Landtagswahl:Berlins Spitzenkandidaten im Kurzporträt

Landtagswahl: Von links oben nach rechts unten: Michael Müller (SPD), Frank Henkel (CDU), Klaus Lederer (Die Linke), Sebastian Czaja (FDP), Ramona Pop (Bündnis 90/Die Grünen) und Georg Pazderski (AfD)

Von links oben nach rechts unten: Michael Müller (SPD), Frank Henkel (CDU), Klaus Lederer (Die Linke), Sebastian Czaja (FDP), Ramona Pop (Bündnis 90/Die Grünen) und Georg Pazderski (AfD)

Warum die AfD sicher nicht für ihren Humor gewählt wird, was Bruderliebe mit der FDP zu tun hat und ein Monchhichi mit der CDU.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Michael Müller (SPD)

Michael Müller steht auch schon mal alleine rum auf einem dieser vielen Sommerfeste in Berlin. Dann guckt er sich um, läuft hier hin, dann dorthin. Es scheint ihn nicht zu stören. Wie anders sein Vorgänger Klaus Wowereit im Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin: Wo Wowi war, war Party. Der kam nicht einfach auf ein Fest. Wowereit hatte immer den ganz großen Auftritt.

Müller ist das Gegenmodell. Ein Normalo, bescheiden, zurückhaltend, schüchtern zuweilen. Aber einer mit Machtinstinkt. Als Wowereit vor zwei Jahren sein Amt zur Verfügung stellte, da hatten die meisten Müller bereits abgeschrieben. Jan Stöß, der damalige Landesvorsitzende, hatte Müller das Amt in einer Kampfkandidatur entrissen. Nun schmiss er sich ins Rennen um die Nachfolge als Regierender Bürgermeister. Raed Saleh, der SPD-Fraktionsvorsitzende, wollte den Job auch. Müller dagegen hielt sich zunächst zurück. Erst als er sah, wie umstritten Stöß und Saleh in der Partei waren, entschloss er sich zur Kandidatur - und gewann den Mitgliederentscheid deutlich. Auf dem folgenden Parteitag holte er sich auch den Landesvorsitz zurück. Alle Macht liegt seitdem in seiner Hand.

Probefahrt mit IGA-Seilbahn

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD)

(Foto: dpa)

Unterschätzen sollte Michael Müller niemand. Der Mann, Drucker von Beruf, hat sein Leben lang Politik gemacht. Er weiß, wie das Geschäft läuft. Auch wenn die Geschäfte für ihn und die SPD gerade besser laufen könnten. Müller hatte hervorragende Umfragewerte nach seiner Amtseinführung. Aber auch er konnte das Desaster am Flughafen BER nicht über Nacht lösen. Und die vielen Flüchtlinge haben die Organisations- und Improvisationsfähigkeit der Stadt an ihre Grenzen gebracht. Die Zustände am Lageso sind auch ihm angelastet worden.

Müller ist jetzt kurz davor, das schlechteste Ergebnis einzufahren, dass die SPD in Berlin jemals hatte. Die Umfragen schwanken zwischen 21 und 24 Prozent. Das schlechteste Ergebnis bis jetzt bekam die Partei 1999 unter Walter Momper mit 22,4 Prozent. Dennoch wird Müller wohl Regierender Bürgermeister von Berlin bleiben. Denn keine andere Partei scheint stärker als die SPD zu werden.

Frank Henkel (CDU)

Abgeordnetenhauswahl - Wahlkampf CDU Berlin

Der Berliner CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel holt den Hammer raus.

(Foto: dpa)

Wenn es blöd läuft für Frank Henkel, dann sitzt er ab 2017 im Bundestag. Und blöd läuft es, wenn der Regierende Bürgermeister von Berlin - wahrscheinlich wird er auch nach der Wahl Michael Müller heißen - seine Drohung wahrmacht und Henkel mitsamt seiner CDU aus der Regierungsverantwortung kickt. Dann dürfte Henkels Zeit in der Berliner Landespolitik erst mal vorbei sein.

Die Umfragen sind derzeit so, dass das Wort "große Koalition" in Zusammenhang mit Rot-Schwarz ohnehin nur noch schwer über die Lippen kommt. Die CDU von Spitzenkandidat Henkel kommt mit Ach und Krach auf 20 Prozent. Wenn die SPD ähnlich schlecht abschneidet, reicht es in Berlin nur noch für ein Dreierbündnis. Und Müller hat ohnehin schon klargemacht: Er will Rot-Rot-Grün. Egal, ob es mit der CDU noch einmal reicht.

Henkel, noch Innensenator im Kabinett Müller, schien in seinem Job der richtige Mann am falschen Platz zu sein. Unter Parlamentariern im Abgeordnetenhaus gilt er als fleißiger und gemütlich-freundlicher Brummbär. Seine Leute hätten allerdings gerne einen scharfen Hund als Innensenator. Einen, der harte Kante zeigt in der Konkurrenz mit der AfD. In der Disziplin wirkt Henkel allerdings so glaubwürdig wie ein Monchhichi im Tarnanzug.

