Wahl in Bremen: Schlappe für die CDU:Aussichtslose Mission

Nach der Wahl in Bremen jubeln SPD und Grüne. Die CDU-Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann kann sich ihre Niederlage nicht erklären - und spricht von "einer Art Ritual, SPD zu wählen".

Jens Schneider, Bremen

Nun muss sie diesen Abend auch noch durchstehen. Gute Freunde hatten Rita Mohr-Lüllmann von dieser Mission abgeraten, sie solle sich nicht "verheizen" lassen. Nicht in dieser Stadt Bremen, in der die SPD nun schon seit 65 Jahren regiert, und erst recht nicht bei der aktuellen Stimmung. Sie solle sich das nicht antun. Aber als die Routiniers bei der CDU in Bremen diese Wahl schon abgeschrieben hatten, da ließ die 54 Jahre alte promovierte Apothekerin sich zur Spitzenkandidatin wählen.

Bürgerschaftswahlen Bremen

Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), die Spitzenkandidatin Karoline Linnert (Grüne), Rita Mohr-Lüllmann (CDU) und Kristina Vogt (Linke) stehen in einem Fernsehstudio den Journalisten Rede und Antwort.

(Foto: dpa)

Die Unternehmerin wollte als Seiteneinsteigerin Fronten aufbrechen. Aber in den vergangenen Wochen versuchte sie oft vergeblich, ins Gespräch mit Bürgern zu kommen. Jetzt steht sie vor den Mikrofonen in der Bremer Bürgerschaft und versucht, passende Worte für ein Desaster zu finden. Ihre Sätze klingen noch wie aus dem Wahlkampf. "Wir haben auch viel Zuspruch gespürt", sagt Mohr-Lüllmann.

Aber am Ende war es eben so wenig Zuspruch wie noch nie für die CDU in der Hansestadt. Gewiss, sie hatten ein schlechtes Ergebnis angesichts der Umfragen erwartet. Aber jetzt, wo es da ist, fühlt es sich eben doch noch anders an. Da ist es nicht nur für sie, sondern auch für den CDU-Landesvorsitzenden Thomas Röwekamp erkennbar schwer, die richtigen Worte für diese Niederlage zu finden.

Die Christdemokraten sind zum ersten Mal in einem westdeutschen Bundesland an dritter Stelle hinter der SPD und den Grünen gelandet. Der sozialdemokratische Bürgermeister Jens Böhrnsen liegt deutlich vorn. Das überrascht eigentlich niemanden mehr, und so verblüfft es schon ein wenig, wie frenetisch seine Genossen ihn an diesem Abend feiern. Aber einige Sozialdemokraten hatten befürchtet, dass sie als Wahlsieger dennoch Verluste erleiden und die Grünen noch viel näher an sie heranrücken würden.

Danach sieht es nun nicht aus. So zeigt der stets gelassene und zurückhaltende Böhrnsen beinahe schon Euphorie, als er sich vor seinen Parteifreunden zu "großer, großer Freude" bekennt. Gern betont er später auch, dass der Abstand von der SPD zur nächsten Partei noch größer ist als beim letzten Mal.

Das aber stört die eigentlichen Wahlsieger, die Grünen, nun überhaupt nicht. "Ganz, ganz großartig" findet ihre Spitzenkandidatin, die Finanzsenatorin Karoline Linnert, dieses Ergebnis. Dabei muss sie inzwischen auch niemandem mehr erklären, dass sie weiter mit Böhrnsen koalieren will, auch wenn theoretisch die Möglichkeit einer grün-schwarzen Koalition bestünde.

"Eine Art Ritual, SPD zu wählen"

Dieser Abend ist für die Bremer Grünen etwas Besonderes, weil sie hinzugewinnen, obwohl sie im hochverschuldeten Stadtstaat Bremen mit den Ressorts Finanzen und Verkehr in der Regierung vertreten sind. Alle wichtigen Oppositionsparteien schrumpfen. Die Linke hatte oft gegen den Sparkurs Linnerts angekämpft und muss nun froh sein, überhaupt wieder ins Parlament zu kommen.

Der FDP gelingt das nicht, und an diesem Abend fällt das den meisten in der Bürgerschaft kaum auf. Ihr erneutes Desaster wird kaum wahrgenommen, als wäre es schon selbstverständlich. Deprimierend muss für die Freidemokraten sein, dass selbst eine Protestpartei wie die in Bremerhaven starken "Bürger in Wut" (BiW) sie jetzt bedrängt.

Die Verlierer im bürgerlichen Lager erklären ihre Not auch gern damit, dass Bremen eben anders sei. Es sei hier "eine Art Ritual, SPD zu wählen", sagt die abgeschlagene Spitzenkandidatin Mohr-Lüllmann schon seit längerem. Aber das ist höchstens die halbe Wahrheit, und das wissen sie auch bei der CDU. Denn diese sozialdemokratische Dominanz war in den vergangenen Jahrzehnten für einige Zeit schon verschwunden.

Es gab sogar Wahlen, es war 1995, da standen SPD und CDU nach Sitzen gleichauf, nur noch wenige Zehntelprozente lagen damals die Roten vor den Schwarzen. Danach regierten sie zwölf Jahre lang gemeinsam in der großen Koalition, und diese Koalition hat auch einen großen Teil der Schulden angehäuft, mit denen Bremen nun zurechtkommen muss. Nun trauten die Bürger der CDU nicht einmal mehr zu, eine bessere Wirtschaftspolitik zu machen als die SPD.

An Wahlabenden wird gern nach persönlichen Konsequenzen gefragt. Aber wer sollte zurücktreten? Rita Mohr-Lüllmann ist nicht die Landesvorsitzende und führt auch nicht die Fraktion der CDU in der Bürgerschaft. Sie ist einfach nur eine Unternehmerin mit nicht sehr viel politischer Erfahrung, die sich an einer Aufgabe versucht hat, die von Beginn an aussichtslos war. Das wirft ihr bisher bei der CDU niemand vor.

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