Wahl in Großbritannien:Konservativ, lesbisch, lustig

FILE PHOTO: Scottish Conservative Leader Ruth Davidson drives a Land Rover as she attends a campaign event at Perthshire Off Road, Scotland

Gut gelaunt und erfolgreich: die Schottin Ruth Davidson

(Foto: REUTERS)

Die britische Premierministerin strebt einen Deal mit der homophoben DUP an. Eine von Mays wichtigsten Parteikolleginnen findet das gar nicht gut - denn Ruth Davidson will bald selbst eine Frau heiraten.

Von Julia Ley

Theresa May und Ruth Davidson haben zwei Dinge gemeinsam: Sie sind weiblich und konservativ. Da hören die Gemeinsamkeiten zwischen der Premierministerin und der wichtigsten schottischen Konservativen aber auch schon fast wieder auf. Während May als kühl, nachtragend und verschlossen gilt, ist Parteikollegin Davidson nahbar und witzig. Und sie hat, im Gegensatz zu May, bei diesen Wahlen einen Erfolg eingefahren: In Schottland haben die Konservativen 12 Sitze hinzugewonnen.

Davidson steht also gerade gut da in der Partei, May eher nicht. Statt wie geplant mit einem gestärkten Mandat einen harten Brexit durchzuboxen, führt May nun eine Minderheitenregierung in die Verhandlungen. Um ihre Wahlversprechen umzusetzen, ist sie bei jeder Abstimmung auf die Stimmen von zehn Abgeordneten der nordirischen DUP angewiesen - und diese Partei gilt selbst manchen Konservativen als Vereinigung reaktionärer Spinner. In ihren Reihen sitzen Menschen, die gegen Schwule und Lesben hetzen und offen den Klimawandel leugnen.

Der von May angestrebte Deal ist Davidson, die offen lesbisch lebt und bald ihre Freundin heiraten will, ein Dorn im Auge. Verständlicherweise, denn die konservativen Tories sind - bei aller Härte in sozialen Belangen - in familienpolitischen Fragen ziemlich liberal. Die meisten Konservativen sind wie Davidson zwar bereit, den Deal mitzutragen, verlangen aber Garantien, dass die Rechte von Lesben, Schwulen und Transsexuellen nicht angefasst werden.

Und weil Davidson seit jeher aus ihren Überzeugungen keinen Hehl macht und May es sich gerade nicht leisten kann, sie zu ignorieren, übernahm sie es, diese von der Parteichefin einzufordern: "Ich habe ihr gesagt, dass es ein paar Sachen gibt, die mir wichtiger sind als die Partei", erklärte die Schottin nach dem Gespräch der BBC. "Eine ist das Land, eine andere sind LGBTI-Rechte."

May gilt als Verfechterin der Ehe für Alle

Offenbar ist Davidson mit ihren Bedenken, May könnte letzteres ihrem Machtwillen unterordnen, nicht allein. Ein anderer Tory-Abgeordneter schrieb auf Twitter: "Ich bin einer Partei beigetreten, die die Ehe für Alle eingeführt hat, sich für Bürgerrechte einsetzt und die Religionsfreiheit verteidigt. Bei diesen Prinzipien gibt es keine Kompromisse." Auf Facebook teilen Aktivisten Tipps, welche Paragraphen es jetzt zu verteidigen gilt.

Die Panik mag etwas übertrieben sein, denn May selbst gilt als Verfechterin der Ehe für Alle. Klar ist aber auch: May wird für die Unterstützung aus Nordirland einen Preis zahlen müssen. Wie genau der aussieht, ist noch nicht klar. Wahrscheinlich läuft es auf mehr Geld für Nordirland heraus und Zugeständnisse beim Brexit, denn wenn das Königreich aus der EU austritt, wird durch Irland eine der Außengrenzen der EU verlaufen. Und die DUP will unbedingt, dass das eine "weiche" Grenze bleibt.

Dass nun plötzlich eine derart reaktionäre Partei in der britischen Politik mitmischt, ist vielen Briten suspekt. Zumal viele offenbar erst einmal googeln mussten, wofür die drei Buchstaben, die May da auf einmal aus dem Hut zauberte, überhaupt stehen. Der Name "Arlene Foster", Vorsitzende der DUP, schoss am Freitag aus dem Nichts auf Platz drei der beliebtesten wahlbezogenen Google-Suchanfragen in England. Die Links, auf die sie stoßen, dürften bei vielen kalten Schweiß ausgelöst haben. Denn für die Briten muss es manchmal so wirken, als trennten sie von den Nordiren nicht nur die irische See, sondern eher ein paar Jahrhunderte.

Fünfmal haben Abgeordnete der DUP bisher ein Veto gegen ein Gesetz eingelegt, dass die Homoehe endlich auch in Nordirland legal machen soll. Und während die Partei offiziell kein Problem mit Homosexualität hat - sondern nur mit Schwulen und Lesben, die heiraten wollen - fallen Parteivertreter regelmäßig mit homophoben Kommentaren auf. Ian Paisley Junior, Sohn des Parteigründers, erklärte einmal, Homosexualität sei "unmoralisch, anstößig und abscheulich". Der frühere DUP-Gesundheitsminister in Nordirland, Jim Wells, meinte, die Homosexuellenlobby könne den Hals einfach nicht vollkriegen.

Bereits 1967 erlaubte Großbritannien Frauen, unter vergleichsweise einfachen Umständen abzutreiben. In Nordirland hingegen dürfen Frauen bis heute selbst dann die Schwangerschaft nicht beenden, wenn sie vergewaltigt wurden, das Kind schwerkrank ist oder es aus einem Inzest hervorging. Sogar der Oberste Gerichtshof Nordirlands sieht darin einen Verstoß gegen die Menschenrechte, die DUP will trotzdem, dass alles beim Alten bleibt.

Es ist nur zu verständlich, dass die Aussicht, dass die DUP nun bald gehörigen Einfluss auf die Politik im Königreich nehmen kann, für viele Briten wenig verlockend ist. Für den Moment bleibt ihnen wenig anderes übrig, als zu hoffen, dass Theresa May Wort hält. Denn die, so erzählt es Davidson, habe "kategorisch" versichert, dass bestehende Gesetze nicht angetastet werden.

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