Henkel hatte die Berliner CDU 2011 nach turbulenten und erfolglosen Jahren immerhin wieder in die Regierung geführt. Viel gemacht hat er daraus allerdings nicht. Zur rot-schwarzen Koalition kam es damals nur, weil die Grünen überraschend abgesprungen sind. Die CDU war nicht vorbereitet. Manche sagen, Henkel hätte sich in den Koalitionsverhandlungen vom damaligen Regierungschef Wowereit über den Tisch ziehen lassen. Henkels Tage im Amt dürften vermutlich gezählt sein.

Ramona Pop (Grüne)

Grünes Spitzenteam erntet Sonnenblumen

Spitzenkandidatin Ramona Pop erntet Sonnenblumen. Auf einem Acker in Spandau hatte die Partei im Frühjahr 15 000 Sonnenblumen gesät, die jetzt an Wahlkampfständen verteilt werden.

(Foto: dpa)

Für die Grünen in Berlin ist es ganz praktisch, viele Spitzenkandidaten zu haben - insgesamt gibt es bei dieser Wahl vier. Damit sind alle Flügel befriedigt, Partei und Fraktion sind eingebunden, jede Neid-Debatte ausgeschlossen. Nach außen aber wirkt nur Ramona Pop. Die kennen viele Berliner, sie hat als Fraktionschefin reichlich Erfahrung gesammelt, ist medienkompatibel. Nur gemocht wird sie in der Partei nicht so richtig.

Als eine Mitgliederversammlung im Frühjahr die Spitzenkandidaten wählte, wurde Pop zwar der Listenplatz eins nicht streitig gemacht. Aber gewählt wurde sie nur von knapp 60 Prozent der Mitglieder. Ein demütigendes Ergebnis. Berlin ist aber auch ein schwieriges Pflaster. Die Realos hier können genauso anstrengend sein wie die Parteilinken.

De facto führt die 38-jährige Pop den Wahlkampf der Grünen an. Ihre drei Mit-Spitzenkandidaten spielen eher Statistenrollen. Da ist 
Antje Kapek, Pops Co-Fraktionschefin vom linken Flügel. Dann noch Parteichefin Bettina Jarasch (Reala) und ihr Co-Vorsitzender Daniel Wesener (Linker). Alle drei sind eher unbekannte Größen der Berliner Landespolitik. Die Spitzenkandidatur sichert aber allen vieren Zugriff auf herausgehobene Posten, sollte es, wie zu vermuten ist, zu einem rot-rot-grünen Bündnis kommen.

Klaus Lederer (Linke)

Wahlkampfkundgebungen der Linken

Wahlkampfkundgebung der Linken: Spitzenkandidat Klaus Lederer spricht am Hermannplatz in Berlin.

(Foto: dpa)

Wenn Klaus Lederer über Politik spricht, dann sind seine Augen weit aufgerissen, der ganze Körper geht mit, Hände, Füße, alles an ihm will sein Gegenüber überzeugen: Ja, der Sozialismus ist der bessere Weg. Der Weg des realen Sozialismus ist bekanntermaßen allerdings ein Weg der Enttäuschungen, Niederlagen und Frustrationen. Ein Wunder, dass Lederer, erstmals Spitzenkandidat der Linken in Berlin, dennoch so fröhlich wirkt. Er ist noch jung, gerade mal 42 Jahre alt. Aber seit elf Jahren Landeschef der Berliner Linken.

Lederer hat schon mit Klaus Wowereit verhandelt, als die Linke noch mit der SPD koaliert hat. Klaus und Klaus, ein ungleiches aber durchaus erfolgreiches Paar. Die rot-rote Koalition hatte der megaverschuldeten Hauptstadt mit einem rigiden Sparkurs wieder etwas Luft verschafft. So prinzipientreu Lederer in seinen Zielen sein mag, so pragmatsch schließt er Kompromisse auf dem Weg dorthin.

Er beschreibt das so: "Links ist man nicht, links handelt man." Und "dabei ist man nicht Vollstrecker des großen Weltenplans, sondern Akteur in einem unübersichtlichen Geflecht von Interessen, in denen sich auch die Widersprüche unserer Gesellschaft manifestieren". Zwischen den Zeilen liest sich deutlich seine marxistisch-leninistische Grundausbildung heraus, die er noch als Schüler in der damaligen DDR genossen hat. Er kann das aber auch prägnanter: "Wer sich der Realität verweigert, ist unwählbar." Demnächst könnte er als Senator zeigen, wie er das genau meint.

