ob die Partei Rot einen Sitz im Parlament gewinnen konnte. Die radikal linke Gruppierung ist aus marxistischen Parteien hervorgegangen.

Belastende Themen

Ein wichtiges Thema für eine zweite Regierung Stoltenberg wird sein, ob vor der Inselgruppe Lofoten Öl gefördert werden darf. Die Petroindustrie hat in diesem Sommer bereits geologische Untersuchungen vor den Lofoten durchgeführt. Für Umweltschützer ein Sakrileg: Die Inseln sind ein bekanntes Naturparadies und Urlaubsziel, außerdem sind die Gewässer wichtige Laichgründe für den Kabeljau. Andererseits gehen die Ölvorräte im südlichen Norwegen langsam zuneige und die Industrie braucht dringend neue Quellen.

Die Sozialdemokraten gelten als Befürworter neuer Ölbohrlizenzen. Allerdings versuchte die Parteiführung die Frage im Wahlkampf zu vermeiden. Man wolle erst das Ergebnis einer Umweltuntersuchung abwarten, hieß es. In Stoltenbergs Regierungsbündnis ist vor allem die Linkspartei strikt gegen die Förderung von Lofoten-Öl. Sie hat ihre Unterstützung für eine weitere Amtsperiode unter anderem davon abhängig gemacht, dass die Inselgruppe von der Petroindustrie verschont wird. Kaum diskutiert wurde im Wahlkampf über Norwegens Verhältnis zur EU. In den letzten Jahren galt die EU-Frage in Norwegen als tabu, denn die Bevölkerung hat bei zwei Referenden eine Mitgliedschaft abgelehnt.

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SZ vom 15.9.2009/vw
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