Süddeutsche Zeitung

Wahl in Frankreich:Nur dieser Mann kann Marine Le Pen noch stoppen

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Der Elite-Student und frühere Banker Emmanuel Macron ist die Überraschung des französischen Wahlkampfs. Er könnte auch die Deutschen vor einer Katastrophe bewahren.

Von Christian Wernicke

Es ist sein Ritual, vor jedem Auftritt. Ehe Emmanuel Macron den Saal betritt, tastet das bunte Licht der Scheinwerfer das Publikum ab. So, als suchten sie Frankreichs neuen Helden in der Menge. Dazu erschallt ein Jingle, mit lautem Schlagzeug und draller Trompete. Die Töne stammen von der norwegischen Kultband "Lemaitre", der Titel passt zum Einzug des Gladiators: "Closer".

Denn Emmanuel Macron, der Star des französischen Präsidentschafts-Wahlkampf, will seinen Fans näher kommen. Also stürmt er vor jeder Rede erst einmal durch den Saal. Er schüttelt Hände, umarmt, verteilt Küsschen. Und ist dann plötzlich wieder weg: Weil fast immer mehr Franzosen zu seinen Events kommen, als überhaupt ins örtliche Kongresszentrum oder Stadttheater passen, eilt Macron vor die Tür - und herzt all jene, die leider draußen bleiben müssen. "Aber Ihr alle könnt sagen, Ihr seid dabei gewesen", hat er neulich in Lyon seinen ausgesperrten Anhänger vor den Toren des Sportpalastes zugerufen.

Der Mann strotzt vor Selbstbewusstsein. Im Alter von nur 39 Jahren traut sich der parteilose Sozialliberale zu, das zuletzt als "reformunfähig" in Verruf geratene Frankreich zu erneuern und aus der Krise zu führen. Macron ist der einzige unter den insgesamt elf Präsidentschaftskandidaten, bei dessen Kundgebungen die Anhänger neben der Trikolore auch die blaue Europa-Fahnen schwenken.

Der Pro-Europäer Macron ist Deutschlands größte Hoffnung in dieser Wahlschlacht. Frankreichs Linke ist zerstritten, und der konservative Republikaner Francois Fillon - zu Jahresbeginn noch haushoher Favorit für die Nachfolge des verzagten Francois Hollande - hat seine Chancen mit der Finanzaffäre um die mutmaßliche Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau ruiniert. Bleibt Macron: Der Elite-Student und frühere Banker ist der letzte Mann, der den Vormarsch von Marine Le Pen, der Europa-Gegnerin und Chefin des rechtsextremen Front National, verhindern kann.

Gewinnt Le Pen die Wahl, will sie per "Frexit" EU und Euro zerschlagen. Macron hingegen möchte mehr Europa. Wäre schon morgen - und nicht erst am 23. April - der erste Wahlgang, kämen beide laut Umfragen auf jeweils 26 Prozent der Stimmen. Das Duell um den Élysée-Palast am 7. Mai würde sich zuspitzen zum Showdown zwischen der Nationalistin und dem Europäer.

Es gibt Macron-Fans, die erkennen in ihrem Idol einen "französischen Obama". Der Politiker selbst scheut den Vergleich. Hält er, was Pappschilder bei seinen Kundgebungen versprechen - "Macron = Obama"? Es klingt kühn, wie dieser frühere Wirtschaftsminister und politische Zögling von Amtsinhaber Hollande seinen Landsleuten "eine Kulturrevolution" verheißt. Sich selbst nennt er gar "den wahren Machtwechsel".

Macron, der Favorit der Mittelschicht und der Stadtbürger, sucht neue Wähler. Auf dem Land, in den Vorstädten. Unterwegs mit Macrons Karawane trifft man auf Franzosen, die die Nase voll haben von den etablierten Parteien, von Republikanern wie Sozialisten. Wer wird gewinnen? Ein Viehzüchter zeigt sich zwar beeindruckt von Macrons magischem Talent als Zuhörer. Und doch zaudert der Bauer: Nein, er wisse noch nicht, ob er den smarten Aufsteiger wählen werde. Was wohl heißt: Auch Le Pen könnte seine Stimme kriegen.

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