Georg Pazderski (AfD)

Berliner Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl

Der Vorsitzende der Berliner Alternative für Deutschland (AfD) Georg Pazderski

(Foto: dpa)

Es war aber auch eine schwierige Fangfrage des heute-show-Komödianten Lutz van der Horst: Wenn die AfD in Mecklenburg-Vorpommern mit drei Prozent Ausländeranteil 21 Prozent holt, dann müsste sie in Berlin doch 240 Prozent holen, oder? Pazderski schaut van der Horst an, als hätte der sie nicht alle. "Sie wissen ja, dass es nur 100 Prozent gibt, oder?", sagt er. Dann lacht er über seine eigene Überlegenheit. Na ja, für ihren Humor wird die AfD auch nicht gewählt.

Georg Pazderski ist einer von zwei Landeschefs der Berliner AfD. Seine Co-Chefin ist deutlich bekannter als der Ex-Oberst. Beatrix von Storch bestimmt regelmäßig die Schlagzeilen. Manchmal ist ihr dann hinterher die "Maus ausgerutscht", wenn sie auf Twitter wieder über das Ziel hinausgeschossen ist. Pazderski gilt im Vergleich zu ihr als gemäßigt. Er ist 1951 in Pirmasens geboren, hat eine stramme Bundeswehr-Karriere hinter sich. Er war von 1990 bis 1998 am Aufbau der Truppe in den neuen Bundesländern beteiligt, von 2000 bis 2001 Sicherheits- und verteidigungspolitischer Berater des deutschen Ständigen Vertreters in Brüssel und von 2005 bis 2010 Leiter der internationalen Planungsgruppe des Kommandeurs US-Zentralkommando in Tampa/Florida.

Er gibt sich gerne hart und entschlossen. Aber er scheint auch Gefühle zu haben. In einer Sendung des RBB sagte er, dass Realität nicht nur etwas mit Statistiken zu tun habe. Sondern, dass das, was man fühlt, auch Realität sei. Um zu verstehen, was er meint, hilft vielleicht ein Blick auf die Burka-Debatte. Obwohl statistisch gesehen nur wenige Hundert Frauen bundesweit Burka tragen, sind es gefühlt für einige Menschen Hundertausende. Und weil das dann die Realität ist, muss die Burka per Gesetz verboten werden.

Wie gut, dass Padzerski kein aktiver Soldat mehr ist. Wenn da die gefühlte Realität zur Realität wird, kann das böse enden.

Sebastian Czaja (FDP)

Plakatierungsaktion mit Sebastian Czaja zu maroden Schulen

Sebastian Czaja, Spitzenkandidat der FDP für die Berliner Abgeordnetenhauswahl

(Foto: dpa)

Seinen Bruder hat Sebastian Czaja mit seiner Spitzenkandidatur schon mal ausgestochen. Spitzenkandidat war Mario Czaja nämlich noch nicht. Ansonsten hat er dem jüngeren Sebastian, Jahrgang 1983, in Sachen politischer Erfahrung einiges voraus. Der CDU-Politiker Mario Czaja hat es immerhin zum Sozialsenator von Berlin gebracht. Marios Karriere war wohl auch der Grund für Sebastians Wechsel von der CDU zur FDP im Jahr 2005. Dem Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Marzahn-Hellersdorf war offenbar klar geworden, dass ihm selbst eine Karriere in der CDU verwehrt bleiben würde, solange sein Bruder Mario bei dieser Partei ist.

Die FDP hat Sebastian Czaja gerne genommen. In der BVV wuchs sie mit ihm auf Fraktionsstärke heran. Er wurde mit einem Posten als stellvertretender Fraktionschef belohnt. Was dann einigen seiner neuen Parteifreunde doch etwas zu schnell ging, die Kritik wuchs. Dennoch ist er 2006 für die FDP ins Abgeordnetenhaus gewählt worden.

Mit dem 1,8 Prozent-Debakel der Abgeordnetenhaus-Wahl 2011 endete Czajas politische Karriere zunächst. Er schien sich verzockt zu haben. Jetzt aber tritt er als Spitzenkandidat der Berliner FDP an. Und wie es aussieht könnte die FDP knapp den Einzug in das Landesparlament schaffen. Von 1,8 auf fünf Prozent, das wäre ein Riesenerfolg.

Czaja setzt im Wahlkampf auf zwei Themen, die viele Bürger tatsächlich bewegen. Er will, dass der Flughafen Tegel offen bleibt. Und er will die Bürgerämter auf Vordermann bringen. Derzeit sind Termine bis zu drei Monate im Voraus ausgebucht. Selbst für so banale Dinge wie eine Wohnungsummeldung.

So wie die Dinge liegen, könne Czaja womöglich auch noch gebraucht werden, um mit der FDP in eine rot-grün-gelbe Regierung einzuziehen. Regierungschef Michael Müller will auf keinen Fall mit der CDU weiterregieren. Für Rot-Grün alleine reicht es nicht. Und ob die Linke derzeit Lust auf Regieren hat, ist noch nicht ganz geklärt. Im Falle einer Regierungsbeteiligung würde Czaja, FDP, wohl Senator werden. Und Czaja, CDU, müsste auf der Oppositionsbank Platz nehmen.

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