Wahl in Afghanistan:Abdullah wirft Karsai Wahlmanipulation vor

Offizielle Ergebnisse gibt es noch keine, aber schon einen handfesten Streit. Der Herausforderer wirft dem Präsidenten Betrug vor.

T. Matern, Kabul

Offizielle Ergebnisse gibt es noch nicht, dafür einen handfesten Streit. Der Herausforderer von Hamid Karsai hat dem afghanischen Präsidenten am Wochenende vorgeworfen, die Abstimmung vom Donnerstag massiv beeinflusst zu haben. "Er benutzt den Staatsapparat, um die Wahl zu manipulieren - so etwas würde man nicht erwarten", sagte Abdullah Abdullah der Nachrichtenagentur AP.

Wahl in Afghanistan: Herausforderer Abdullah Abdullah wirft Präsident Karsai vor, die Wahl manipuliert zu haben.

Herausforderer Abdullah Abdullah wirft Präsident Karsai vor, die Wahl manipuliert zu haben.

(Foto: Foto: dpa)

In einigen Distrikten seien wesentlich mehr Stimmzettel zugunsten des Präsidenten in den Urnen gelandet als es Wähler gegeben habe, kritisierte der ehemalige Außenminister.

Aus dem Karsai-Lager kam eine prompte Reaktion: Kandidaten, die auf der Verliererstraße seien, würden von Wahlbetrug reden, um "ihre Niederlage zu rechtfertigen", sagte ein Sprecher des Präsidenten.

Karsai gilt als Favorit für eine zweite Amtszeit. Abdullah, der im Wahlkampf stark auftrumpfte, könnte dem Staatschef indes die absolute Mehrheit streitig machen, wenn es bei der Auszählung mit rechten Dingen zugeht. Nötig wäre dann eine Stichwahl im Oktober nach dem Fastenmonat Ramadan.

Herausforderer Abdullah will Ergebnis respektieren

Trotz der Fundamentalkritik ließ Abdullah erkennen, er werde das Ergebnis respektieren. Der Herausforderer dämpfte damit Befürchtungen, dass es zu Straßenschlachten kommen könnte, sollten seine Anhänger das Resultat als manipuliert einstufen.

Die Unabhängige Wahlkommission kündigte an, sie werde ein Drittel der Ergebnisse am Dienstag bekanntgeben. Die zentrale Beschwerdestelle teilte am Sonntag mit, sie habe bereits mehr als 200 Eingaben erhalten, die Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe anprangerten.

Es sei zu Gewalt, Einschüchterungen und Manipulationen gekommen. Die Vorwürfe würden genau geprüft, hieß es. Entscheidend werde sein, für wie glaubwürdig die Afghanen den Abstimmungsprozess erachteten, sagte ein Wahlbeobachter der Europäischen Union. "Wenn da beispielsweise offiziell von 50 bis 60 Prozent Wahlbeteiligung die Rede sein sollte, ist das nicht realistisch", sagte er. Nach seinem Eindruck liegt die Beteiligung eher bei 30 Prozent. "Die Afghanen sind nicht dumm, sie werden sich nicht so leicht etwas vormachen lassen."

Viele Afghanen rechnen indes gar nicht mehr damit, dass die Wahl fair abgelaufen ist. "Niemand geht davon aus, dass alles sauber war", sagte ein Einwohner Kabuls - solche Aussagen sind dieser Tage häufig in der afghanischen Hauptstadt zu hören.

Sowohl Karsai als auch Abdullah hatten schon am Tag nach der Abstimmung wissen lassen, sie lägen deutlich in Führung - obwohl es da noch keinerlei belastbare Resultate gab. Der Präsident ließ einen seiner Vertrauten sogar behaupten, es werde keine zweite Abstimmungsrunde erforderlich sein.

Angeblich Finger abgehackt

Am Donnerstag hatten die Menschen in Afghanistan nach 2004 erst das zweite Mal in der Geschichte des Landes die Gelegenheit, einen Präsidenten zu wählen. Sie widersetzten sich mit der Stimmabgabe den Drohungen der radikalislamischen Taliban, die einen Boykott des Urnengangs gefordert hatten.

Nach Medienberichten sollen die Militanten im Süden des Landes zwei Menschen einen Finger abgehackt haben, auf dem die Wahltinte zu erkennen war. Am Tag der Abstimmung starben landesweit mehr als 50 Afghanen durch gewalttätige Auseinandersetzungen. Auch am Wochenende kamen sechs Polizisten in der nördlichen Provinz Baghlan ums Leben, als ein Sprengsatz am Straßenrand detonierte.

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