Wahl in der Türkei:Erdoğans AKP erobert absolute Mehrheit

People wave flags and hold a portrait of Turkish President Tayyip Erdogan outside the AK Party headquarters in Istanbul

Erfolg für die AKP: Erdoğan-Fan vor der Parteizentrale der Präsidentenpartei in Istanbul

(Foto: Osman Orsal/Reuters)
  • AKP steuert nach Wahl in Türkei auf absolute Mehrheit zu.
  • Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten in Diyarbakir

"Elhamdülillah..." kommentierte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu am Sonntagabend auf Twitter den sensationellen Wahlerfolg seiner islamisch-konservativen AKP. Auf Deutsch heißt das "Gelobt sei Gott...". Dem und seinen treuen Anhängern kann die regierende AK-Partei des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan danken. Schließlich eroberte sie bei der Parlamentswahl laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu und den Zahlen von CNN Türk die absolute Mehrheit. Nach Auszählung von fast allen Stimmen kommt die AKP auf einen Anteil von 49,36 Prozent. Damit käme sie auf 316 Sitze im Parlament, deutlich mehr als die für die absolute Mehrheit benötigten 276 Mandate. Ein großer Erfolg für Erdoğan, der seine Befugnisse per Verfassungsreform ausweiten will.

Die säkulare, nationalistische, aber irgendwie sozialdemokratische CHP kam den Hochrechnungen zufolge auf 25,45 Prozent der Stimmen. Die prokurdische HDP schnitt schlechter ab als bei der Wahl im Juni, schaffte aber mit 10,61 Prozent erneut den Einzug ins Parlament. Die ultranationalistische MHP verbuchte ebenfalls Verluste, sie landete bei etwa zwölf Prozent und erhielt damit fünf Prozentpunkte weniger als vor fünf Monaten.

Präsident Erdoğan hatte die Neuwahl angesetzt, weil nach der Wahl im Juni keine Koalition zustande gekommen war. Damals war Erdogans AKP zwar die mit Abstand stärkste Kraft geblieben, hatte aber erstmals seit 13 Jahren ihre absolute Mehrheit eingebüßt. Die HDP schaffte es damals zum ersten Mal ins Parlament und nahm der AKP entscheidende Sitze ab.

Warum es zur Neuwahl kam

Die Türken wählten zum zweiten Mal binnen fünf Monaten ein neues Parlament. Bei der Abstimmung im Juni war die AKP zwar die mit Abstand stärkste Kraft geblieben, hatte aber erstmals seit 13 Jahren ihre absolute Mehrheit verloren.

Damit scheiterte auch Erdoğans Plan, per Verfassungsreform ein Präsidialsystem mit sich selbst an der Spitze einzuführen. Die prokurdische Partei HDP schaffte es damals zum ersten Mal über die Zehnprozenthürde und nahm der AKP entscheidende Sitze ab. Als keine Koalition zustande kam, setzte der Präsident die Neuwahl an.

Aufgeheizte Atmosphäre

Die jüngste Abstimmung fand in einer äußerst aufgeheizten politischen Atmosphäre statt. Nach dem deutlichen Vorsprung der AKP ist es in der Kurdenmetropole Diyarbakir zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Die Polizei setzte am Sonntag Tränengas gegen eine Gruppe ein, die sich vor dem zentralen Gebäude der pro-kurdischen HDP versammelt hatte und gegen die Teilergebnisse der Wahl protestierte. Einige Demonstranten warfen Steine.

Bereits nach der Wahl im Juni war der Konflikt der Regierung mit den kurdischen Rebellen blutig eskaliert. Der Bürgerkrieg in Syrien erreichte die Türkei nicht nur durch hunderttausende Flüchtlinge, die in dem Nachbarland Zuflucht gesucht haben. Auch die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) verübte mehrere Anschläge.

Vor allem der Anschlag auf eine Friedensdemonstration in Ankara am 10. Oktober mit 102 Toten erschütterte das Land tief. Viele Beobachter befürchten, dass die neuerliche Parlamentswahl die tiefe politische Spaltung des Landes nicht beenden wird.

Wegen der Spannungen und aus Angst vor neuen Anschlägen wurde der Urnengang von fast 400 000 Sicherheitskräften abgesichert. In der mehrheitlich von Kurden bewohnten Stadt Diyarbakir und im gesamten Südosten der Türkei bezog die Polizei mit gepanzerten Fahrzeugen vor Wahllokalen Stellung.

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