Wahl in Bremen: "Bürger in Wut":Der Erfolg des Geert Wilders von Bremen

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Pro Sarrazin, kontra Ausländerkriminalität und den EU-Beitritt der Türkei: Mit rechtspopulistischen Parolen hat die Partei "Bürger in Wut" bei der Bremer Wahl die FDP abgehängt. Hinter dem Erfolg steht ein früherer Schill-Jünger.

Oliver Das Gupta

Jan Timke hat es wieder geschafft: Der Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft sitzt eine weitere Legislaturperiode im Parlament des kleinsten Bundeslandes. Dabei steht er einer der kleinsten Parteien der Republik vor: "Bürger in Wut", kurz BIW, hat in Bremen nur 100, bundesweit 500 Mitglieder. Der Erfolg der Mini-Bewegung ist vor allem der Erfolg ihres Frontmannes.

Stilisiert sich als Geert Wilders von Bremen: Jan Timke, der Spitzenkandidat der "Bürger in Wut". (Foto: picture-alliance/ dpa)

Timke sammelte erste politische Erfahrungen als Bremer Statthalter des Hamburger Rechtspopulisten Ronald Schill. Nach dem Scheitern des Law-and-Order-Zampanos formte Timke 2004 die Bremer Sektion der Schill-Partei um zu "Bürger in Wut". Das Potential des bürgerlichen Unmuts gegen "die da oben", der sich später in Stuttgart und anderswo in der Republik zeigte, erkannte Timke früh: Er habe die "latente Protesthaltung gewittert", sagt Lothar Probst, Parteienforscher der Universität Bremen.

2007 errang BIW bei der Bremer Bürgerschaftswahl in Bremerhaven ein Mandat. Damals war Timkes Truppe nur in der Seestadt angetreten, nun auch in Bremen selbst - und hat der jüngsten ARD-Hochrechnung zufolge (ein vorläufiges amtliches Endergebnis wird nicht vor Mittwoch erwartet) das Ergebnis von 0,8 Prozent auf 3,7 Prozent (ZDF: 3,8 Prozent) steigern können. Während die FDP aus der Bürgerschaft mit mageren 2,6 Prozent (2,9 Prozent) fliegt, überwindet BIW in Bremerhaven mit 7,1 Prozent (laut vorläufigem amtlichen Endergebnis) die Fünf-Prozent-Hürde und sichert damit ihren Parlamentssitz.

Pro Sarrazin, kontra Ausländerkriminalität und den EU-Beitritt der Türkei: Mit den typischen rechtspopulistischen Themen konnte Timke punkten. Als "rechtspopulistisch" will der geborene Niedersachse nicht gelten: "diese Bezeichnung sei "eindeutig negativ konnotiert", es handele sich um einen "linken Kampfbegriff", sagte Timke in der Rechtspostille Junge Freiheit. Die BIW, versichert Timke, stehe für "Protest mit Verstand", man sei "demokratisch-konservativ".

Das Vokabular der Partei spricht eine andere Sprache: Die "Bürger in Wut" wettern gegen "Sozialschmarotzer", fordern Strafen für "deutschfeindliche Beschimpfungen", die "Wiedereinführung des Brechmitteleinsatzes zur Überführung von Rauschgifthändlern" und die Implementierung einer allgemeinen Dienstpflicht, "um die Wehrgerechtigkeit wiederherzustellen". Mal wollen sie das Kinderrecht auf eine gewaltfreie Erziehung streichen, mal schlagen sie vor, in Vierteln mit hohen Migrantenanteil reine Ausländerklassen zu schaffen. In den "BIW-Informationsbriefen" finden sich neben diesen Themen übrigens auch Tipps gegen Flecken und Silberfischchen.

Wie einst sein Lehrmeister Schill punktete Timke vor allem mit dem Thema Ausländer und Ausländerkriminalität. Der gelernte Polizist beklagte immer wieder, dass die Bremer Behörden zu lax gegen die Machenschaften eines kurdischen Großklans und des jüngst verbotenen Motorradclubs Mongols vorgingen. Ein Kriminalbeamter stemmt sich gegen Kriminelle - das kam bei vielen Bremern an, gerade in Bremerhaven, wo die Arbeitslosigkeit bei knapp 20 Prozent liegt.

In der vom Strukturwandel seit Jahrzehnten gebeutelten Hafen- und Werftstadt ist das Protestpotential seit langem groß. Mehrere Male konnte hier die rechtsextreme DVU viele Stimmen sammeln und ins Parlament einziehen, auch bei dieser Bürgerschaftswahl machte sich die NPD Hoffnungen, genug Frustrierte auf ihre Seite zu ziehen und einen Überraschungscoup zu landen.

Dass dies nicht gelungen sei, liegt auch an den Wutbürgern, glaubt Parteienforscher Probst, der einen "Aufsaugeeffekt" diagnostiziert: Timke habe den Neonazis die Tour vermasselt, indem er sich erfolgreich als "Geert Wilders von Bremen" stilisiert habe und so das Protestpotential abschöpfen konnte. Rechte Protestwähler haben einen vermeintlichen Anwalt in ihrer Sache gefunden - so wie viele Hartz-IV-Empfänger in der Linken.

Probst sieht Timke "im noch-demokratischen Rahmen" und die BIW nicht als "Anti-System-Gruppierung" wie die NPD. An eine lange Lebensdauer der Partei glaubt der Bremer Professor trotzdem nicht, dazu ist die Personaldecke einfach zu dünn: "Ich glaube nicht, dass da noch viele drumherum sind", sagt er. Auf der Homepage, im Info-Material: Fast überall taucht nur Timke auf. Womöglich geht es den Wutbürgern, wie der Ein-Mann-Partei des Ronald Schill: Nach seinem Abgang verschwand sie in der Bedeutungslosigkeit.

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