Wahl in Frankreich:Frankreich wählt den Gegner der rechtsextremen Marine Le Pen

Alain Juppé und Nicolas Sarkozy

Ex-Premier Alain Juppé (links) und Ex-Präsident Nicolas Sarkozy gelten als Favoriten der Vorwahl

(Foto: AFP)
  • Eine Urwahl bestimmt, wer für die konservative Partei bei der Präsidentschaftswahl antritt.
  • Alle Franzosen können teilnehmen. An diesem Sonntag findet die erste Runde statt.
  • Viele Franzosen befürchten, die Rechtsextreme Marine Le Pen könnte in die Stichwahl kommen. Der Kandidat der Republikaner ist voraussichtlich ihr Gegner.

Von Lilith Volkert

Sieben Politiker streiten sich zur besten Sendezeit über die 35-Stunden-Woche, die Chancen der Digitalisierung und eine Schulreform. Und niemand nennt den Namen der Frau, an die jeder denkt und die gerade jeder fürchtet: Marine Le Pen, die Chefin des rechtsextremen Front National. Auch beim dritten TV-Duell der französischen Konservativen vor ihrer Urwahl ging es viel um Details und wenig um die eine, große Frage. Wie lässt sich ein Wahlergebnis wie in den USA verhindern?

Zum ersten Mal lässt Frankreichs bürgerlich-konservatives Lager das Volk über seinen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2017 entscheiden. Gegen eine Gebühr von zwei Euro kann jeder Franzose an der Urwahl teilnehmen. Diesen Sonntag treten sieben Kandidaten an, kommende Woche findet die Stichwahl statt. Aussicht auf Erfolg haben nur altbekannte Spitzenpolitiker: Vermutlich machen Ex-Präsident Nicolas Sarkozy und Ex-Premier Alain Juppé die Sache unter sich aus. Aber auch Ex-Premier François Fillon hat noch Chancen.

Bisher gingen viele in Paris davon aus, dass nach der Vorwahl der Konservativen schon der Name des nächsten Präsidenten bekannt ist. Die Sozialisten würden es nach der für viele enttäuschende Präsidentschaft von François Hollande nicht mal in die Stichwahl schaffen, so die Überlegung. Und die rechtsextreme Marine Le Pen würde dem konservativen Kandidaten dann in der zweiten Runde deutlich unterliegen. Genau wie ihr Vater Jean-Marie Le Pen 2002 gegen Jacques Chirac.

Diese Gewissheit ist weg. Wenn Donald Trump ins Weiße Haus einziehen kann, glauben viele Franzosen, dann ist auch eine Rechtsextreme im Elysée-Palast nicht mehr undenkbar. Umso wichtiger erscheint es nun, dass der konservative Kandidat Marine Le Pen so verlässlich wie möglich besiegen kann - auch wenn man ihr offenbar nicht die Ehre erweisen will, dieses Problem offensiv im Fernsehen zu diskutieren.

Nicolas Sarkozy und Alain Juppé, die beiden aussichtsreichsten Kandidaten, verfolgen ganz unterschiedliche Ansätze im Umgang mit den Rechtsextremen. Sarkozy, der von 2007 bis 2012 schon einmal Präsident war, polarisiert, wo immer es geht. Seine Lieblingsthemen sind Innere Sicherheit, Terrorismus, Einwanderung. Seit Neuestem setzt er verstärkt auf eine Anti-Eliten-Stimmung und aggressive Rhetorik à la Trump. Er möchte Le Pen Wähler abspenstig machen, indem er ihre Themen besetzt. Diese Taktik der schlechten Kopie hat schon in seinem letzten Wahlkampf nicht funktioniert, dafür aber rechtsextreme Parolen salonfähig gemacht.

Außerdem braucht der konservative Kandidat in der Stichwahl im Mai auch die Stimmen der gemäßigten Linken, um gegen Le Pen zu gewinnen. Sarkozys rechter Kurs würde dies erschweren. Dem 61-Jährigen droht zudem ein Prozess wegen illegaler Kampagnenfinanzierung, auch erinnern sich die Franzosen nur zu gut an seine ruppige Art als Präsident. Dafür hat er einen harten Kern treuer Anhänger. In den Umfragen hat er zuletzt aufgeholt.

Wie viele Linke gehen an diesem Sonntag wählen?

Bisheriger Favorit ist Alain Juppé, der Bürgermeister von Bordeaux und einer der beliebtesten Politiker des Landes. Er tritt versöhnlich und optimistisch auf, wirkt staatsmännisch, aber auch etwas langweilig. Juppé ist seit 40 Jahren Teil des Pariser Politikbetriebs, er war schon Premier-, Verteidigungs- und zweimal Außenminister. Dass der 71-Jährige bei vielen als Hoffnungsträger gilt, ist so, als würde in Deutschland Wolfgang Schäuble für frischen Wind in der Politik stehen.

Eines von Juppés Lieblingsthemen ist die von Sarkozy viel verspottete "identité heureuse", die glückliche Identität: Das Land solle nach Jahren der Krise wieder zu sich selbst finden - Franzosen aller Hautfarben und Religionen eingeschlossen. Angesichts der Flüchtlingskrise und Terrorgefahr warnt Juppé vor Hysterie, von vielen wird er deshalb als wohltuend gemäßigte Stimme empfunden.

Juppé hat aber auch äußerst unbeliebte Pläne, er will etwa die 35-Stunden-Woche lockern und das Rentenalter erhöhen. 1995 hat ein Generalstreik gegen seine Reformpläne das ganze Land lahm gelegt. Es ist fraglich, ob seine Ideen 20 Jahre später, in einem wirtschaftlich geschwächten und in seinem Ego verletzten Land, besser ankommen würden. Dass Juppé wegen Korruption im Amt vorbestraft ist, sieht er selbst gelassen. Es sei besser, die Verurteilungen hinter sich als vor sich zu haben, verkündet er mit einem Seitenhieb auf Sarkozy.

François Fillon, der unter Sarkozy Premierminister war, hat zuletzt in den Umfragen aufgeholt. Er hat das radikalste Wirtschafts- und Sparprogramm aller sieben Kandidaten vorgelegt, möchte mehr als 500 000 Beamtenstellen streichen, die Mehrwehrsteuer erhöhen und die Lohnnebenkosten drastisch senken. Wer am Sonntag das Rennen macht, hängt nicht nur davon ab, wie viele Anhänger die jeweiligen Kandidaten mobilisieren können - sondern auch, wie viele linke Wähler an die Urne gehen, um Sarkozys Kandidatur zu verhindern. Mit drei bis sechs Millionen Teilnehmern rechnen die Umfrageinstitute.

Am Mittwoch hat zudem Emmanuel Macron seine Kandidatur angekündigt. Der 38-jährige Sozialist war bis August Wirtschaftsminister in Hollandes Kabinett, nun tritt er mit der neu gegründeten Bewegung "En marche" bei der Wahl an. Dass er tatsächlich Erfolg hat, ist eher unwahrscheinlich. Doch er könnte anderen gemäßigten Kandidaten entscheidende Stimmen nehmen.

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