Süddeutsche Zeitung

Wahl in Georgia:Triumph für Trump

Die Stichwahl in Georgia galt als Referendum über den US-Präsidenten - und endet mit einem Desaster für die Demokraten. Die Lehre aus dem Süden: Trump ist längst nicht so geschwächt, wie es sich viele wünschen.

Analyse von Matthias Kolb

Mit Inszenierung und Außenwirkung kennt sich Donald Trump bestens aus. Via Twitter bezeichnet der US-Präsident das Ergebnis der Stichwahl in Georgia als "riesigen Sieg für Präsident Trump und die Republikaner". Diese Formulierung stammt von Fox News, aber sie ist völlig korrekt: Der mit vier Prozentpunkten Vorsprung überraschend klare Wahlsieg der konservativen Kandidatin Karen Handel ist ein Triumph für Donald Trump und ein schmerzhafter Rückschlag für die Demokraten.

Von Beginn an ging es im Sixth District in Georgia vor allem um Symbolik, denn die Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus wäre auch im Falle einer Niederlage komfortabel geblieben. Doch in kaum einem Vorbericht fehlten Formulierungen wie "Referendum über Trump" oder "Abstimmung über die Arbeit des Präsidenten".

Die Demokraten hofften auf einen Erfolg in einem republikanisch geprägten Wahlkreis, um ihren Anhängern Mut zu machen für die Kongresswahlen 2018. Sie wollten all jenen Amerikanern, die seit Trumps Amtseinführung protestiert hatten, zeigen: Der Widerstand gegen den Präsidenten wirkt, auch Republikaner kommen ins Grübeln. Dieses Signal ist ausgeblieben. Der Richtungsstreit unter den Demokraten wird nun laut und verbissen ausgetragen werden.

Jon Ossoff, der liberale Kandidat, konnte mit Kleinspenden die pervers hohe Summe von 24 Millionen Dollar einwerben, während die Republikanerin Handel von vielen konservativen Super-PACs eine ähnlich hohe Summe erhielt (Super-PACs sind Wahlvereine, für die Privatpersonen und Firmen unbegrenzt spenden dürfen). Die Symbolik war offensichtlich. Und Trump twitterte triumphierend am frühen Morgen: Meine Partei hat alle fünf Nachwahlen gewonnen (dass es in Wahrheit nur vier von fünf sind, wird ihn nicht stören).

Weil in South Carolina ebenfalls ein Republikaner siegte, kontrolliert die Partei weiterhin 241 der 435 Sitze im Repräsentantenhaus. Das Ergebnis aus Georgia hat jedoch mehrere weitreichende Folgen:

Trumps Ego bleibt unbeschädigt. Dieses Ergebnis stärkt die Weltsicht des US-Präsidenten, der sich als Opfer einer "Hexenjagd" (Untersuchungen zu Russland-Connections und Justizbehinderung) sieht und Kritik als "fake news" abtut. Der Präsident hatte explizit für Karen Handel geworben und so selbst zum "Referendum über Trump"-Narrativ beigetragen - das Risiko hat sich gelohnt. Trump wird wohl unbeirrt weitermachen und nicht versuchen, seine Kritiker durch Kompromisse zu überzeugen. Seiner landesweiten Popularität wird das nicht helfen: Nach fünf Monaten im Amt ist diese niedrig: 40 Prozent bewerten seine Arbeit positiv, 55 Prozent sehen ihn negativ.

Rückenwind für Gegner von Obamacare. Die Wahl im Sixth District war nötig geworden, weil Tom Price zu Trumps Gesundheitsminister ernannt wurde. Price hatte jahrelang gegen die Obamacare-Krankenversicherung gewettert und soll nun "Abschaffung und Ersatz" umsetzen. Entsprechend prominent ging es im Wahlkampf um die "Trumpcare"-Reform, die das Repräsentantenhaus beschlossen hat und Millionen Amerikanern ihren Schutz wieder nehmen würde. Dass die Republikaner trotzdem gewonnen haben, zeigt also, dass genügend Konservative diese Reform zumindest zögernd unterstützen. Das Resultat ist ein gutes Argument für jene Republikaner, die das umstrittene Gesetzesprojekt weiter vorantreiben wollen.

