Wahl in Frankreich:Was Le Pen und Trump eint und trennt

Wahl in Frankreich: Streetart in Paris: Ein Graffiti zeigt Marine Le Pen und Donald Trump neben dem Schriftzug "Pride and Prejudice", zu deutsch "Stolz und Vorurteil".

Streetart in Paris: Ein Graffiti zeigt Marine Le Pen und Donald Trump neben dem Schriftzug "Pride and Prejudice", zu deutsch "Stolz und Vorurteil".

(Foto: AFP)
  • Die Rechtsextreme Marine Le Pen möchte von Donald Trumps überraschendem Wahlsieg in den USA profitieren und im Mai Frankreichs Präsidentin werden.
  • Trump und Le Pen haben viele inhaltliche und persönliche Gemeinsamkeiten.
  • Allerdings hat sich Le Pen in einem wichtigen Punkt für die entgegengesetzte Strategie entschieden.

Von Lilith Volkert

Mit einem Pappbecher in der Hand sitzt Marine Le Pen Mitte Januar an einem Tisch im Foyer des Trump Towers. Sie sei rein privat in New York, heißt es. Und doch hofft die Chefin des französischen Front National augenscheinlich auf ein Treffen mit dem Hausherrn. Donald Trump ist zu dieser Zeit gewählter, aber noch nicht vereidigter US-Präsident. Er hat ihr den Wunsch nicht erfüllt.

Ein kurzes Gespräch, ein gemeinsames Foto hätte der Französin viel bedeutet. Mit seiner Wahl hat Trump etwas geschafft, was kaum jemand für möglich gehalten hatte - und was Le Pen ihm im Mai nachmachen möchte. Auf ihrem Weg in den Elysée-Palast hofft sie auf Rückenwind aus den USA - auch wenn ihr Trumps bisheriger Kurs kaum nützen dürfte.

"Seit Trumps Wahl kopiert Marine Le Pen ihn systematisch", sagt Frank Baasner, Direktor des Deutsch-Französischen Instituts (DFI) in Ludwigsburg. Sie formuliert drastischer und schimpft noch mehr auf Justiz und Presse als bisher. Den "Mainstream"-Medien wirft sie vor, andere Kandidaten bevorzugt zu behandeln. Wenn Moderatoren sie bei einer TV-Debatte unterbrechen, inszeniert sie sich als Zensuropfer - auch wenn sie mit am meisten Redezeit in Anspruch nimmt.

Trump hat Immobilien geerbt, Le Pen eine Partei

Die Themen von Trump und Le Pen ähneln sich ohnehin. Der 70-jährige US-Amerikaner und die 48-jährige Französin haben so viele Gemeinsamkeiten, dass die Tageszeitung Le Monde die Frage stellte, ob sie nicht vielleicht Klone seien. Beide lehnen Einwanderung und den Islam ab. Sie lästern über die "Eliten" in der jeweiligen Hauptstadt, bewundern den russischen Präsidenten Putin und nehmen es in Geldfragen nicht allzu genau.

Was bei Trump "America First" heißt, nennt Le Pen "priorité nationale". Er will, dass sich die USA aus der globalisierten Welt zurückziehen, sie möchte Frankreich aus der EU führen. Beide sind rhetorisch geschickt und treten bodenständig bis burschikos auf. Und sie wurden stark von ihren Vätern geprägt: Trump hat ein Immobilienimperium geerbt, Le Pen eine rechtsextreme Partei.

Auch die Situation der Länder ist nicht unähnlich: Frankreichs Wirtschaft stagniert, Reformen werden nicht oder zu zaghaft umgesetzt. Es gibt auch in Frankreich ganze Gegenden, die vor dem wirtschaftlichen Aus stehen. Immer mehr Menschen haben Angst vor der Zukunft und fühlen sich von Politikern nicht mehr verstanden. Sie sind die Korruptionsskandale und leeren Versprechungen müde.

Allerdings unterscheiden sich Marine Le Pen und Donald Trump in einem wesentlichen Punkt. Trump hat viele Wähler mobilisiert, weil er als Quereinsteiger in die Politik kam und auf allen Ebenen mit Konventionen brach. Er provozierte, beleidigte und forderte das System heraus.

Marine Le Pen? Kennt er nicht

Marine Le Pen hat nicht nur jahrelange Erfahrung als Politikerin, sie hat sich auch bewusst für die entgegengesetzte Strategie entschieden: Seit sie 2011 Parteichefin geworden ist, hat sie die "Entdämonisierung" der Partei vorangetrieben, die alten Haudegen durch junge, alerte Berufspolitiker ersetzt, deren Rhetorik glatt gebürstet, Auftritt und Kommunikation professionalisiert. Das Ziel: Aus dem Front National eine "normale" Partei zu machen, die auch gemäßigte konservative Franzosen anspricht.

Ihren Vater Jean-Marie Le Pen - der Trump mit seiner Uneinsichtigkeit und Provokationslust ähnelt - hat sie wegen seiner wiederholten antisemitischen Ausfälle aus der Partei ausschließen lassen. Der Versuch, sich vom alten Front National zu distanzieren, geht so weit, dass in diesem Wahlkampf weder das Parteilogo noch der Name Le Pen auf Plakaten zu sehen sind. "Marine présidente" ist ihr Slogan, dazu eine blaue Rose. In Umfragen liegt sie seit Monaten relativ stabil bei etwa 25 Prozent.

Trump schadet Le Pen mehr, als er ihr nützt

Noch dazu hat Trumps Wahl in Frankreich Spuren hinterlassen. Obwohl Jean-Marie Le Pen es vor 15 Jahren überraschend in die Stichwahl ums Präsidentenamt geschafft hat, galt bisher das Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf: Ein rechtsextremer Politiker im Elysée-Palast war schlicht undenkbar. Trumps vollkommen unerwartete Wahl war für die Franzosen ein heilsamer Schock. Kandidaten wie Emmanuel Macron und François Fillon bemühen sich seitdem deutlich mehr um die bislang vernachlässigten Wähler außerhalb der großen Ballungszentren.

Entscheidend dürfte aber ein anderer Punkt sein: Die Franzosen wählen ihr Staatsoberhaupt direkt, nicht über Wahlmänner. Wäre das in den USA genauso, wäre Hillary Clinton jetzt US-Präsidentin. Für einen Sieg braucht Marine Le Pen in der Stichwahl die Hälfte der abgegebenen Stimmen. Wahlberechtigt sind 47 Millionen Franzosen, es wird mit einer hohen Wahlbeteiligung gerechnet. Der Front National hat eine stabile, aber begrenzte Stammwählerschaft. 2012 bekam Le Pen in der ersten Runde 6,4 Millionen Stimmen, damals absoluter Rekord für ihre Partei. Nun ist die Frage, wie viele weitere Wähler sie überzeugen kann.

Auf unentschlossene Franzosen dürften die chaotischen ersten Wochen von Trumps Amtszeit jedenfalls eher abschreckend wirken. "Mit seiner bisherigen Politik schadet Donald Trump Marine Le Pen mehr, als dass er ihr nützt", sagt Frank Baasner vom DFI. Wer in die USA blicke, sehe bisher nur Peinlichkeiten und gescheiterte Projekte.

Mit direkter Wahlkampfhilfe aus den USA kann Marine Le Pen auch nicht rechnen. Befragt, ob ein Sieg Le Pens in Frankreich seine Politik bestätigen würde, sagte Trump vergangene Woche der Financial Times: "Ich weiß nicht, ich kenne Marine Le Pen nicht. Ich habe sie nie getroffen. Aber es wird sicher eine interessante Wahl."

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