Wahl in Frankreich:Durchatmen in Brüssel

EU-Fahnen

Mit Emmanuel Macron wird ein überzeugter Europäer neuer französischer Staatspräsident.

(Foto: dpa)

Nach dem Triumph des Europafreundes Macron zeigen sich die EU-Institutionen erleichtert. Doch einfach wird es mit dem Sozialliberalen nicht. Seine Ideen sind herausfordernd.

Analyse von Alexander Mühlauer

Natürlich ist da die Freude, was denn sonst? Endlich hat einer gewonnen, der sich klar zu Europa bekennt. Einer, der Brüssel nicht als Feindbild benutzt. Einer, der auch im Wahlkampf nicht davor zurückschreckte, die Europaflagge zu schwenken. Im Gegenteil: Mit Emmanuel Macron wird ein überzeugter Europäer neuer französischer Staatspräsident.

Auch wenn die Umfragen dieses Ergebnis erwarten ließen, so ganz sicher konnte man nicht sein. Schon gar nicht in Brüssel, wo die Politiker und Beamten spätestens seit dem Brexit-Votum ein latentes Misstrauen gegenüber Meinungsforschern entwickelt haben. Und so konnte man in den Tagen vor der Präsidentschaftswahl eine ziemlich große Nervosität spüren. Denn diesmal schien sie wirklich auf dem Spiel zu stehen, die Zukunft der Europäischen Union.

Und jetzt? Erstmal durchatmen.

EU-Ratspräsident Donald Tusk gratuliert am Sonntagabend dem französischen Volk, das sich für "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" und nicht für "Tyrannei und Fake News" entschieden habe. Auch im Europaparlament überwiegt die Erleichterung. "Es war eine Wahl pro Europa, pro Reformen und pro Zukunft", sagt Manfred Weber, der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei. Die Menschen seien bereit, Extremismus und Populismus die Stirn zu bieten, erklärt der CSU-Politiker.

Auch Jens Geier, der Vorsitzende der Europa-SPD, ist froh: "Das weltoffene und fortschrittliche Frankreich ist mit einem blauen Auge davongekommen." Wir Pro-Europäer sollten aber nicht ignorieren, dass Millionen Stimmen an die rechtsradikale EU-Feindin Le Pen gegangen seien, mahnte der SPD-Mann.

Juncker hatte Macron schon vor zwei Wochen gratuliert

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte Macron schon nach dem ersten Wahlgang vor zwei Wochen gratuliert. Der Luxemburger machte keinen Hehl daraus: Er setzt voll und ganz auf Macron. Kein Wunder, denn mit einer Präsidentin Marine Le Pen hätte Juncker seine Arbeit wohl einstellen können. Im März hat er ein Weißbuch zur Zukunft der EU vorgelegt, das nach einem Sieg Le Pens obsolet gewesen wäre. Wenn man so will, hat die Wahl in Frankreich nun entschieden, dass seine Behörde weiter gebraucht wird. In seinem Glückwünsch-Brief an Macron schreibt Juncker deshalb am Sonntagabend, dass er froh sei, dass er die Ideen, die Macron für ein starkes Europa hab,befürworte.

In Brüssel wird bereits an die Zeit nach September gedacht. Nach den deutschen Bundestagswahlen soll der deutsch-französische Motor endlich wieder laufen. Ohne Einvernehmen zwischen Paris und Berlin läuft in der EU erfahrungsgemäß wenig. Wenn aber nach der Bundestagswahl Kanzlerin Angela Merkel oder Martin Schulz zum neuen Kanzler bestimmt worden ist, dann soll das neue Duo mit Macron tatsächlich wieder etwas bewegen.

Doch bei aller Euphorie - einfach wird das nicht. Denn ob der neue französische Präsident seine politischen Ideen überhaupt umsetzen kann, ist fraglich. Er wird Kompromiss eingehen müssen, weil er sonst im französischen Parlament scheitern würde, bei dessen Wahlen im Juni seine Bewegung En Marche kaum eine Mehrheit erringen dürfte. In Brüssel hofft man deshalb auf eine "große Koalition der Vernunft", die Frankreich wieder als entscheidenden Akteur auf die europäische Bühne zurückbringt. Auch Deutschland hat kein Interesse an einem schwachen Frankreich. Die Bundesregierung setzt darauf, dass Macron das Land reformiert und so wieder zu Wachstum findet.