Konzentration auf konservative Agenda. Mitch McConnell, der oberste Republikaner im Senat, möchte den Entwurf der Senatoren für die Obamacare-Reform noch vor dem 4. Juli durchbringen. Der Erfolg in Georgia wird hier als Beweis angesehen, dass die Stammwähler sich vor allem wünschen, die Agenda abzuarbeiten: Neben dem Gesundheitsthema geht es vor allem um eine Steuerreform, die äußerst kompliziert ist. Die Hoffnung: Wenn alles etwas ruhiger wird, dann lässt sich besser im Geheimen an den Gesetzesplänen arbeiten.

Erleichterung für Republikaner-Abgeordnete. Der Wahlkreis nördlich von Atlanta schien ideal für die Demokraten: Die Menschen haben ein extrem hohes Bildungsniveau und sehen Trump sehr skeptisch. Bei der Wahl im November hatte Trump nur 1,5 Prozentpunkte Vorsprung, der Abgeordnete Price hingegen 23 Zähler. Viele hatten also Trump nur widerwillig unterstützt - und hätte der junge Demokrat Jon Ossoff gewonnen, dann wäre dies für 50 bis 60 Republikaner aus ähnlichen Wahlkreisen ein Alarmsignal gewesen. Sie können sich - vorerst - sagen: Die Mobilisierung der eigenen Leute funktioniert weiterhin gut und nur weil manche Wähler Trump kritisch sehen, bedeutet das noch lange nicht, dass sie zu den Demokraten überlaufen und deren Kandidaten unterstützen.

Tiefe Sinnkrise für Demokraten. Ein Sieg in Georgia hätte die liberale Basis motiviert, mehr Spenden eingebracht und das schöne Narrativ "Trump verliert im tiefen Süden" geprägt. Daraus wird nichts und die nächste richtungsweisende Wahl findet erst im Herbst statt: Es ist die Gouverneurswahl in Virginia, wo die Demokraten aber seit Jahren stark sind.

Auf die Oppositionspartei kommt nun eine Richtungsdebatte zu, bei der drei Fragen zu klären sind: Wie hart soll Präsident Trump attackiert werden, wie wichtig sind eigene Politik-Vorschläge und wie weit soll die Partei nach links rücken? In Georgia hatte Jon Ossoff auf einen "zivilisierten Kurs" gesetzt und auf direkte Attacken gegen Trump verzichtet - auch zum Leidwesen seiner Anhänger. Dass der Demokrat Archie Parnell in South Carolina mit viel weniger Geld und einem klaren Anti-Trump-Kurs dem Sieg ebenso nah kam, wird jene beflügeln, die für eine klare Anti-Trump-Haltung stehen.

Es sind vor allem die Anhänger von Bernie Sanders, dem Herausforderer von Hillary Clinton im Vorwahlkampf 2016, die sich eine progressivere Ausrichtung wünschen - die Demokraten sollen etwa keine Spenden großer Firmen annehmen, um sich noch deutlicher von den Republikanern abzusetzen und als eine Art Arbeiterpartei neu zu erfinden. Dass es nicht reicht, nur "Trump ist böse" zu rufen, hat Sanders jüngst im SZ-Interview betont: "Wir müssen eigene progressive Vorschläge machen." Er fordert neben mehr Engagement gegen den Klimawandel auch einen deutlich höheren Mindestlohn sowie bezahlten Urlaub.

Ob dies die richtigen Themen sind und wie schnell sich so etwas umsetzen lässt (Auflagen und Vorgaben der Regierung werden von den Republikanern verteufelt), darüber wird nun wochenlang erhitzt gestritten werden. Falls sich Präsident Trump ein bisschen zurückhalten könnte, dann rückt die Zerstrittenheit der Opposition vielleicht bald deutlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

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