Wahl in Berlin:Er wäre gerne ein Hardliner

Abgeordnetenhauswahl - Wahlkampf CDU Berlin

Auf Plakaten verspricht die Berliner CDU mehr Polizei und Videoüberwachung.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Der Berliner Innensenator Frank Henkel forderte lautstark ein Burkaverbot, er hat ein Faible für Taser. Aber sein Wahlkampf wirkt brav und ausgelaugt.

Von Jens Schneider, Berlin

Dieser Tage kam das Gerät zum Einsatz, am Alexanderplatz. Mit freiem Oberkörper war ein Mann auf den "Brunnen der Völkerfreundschaft" gestiegen. Er drohte, sich zu verletzen. Niemand konnte ihn beruhigen. Also versetzte ein SEK-Beamter den Mann mit einem Taser in einen Schock, die Lage war entschärft. Ein Taser ist eine Elektroschockwaffe, mit der Menschen aus sicherem Abstand für Sekunden außer Gefecht gesetzt werden. Sie soll Polizisten helfen, Extremsituationen unblutig zu beenden, ist aber umstritten, weil sie für die Getroffenen gefährlich sein kann.

In Berlin setzt, wenn auch selten, bisher nur das SEK den Taser ein. Der Innensenator und CDU-Chef Frank Henkel zeigt ein Faible für die Waffe. Als Berlins Wahlkampf in die heiße Phase ging, verkündete er gemeinsam mit dem Polizeichef, dass auch Streifenpolizisten sie nutzen sollen. Er kündigte einen Testlauf an und erntete kleine Schlagzeilen und Spott von der Konkurrenz: Das sei purer Wahlkampf, Henkel möge bis zum Wahltag nicht mehr an Presseterminen der Polizei teilnehmen.

Über den Berliner CDU-Chef lässt sich sagen, dass er in diesen Tagen auf Nummer sicher geht. Je näher der Wahltermin rückt, desto mehr betont der 52-Jährige Forderungen, die als seine Kernkompetenz gelten sollen. Auf Plakaten verspricht die CDU mehr Polizei und Videotechnik. Henkel gehörte zu den Lautesten, als die CDU-Innenminister ein Burkaverbot und die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft forderten. Der Mann sollte mal für mehr stehen - 2011 überraschte Henkel mit einem unbekümmerten Auftritt und holte für die von Krisen geschüttelte Berliner CDU ein achtbares Ergebnis. Er hatte die von internen Ränken ausgelaugte CDU hinter sich vereinen können.

Henkels Wahlkampf wirkt ausgelaugt und brav

Nach fünf Jahren im rot-schwarzen Senat wirkt er zuweilen ausgelaugt von vielen Kämpfen, in denen ihn seine Gegner zum Prügelknaben machten, auch Regierungspartner Michael Müller von der SPD. Es ist ein Image, das schwer mit seinem weichen Erscheinungsbild in Einklang zu bringen ist. Kritiker sagen, ihm sei das Bemühen um ein Auftreten als Hardliner stets anzumerken. Eigentlich ist er Müllers Herausforderer. Aber die Situation ist nicht so, dass er an eine solche Zukunft glauben könnte. Henkel führt einen braven Wahlkampf. Viele seiner Termine werden jedoch nicht öffentlich gemacht, wegen der Sicherheit, heißt es.

Merkel vs. Müller

Kurz vor der Abgeordnetenhauswahl in Berlin hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) vorgeworfen, sich in der Flüchtlingspolitik aus der Verantwortung zu stehlen. Müller erkläre sich "gern für nicht zuständig und schiebt seine Verantwortung von sich", sagte Merkel dem Tagesspiegel. "Aus eigener Erfahrung weiß ich aber: Regierungschefs tragen immer die Verantwortung und werden bei Wahlen auch immer verantwortlich gemacht." Die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen ist in Berlin - wie auch in anderen Bundesländern - seit langem ein Streitthema. Die Arbeit des CDU-geführten Landesamts für Soziales und Gesundheit wurde bundesweit zum Synonym für behördliches Versagen in der Flüchtlingskrise. Merkel bescheinigte der CDU, die Hauptstadt vorangebracht zu haben. Seit ihre Partei mitregiere, "ist es besser geworden in Berlin", sagte sie.

dpa

Auf Nachfrage erfährt man etwa, dass er den Tierpark besucht. Und erlebt eine Sonderfahrt mit der Parkbahn, es gibt Fotos mit Tieren, weniger mit Menschen. Durch ein dicht besetztes Parkrestaurant marschiert er, ohne sich den Gästen zu widmen. Bei CDU-Festen kommt er leichter ins Gespräch, auf sicherem Terrain.

Die Gäste eines Technoclubs nennt er "Damen und Herren"

Henkel ist ein Mann, den Parteifreunde gern in Sätzen beschreiben, die mit "eigentlich" beginnen: Eigentlich sei er dufte, nur sehr misstrauisch und ein wenig scheu. Es könnte eine der wenigen Eigenschaften sein, die er mit dem als empfindsam bekannten Regierenden Bürgermeister Müller gemeinsam hat. Eine Gemeinsamkeit, die ihre Zusammenarbeit im Senat erschwert haben dürfte. Zuletzt überstieg das Maß der zur Schau getragenen Feindseligkeit weit den üblichen Rahmen.

Dabei kann Henkel, besonders im vertrauten Rahmen, erfrischend plaudern, Menschen für sich einnehmen, eben: eigentlich nett sein. Wenn er aber beim Medientreff der CDU-Fraktion im Techno-Club Tresor die Gäste immer wieder als "Meine Damen und Herren" anspricht, wirkt der Auftritt so schräg wie ein Punker beim Abtanzball. Zu ihm passt die Liebe zu Schlagern, Berlins CDU hat einen solchen Song für ihren Wahlkampf aufgenommen. Er brachte ihr im Internet viel Spott ein.

Parteifreunde hätten Henkel wohl gern abgesetzt

Das sind nicht die Wähler, die er zu überzeugen hofft. Es gelte zu unterscheiden, sagen Unterstützer: zwischen dem miesen Image, das ihm von Gegnern und Journalisten verpasst worden sei - und dem Ansehen bei CDU-Anhängern. Henkel kann darauf verweisen, dass in seiner Amtszeit viel mehr Polizisten eingestellt wurden, als er vor der Wahl versprochen hatte.

In Berlin kursieren Gerüchte, wonach Parteifreunde Henkel gern durch jemand anderen ersetzt hätten. Nur hätten die Erwählten nicht gewollt. Nun soll er für die CDU in schwieriger Zeit ein noch mäßig gutes Ergebnis einfahren. Eine Regierungsoption ist nicht in Sicht. Weder für die Fortsetzung der Koalition mit der SPD noch für Schwarz-Grün würde es Umfragen zufolge reichen. Und beide haben einer Koalition mit ihm eine Absage erteilt.

Sie winkten auch in Sachen Taser ab. Es sei ja dann Wahl, und das Gerät werde so niemals kommen.

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