In Brüssel ist die Hoffnung groß

Der für Wirtschaft und Währung zuständige französische EU-Kommissar Pierre Moscovici gibt Macron einen Rat: "Frankreich muss zuerst Glaubwürdigkeit herstellen." Dies bedeute, dass Paris die Kriterien des Stabilitätspakts wieder einhält. Der sozialistische Kommissar ist überzeugt: Erst wenn Frankreich zeige, dass es die Regeln respektiere, könne es auf Augenhöhe mit Deutschland verhandeln und wieder eine Führungsrolle in der EU übernehmen.

In Brüssel ist die Hoffnung groß. Beim Kampf gegen den Terror, in der Verteidigungspolitik und dem Schutz der EU-Außengrenzen dürfte es wenig Konflikte zwischen Berlin und Paris geben. Ganz anders in der Frage, wie die Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion aussehen soll. Macron hat viele Ideen, die im Berliner Kanzleramt auf heftigen Widerstand stoßen. Der neue französische Präsident will einen eigenen Haushalt für die Euro-Zone schaffen - samt Euro-Finanzminister und Parlament für den Währungsraum. Die Verteilung von Geld will er nicht nur an die Einhaltung fiskalpolitischer Regeln knüpfen, sondern auch an sozialpolitische Maßnahmen. Wie er sich das genau vorstellt, muss er noch erklären. Sein Wahlprogramm bleibt in dieser Frage sehr allgemein.

Für solch weitreichende europapolitische Reformen wären auf jeden Fall EU-Vertragsänderungen nötig, die auch in Frankreich ein Referendum mit all seinen Unwägbarkeiten nach sich zögen. Allein deshalb seien diese Vorschläge unrealistisch, heißt es in Berlin. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will erst, dass Frankreich, Italien und andere EU-Staaten ihre Schuldenlast reduzieren, bevor über eine weitere Vergemeinschaftung gesprochen wird. Diese Haltung sieht Ska Keller, die Vorsitzende der Grünen im Europaparlament, als Problem: "Macron kritisiert zu recht Deutschlands rigide Spardogmatik." Die Bundesregierung müsse nun ihren Teil zu mehr europäischen Geist beitragen und gemeinsam mit Macron für mehr Solidarität in der Union sorgen.

Macron wird kein einfacher Partner

Zwei Projekte sind es, die aus Brüsseler Sicht vorangetrieben werden könnten: ein gemeinsamer Haushalt für die Euro-Zone und ein Europäischer Währungsfonds, den auch Schäuble will. Wobei die Frage, wie dieser ausgestaltet werden soll, für harte Debatten zwischen Deutschland und Frankreich sorgen dürfte. Wie hart diese werden, hängt natürlich davon ab, wer künftig in Berlin regiert. Heißt der nächste Kanzler Schulz, dann dürfte Macron mit vielen Vorschlägen offene Türen einrennen. Wobei selbst der SPD-Kanzlerkandidat weiß, dass die Mehrheit der Deutschen nichts weniger abkann, als das Gefühl, dass sie nur Geld nach "Brüssel" überweisen, während andere weiter Schulden machen.

Fest steht, dass Macron nicht der einfache Partner würde, den sich in Berlin so mancher ersehnt. Seine Ideen sind herausfordernd. Er fordert das, was die EU-Kommission und der Internationale Währungsfonds (IWF) schon lange sagen: Deutschland soll mehr investieren. Und dann gibt es natürlich noch die Frage, wie es Macron mit dem Handelsüberschuss der Bundesrepublik hält, den er im Wahlkampf kritisiert hat? Wird er sich mit der Brüsseler Kommission verbünden, die den deutschen Überschuss seit Jahren beklagt, dabei aber nichts erreicht hat, da ihr mächtige Verbündete in den Mitgliedsstaaten fehlen? Oder wird Macron sich eher Schäuble anschließen, der eine stärkere zwischenstaatliche Kooperation fordert und die Macht der Kommission beschneiden will?

In Paris ist noch vieles vage, zumal Macron eine Konsultationsphase von sechs bis zehn Monate in allen EU-Staaten vorschlägt. Sie soll eine Roadmap hervorbringen, die in einem Fünf-Jahres-Plan für Europa münden würde. Spätestens dann muss Macron Ergebnisse vorlegen können, denn in Frankreich wird 2022 wieder gewählt.

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