Wahl in der Hauptstadt:Allein Wowi ist sich sicher

Die Linke bekommt vergiftetes Lob, die FDP kämpft ums Überleben. Die Grünen sind schon vorher enttäuscht, die CDU gibt sich entspannt. Die Parteien diskutieren, was die Abgeordnetenhauswahl in Berlin für die Bundespolitik bedeutet. Und was macht Klaus Wowereit? Der ist sich sicher, dass er Regierender Bürgermeister bleibt. Fragt sich nur, wie lange.

Nico Fried

Die Kleinsten finden wahrscheinlich die größte Beachtung. Natürlich wird am Sonntag formal nur das Berliner Landesparlament gewählt. Aber die bundespolitische Bedeutung hat zuletzt durch die Querelen in der Koalition erheblich zugenommen. Und die kleinste der Bundesparteien ist derzeit - nach Umfragen - mit großem Abstand die FDP. Besser gesagt: mit großem Rückstand.

Wahlsendung des RBB

Zwischen Siegesgewissheit und dem Kampf um jede Stimme: Die Spitzenkandidaten für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus: Frank Henkel (CDU, v.l.), Renate Künast (Grüne), Harald Wolf (Linke), Christoph Meyer (FDP) und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD).

(Foto: dapd)

Wie sich der Streit um den Euro und die Profilierungsversuche des liberalen Führungspersonals um Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und den bislang mindestens genauso glücklosen Generalsekretär Christian Lindner auswirken werden, ist offen. Eine bundesweite Umfrage der ARD sah die FDP am Freitag bei fünf Prozent, was verglichen mit noch schlimmeren Werten in den vergangenen Wochen sogar eine kleine Verbesserung bedeutete. In Berlin wiederum veröffentlichte eine Zeitung ebenfalls am Freitag die letzte demoskopische Erhebung vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus, in der die Liberalen nur noch bei zwei Prozent landeten. Tiefststand.

Zwei Szenarien sind denkbar: Entweder die FDP kommt, was wahrscheinlich ist, nicht mehr ins Parlament. Dann wird es am Montag auch in der Bundeszentrale heftige Debatten um den weiteren Kurs der Partei und deren Rolle in der schwarz-gelben Koalition geben. Selbst das erst jüngst eingewechselte Führungspersonal müsste sich heftiger Kritik erwehren. Trotzdem steht ein erneuter Wechsel an der Spitze nicht wirklich zur Debatte, allein schon weil es keine personellen Alternativen gäbe. Jedenfalls keine frischen. Auch ist es unwahrscheinlich, dass sich alsbald jene wenigen Liberalen durchsetzen, die auf ein Ende der Koalition dringen, weil sie glauben, anders sei ein Wiedereinzug in den Bundestag 2013 nicht mehr zu schaffen.

Merkel entspannt, Wowi sicher

Oder aber die Liberalen kommen über die Fünf-Prozent-Hürde. Dann könnten sich jene gestärkt fühlen, die eine harte Gangart in der Euro-Krise und mehr Profilierung gegen den Koalitionspartner und auch gegen Angela Merkel für richtig halten. Das könnte für die Kanzlerin die unangenehmere Variante werden, weil fortwährende Streitereien und ein spannender Mitgliederentscheid in der FDP das ohnehin schon lausige Erscheinungsbild ihrer Regierung dauerhaft weiter verunstalten könnten.

Relativ entspannt kann Merkel diesmal hingegen die Leistung der eigenen Parteifreunde auf sich zukommen lassen. Die Berliner CDU galt nach dem Ende der Ära von Eberhard Diepgen über Jahre als zerstrittener Haufen. Spitzenkandidat Frank Henkel hat die Partei nun ruhiggestellt. Trotzdem wachsen die Bäume nicht in den Himmel, sondern allenfalls auf Buchsbaumniveau. Mit etwas mehr als 20 Prozent vor den Grünen zu landen, wäre für Henkels Truppe schon ein schöner Erfolg. In besonders süßen CDU-Träumen fehlt Rot-Grün sogar die nötige Mehrheit, was eine große Koalition unter Klaus Wowereit und damit eine Regierungsbeteiligung der Christdemokraten ermöglichen würde.

Dass Wowereit Regierender Bürgermeister bleibt, gilt schon seit Wochen als sicher. Wie lange er es bleibt, war ein unterschwelliges Thema des Wahlkampfes. Denn mit drei Wahlsiegen in Berlin ist Wowereit hinter dem Rheinland-Pfälzer Kurt Beck der erfolgreichste Landespolitiker der SPD. Während Becks bundespolitische Ambitionen in seiner kurzen Zeit als Parteivorsitzender wegen eigener Unzulänglichkeiten und parteiinterner Widerstände ein jähes Ende nahmen, hat sich Wowereit aus den internen sozialdemokratischen Keilereien sogar dann noch weitgehend herausgehalten, als er 2009 immerhin zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt worden war.

Renate Künast muss wohl ins zweite Glied

Nun gilt eine Kanzlerkandidatur Wowereits zumindest als denkbar, weil seine potentiellen Konkurrenten Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier jede Wahl, zu der sie bisher angetreten sind, verloren haben. Umgekehrt hat Klaus Wowereit im Vergleich zu den anderen bisher die wenigsten Ambitionen in dieser Hinsicht erkennen lassen.

Sollte Wowereit tatsächlich in die Bundespolitik wechseln, käme es zu einem Wiedersehen mit Renate Künast, seiner Konkurrentin der letzten Wochen. Weil die Kandidatur Künasts als Berliner Bürgermeisterin mit hohen Erwartungen begann und nach allgemeiner Einschätzung mit einer ziemlichen Enttäuschung zu enden scheint, wird Künast wohl auf ihren Platz als Co-Fraktionsvorsitzende im Bundestag zurückkehren. Die Machtverhältnisse bei den Grünen sind damit geklärt: Künasts Kollege Jürgen Trittin ist die Nummer eins im Bund, der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist die Nummer eins in den Ländern und außerdem eine Art guter Onkel der Partei. Und dahinter kommt lange nichts, jedenfalls nicht mehr Renate Künast.

Bleibt die Linke. Sie hat in Berlin mit der SPD die letzten Jahre regiert. Und das nicht einmal schlecht, wie auch Sozialdemokraten gerne laut und vernehmlich sagen. Denn das Kompliment an die Linke rund um Wirtschaftssenator und Spitzenkandidat Harald Wolf ist vergiftet: Nicht alle Anhänger der Linken sind erpicht auf so viel Integration der eigenen Partei ins politische Establishment. Bis hinein in die Bundespartei reicht der Streit zwischen den Pragmatikern, die lieber mitregieren und dafür auch zu Kompromissen bereit sind, und den ideologischen Hardlinern, die auf allgemeine Opposition setzen. Auch dieser Streit wird nach dem Berliner Wahlsonntag weitergehen.

Hinweis: Anlässlich der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus öffnen wir unsere Kommentarfunktion am Sonntag von 17 bis 22 Uhr. Wir freuen uns auf eine rege Diskussion.

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